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Portugal – Ein Land am Rande Europas
14.07.2012, 12:08
Beitrag: #3
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
Die Reiseaufzeichnungen von Joachim Schlör

„Lissabon im April“ lautet die Überschrift zum vierten Kapitel der Reisenotizen „Hotel Europa“, die von Joachim Schlör verfasst und im Jahr 2000 herausgegeben wurden. Schlör ist 1960 in Heilbronn geboren, lebt aber derzeit in Berlin. In seiner bisherigen wissenschaftlichen Arbeit beschäftigte er sich mit europäisch-jüdischen Studien. Auch sonst beschäftigt sich Schlör intensiv mit dem Judentum. Zurzeit leitet er das „Kompetenznetz Jüdische und Rabbinische Studien“ an der Universität Potsdam. Auch viele seiner Bücher beschäftigen sich mit diesem Thema.
Er beschreibt in „Hotel Europa“ seine Eindrücke von verschiedenen Ländern am Rande Europas und deren Hauptstädte. Seine Aufzeichnungen sind über das Jahr verteilt, so bereist er zum Beispiel London im Januar und Lissabon im April.
In diesem Kapitel beschreibt Schlör seine Gedanken zu Portugal. Sein assoziativer Stil fällt besonders auf. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er Eindrücke und Beobachtungen in einen größeren geschichtlichen und politischen Kontext einordnet und sich weiterführende Gedanken macht.
Schlör bezeichnet Portugal als finis terrae und als ein Land der Abschiede von Europa (vgl. Schlör, 37). Er spielt hier auf die Rolle Portugals für Emigranten nach Übersee an, wie es sie zum Bespiel zur Zeit des Nazi-Regimes gab. Die geographische Lage macht Portugal offen für Eindrücke und Einflüsse aus Afrika und Amerika und gleichzeitig zu einem perfekten Platz, Europa zu verlassen. Dafür ist vor allem Lissabon nach Schlörs Meinung ein gutes Beispiel (vgl. Schlör, 37f.).
Gleichzeitig brachen von hier auch die großen Seefahrer und Entdecker in die Welt auf und brachten neues Wissen. Dieser Blickwinkel vom Rand auf Europa fasziniert Schlör und er fühlt sich an den Film „Lisbon Story“ erinnert. Seine frühere Abneigung für „EG-Studien“ hat sich in Interesse gewandelt (vgl. Schlör, 38).
Er berichtet über eine Reise in die spanisch-portugiesische Grenzregion, wo ihn vor allem die Geschichte des Judentums am Ende des 15. Jahrhunderts beeindruckt. Mit der Inquisition waren die Juden hier vertrieben worden und hatten sich über ganz Europa verteilt. Diese jüdische Geschichte verbindet Lissabon mit anderen europäischen Metropolen wie Konstantinopel, Sarajevo oder Triest (vgl. Schlör, 38).
Jedoch zeigt sich Schlör nachdenklich über die Folgen der EU-Mitgliedschaft Portugals. Er nennt als Beispiel, dass die traditionellen Fischerboote nicht den EU-Verordnungen entsprächen und diese verloren gehen könnten. Die Fischerboote sind ein Symbol für den Wunsch nach eigener Identität und gegen die Angleichung aus Brüssel. Schlör bedauert die Wirkung einer kalten und starren Bürokratie (vgl. Schlör, 39).
In Portugal wird außerdem der Einfluss seiner äußeren Kontakte deutlich, vor allem der aus Afrika und Amerika. Schlörs letzter Punkt ist der typisch portugiesische Fado. Er schildert eine Situation in einem Lokal, in dem ein spontaner Auftritt stattfindet, obwohl das Lokal nicht so voll ist, dass sich dies lohnen würde. Mit den sehnsüchtigen, traurigen Eindrücken, die durch ein Lächeln zur rechten Zeit doch einen europäischen Zustand erreichen, beschließt Schlör seine Aufzeichnungen zu Portugal (vgl. Schlör, 40-43).

Der vernetzte Mensch von heute gerät in Gefahr,
die globalisierte Welt als eine Ansammlung von Zitaten zu erleben.

Doug Mack
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RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas - Viriathus - 14.07.2012 12:08

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