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Aha-Theorie oder langsamer gärtnerischer Übergang
14.07.2012, 10:46
Beitrag: #12
RE: Aha-Theorie oder langsamer gärtnerischer Übergang
(01.07.2012 12:48)Renegat schrieb:  Der Begriff "Neolithische Revolution" suggeriert eine plötzliche Erkenntnis und einen daraus folgenden umfassenden Wandel der Lebensgewohnheiten. An dieser Schnittstelle beginnt die Jungsteinzeit, auch in diesem Forum.

(13.07.2012 13:33)Maxdorfer schrieb:  Eine Revolution ist nicht ein plötzlicher Vorgang: Eine Revolution bereitet sich vor - über Jahre oder Jahrzehnte, in früheren Zeiten über Jahrhunderte und Jahrtausende - entläd sich dann eines Tages in irgend einer Weise und braucht, um ihre volle Wirkung zu entfalten, wiederum eine längere Zeit. Zum Beispiel die Revolution 1848/49: sie bereitete sich im - sogar nach diesem Fakt benannten - Vormärz vor, sie entlud sich in relativ (Betonung auf RELATIV) kurzer Zeit und wirkte dann noch ein paar Monate. Bei der neolithischen Revolution ist das ein bisschen vielschichtiger, aber ich denke, relativ ähnlich. Über lange Zeit sammelten sich die Erkenntnisse der Menschen, biss sie dann eines Tages "zum Ausbruch kamen". Das kann ja gar nicht anders sein, denn eines Tages muss ja das erste Mal Ackerbau betrieben worden sein. Es muss einen ersten Tag gegeben haben.

Nein, beim Übergang von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise muss es keinen ersten Tag gegeben haben.
Aber schön, dass wenigstens du erkannt hast, worum es mir in diesem Thema ging.
Als der Begriff von Gordon Childe in der 30ern eingeführt wurde, ging es auch um die gesellschaftspolitische Analogie zur industriellen Revolution und die relativ plötzliche Veränderung der Lebensumstände der Menschen in den Industrieländern. http://de.wikipedia.org/wiki/Vere_Gordon_Childe

(13.07.2012 13:33)Maxdorfer schrieb:  Nun kann man natürlich sagen - die neolithische Revolution umfasst ja, zumindest im nahen Osten, das erwähnte "neolithische Paket", also gleich vier bis fünf Neuerungen. Aber ich bin der Meinung, dass diese Dinge, geschliffenes Steinwerkzeug, Ackerbau + Viehzucht, sesshaftes Wohnen und Keramik ungefähr zur gleichen Zeit auftraten.
Ich wollte mit diesem Thema ein bißchen weg vom Nahen Osten und den Blick auf andere Zentren lenken, deshalb verlinkte ich Kuk und Nordamerika. In anderen Weltgegenden verlief der Übergang wahrscheinlich anders, aufgrund der Art der domestizierten Pflanzen, des fehlenden Nacheiszeitklimawandels und weiterer Gründe.
Diese anderen Entwicklungen würde ich gern diskutieren, inwieweit sie andere Kulturmodelle nach sich zogen, von denen wir vielleicht etwas lernen können.
Einfach ist gärtnerische Landwirtschaft nämlich keineswegs, im Gegenteil, sie erfordert oft mehr Handarbeit, ist dafür aber auf kleineren Flächen möglich. In Kuk wurden seit Jahrtausenden umzäunte Beete angelegt, die durch Gräben entwässert und kontinuierlich gepflegt wurden.

(13.07.2012 13:33)Maxdorfer schrieb:  Natürlich nicht am selben Tag, aber in vergleichsweise kurzem Zeitraum, gemessen an dieser Zeit, in der die geschichtlichen Entwicklungen noch viel langsamer verliefen als heute oder auch in der Antike oder im Mittelalter. Es handelt sich hier um Jahrhunderte Entwicklung, die aber in der noch viel länger andauernden Steinzeit schon eine relativ schnelle Entwicklung bedeuten.
Und genau zu einem Zeitpunkt bricht eine Revolution ja sowieso nicht aus: 1848/49 starteten die Revolutionen in Paris, in Wien, in Berlin auch nicht genau zum gleichen Zeitpunkt. So wird es auch bei der neolithischen Revolution gewesen sein, bloß wie eben gesagt in viel größerem Maßstab.
Wie lange es gedauert hat, bis dieser RELATIV schnell verlaufende Erkenntnisprozess umgesetzt wurde, und ob er überhaupt umgesetzt wurde, ist eine Frage, die alle Revolutionen gemein haben. Manche Revolutionen brauchten Jahre, bis sie wirksam wurden, andere wirkten schneller, andere überhaupt nicht, da sie sofort wieder rückgängig gemacht wurden.

Jetzt bin ich im Zwiespalt, wir können natürlich über den Verlauf von Revolutionen allgemein diskutieren, durchaus spannendes Thema, paßt aber doch besser in die Neuzeit, oder?

(01.07.2012 12:48)Renegat schrieb:  Deshalb frage ich mich, wo die sogenannte Ahatheorie, also die plötzliche Erkenntnis von Jägern und Sammlern, dass sich Pflanzen kultivieren lassen, überhaupt stattgefunden hat.

(13.07.2012 13:33)Maxdorfer schrieb:  Der Prozess der neolithischen Revolution hat an verschiedenen Orten der Welt in relativ schneller Zeit (siehe erster Teil meines Beitrags), aber gut möglich zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattgefunden. Die Gegenden waren ja relativ isoliert, teilweise sogar bis in die Neuzeit. In Amerika, in Ostasien, auf der indischen Halbinsel oder im Fruchtbaren Halbmond wurden besagte Entdeckungen in unterschiedlichen Epochen gemacht.
Die von Historikern so genannte "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" zeigt sich darin, dass an manchen Stellen der Erde die Menschen auf einer Entwicklungsstufe sind, die wir vor Jahrtausenden durchlebt haben. Dieses Prinzip der Geschichte muss man auch auf die neolithische Revolution anwenden. Während sie in einer Gegend der Welt vor zehntausend Jahren stattfand, brauchte es in anderen Regionen dreitausend Jahre länger oder noch mehr.
Man sollte in diesem Zusammenhang sowieso von mehreren neolithischen Revolutionen sprechen.

Über die relative Schnelligkeit möchte ich gern diskutieren. Am nordamerikanischen Beispiel sieht man, das der Übergang gar nicht immer vollständig erfolgt sein muß.
Wir sind etwas zu sehr auf unsere Landwirtschaft fixiert, wenn wir von neolithischer Revolution sprechen.
Auch dein guter, verlinkter Aufsatz, Maxdorfer handelt i.W. von Nahost und Getreide.
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RE: Aha-Theorie oder langsamer gärtnerischer Übergang - Renegat - 14.07.2012 10:46

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