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Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
14.07.2012, 17:46
Beitrag: #21
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Folge 3: Schwierig aber wichtig: Die Theologie der Ultramontanen: Das erste vatikanische Konzil 1870 – 1871.

Es geht in dieser Folge um die Rede über Gott, wie sie im Ultramontaneismus praktiziert wurde. Leider ist hier vorweg zu sagen – es wird umfänglich und komplex, ich versuche das in mehreren Teilen so verständlich wie möglich zu machen. Genauso werde ich das so schreiben, dass man keine kirchliche Vorkenntnisse braucht.

Der Katholische Glaube

Die Theologie der katholischen Kirche hat sich vor dem 19. Jahrhundert kaum geändert, wie bis heute nicht. Es sind lediglich Kleinigkeiten in der Lehre, die sich seit der Reformation geändert haben. Der Katholik glaubt (im Idealfall) eigentlich, dass es ein Gott gibt, der das Weltall geschaffen hat und in dieser Schöpfung sich die Welt zwar frei aber für eine Bestimmung zum Heil zu haben. Das ist ein kontroverser Punkt. Augustinus von Hippo geht davon aus, dass die Menschen deswegen von Gott eine Vorbestimmung haben, sich zum Heil zu entwickeln (Determination = Vorbestimmung des Lebens). Dieses wird im Fachjargon „Heilsökonomie“ oder „Heilsgeschichte genannt. Das Leben ist also vorbestimmt, wird durch den allmächtigen Gott also gelenkt^1 (Omnipotenz). Neuere Theologische Hypothesen, z. B. der Jesuit Alfred Delp geht davon aus, dass die „Freiheit des Menschen eine Tatsache unter Tatsachen ist und solche stehen bleibt“, also keine Vorbestimmung des Lebens sondern die Freiheit und die Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der Schöpfung. Letzteres wird ohne Wertung geben zu wollen wohl das wahrscheinlichere sein. Ferner ist das Wesentliche des katholischen Glaubens die Existenz und die Göttlichkeit Jesus Christus. Der Messias – der gesalbte – ist Gott und Gottes Menschensohn. Er ist laut dem Glaubensbekenntnis von Nicea 325 wahrer Mensch und Wahrer Gott als eine Einheit. Die junge Frau (darauf wird später eingegangen) Maria hätte ihn gebärt. Der historische Jesus Christus war höchstwahrscheinlich dann Rabbiner, bzw. jüdischer Endzeitprediger. Hier muss gesagt werden, Gott ist in Jesus Christus ein normaler Mensch, jedoch eben auch Gott, eine neuplatonische Einheit. Jedoch ist nicht das Leben Jesus Christus das entscheidende, sondern seine Lehre, die jüdisch – hellenistisch geprägt war. Seine Bergpredigt (Mt 5 – 7) wird zum Herzstück der christlichen Lehre, ohne hohe Philosophie, zunächst. Dann aber wird Jesus Christus von einem seiner Anhänger (Jünger) Judas Ischariot verraten. Jesus Christus wird durch den damaligen Stadthalter Pontius Pilatus zum Tode durch Kreuz verurteilt. Der Vorwurf: Auflehnung gegen die Besatzungsmacht, er würde sich für den Herrscher über dem Kaiser halten. Als Jesus Christus gekreuzigt wird, wurde der Tempel in Jerusalem durch ein Erdbeben zerstört^2. Als seine Mutter zusammen mit einigen Verwandten das Grab besuchten, war dieses leer, der große Stein vor dem Höhlengrab war weggeräumt, die Leiche verschwunden. Jesus selbst tauchte zweier seiner Jünger auf dem Heimweg nach Emmaus wieder auf, ohne ihn zu erkennen. Das ist grob gesagt der christliche Glaube. Hinzu kommt das Pfingstereinignis, als der aus dem Sohn und Gott (als eine Einheit)^3 entstandene Geist die Jünger endgültig neu beseelt, um die von Jesus aufgetragene Missionierung durchzuführen. Missionierung bedeutet, den Rest der bekannten Welt zu erklären, was sich zugetragen hat und das Leben Jesus Christus einmal in Sieben Tagen zu feiern (Als Vorbild nimmt Jesus den Sabbat). Man feiert immerhin Gott und seinen Besuch als Objekt einer Schöpfung.

^1 Omnipotenz ist die lateinische Form des Glaubensbekenntnis. Jedoch ist im eigentlichen Sinne nicht die Altmächtigkeit gemeint, sondern die Lenkung der Welt. D. h. Gott kann nur das tun, was innerhalb seiner Schöpfung machbar ist, nicht die Omnipotenz, die auch nicht machbares für Gott zulässt.
^2 Ergebnis neuester Forschungen bestätigen, dass es zur fraglicher Zeit am im Raum Jerusalem ein schweres Erbeben gegeben haben muss. Vgl. auch: http://wissen.de.msn.com/history/jesus-s...ag-christi
^3 siehe auch Maxdorfers Thread zur Trinität im Christentum


Neuscholastik

Die Theologie war durch die Neuscholastik im 19. Jahrhundert wesentlich geprägt. Die Neuscholastik funktioniert nicht wie die Scholastik im Mittelalter durch eine Frage (Questio), mit der man sich dann argumentativ auf eine Postion oder Lehrthese hinbewegt. In der Neuscholastik werden keine Widersprüche geduldet. Keine „es scheint als ob“ Argumente der Scholastik, sondern es steht eine These voran, die mit Tradition (der Überlieferung von Jesus Christus an und der Apostel) und Schrift bewiesen werden. Die Neuscholastik wird sich bis in das 20. Jahrhundert bewahren, ist aber nicht zwangsläufig mit ultramontanen Denken verbunden.

Aus sozialer Sicht ist zu sagen, dass Ablehnung der These und der Argumente gleich auf eine Verurteilung der Zweifler abzielen. In den Canones der Konzilen wird festgelegt, was mit den jeweiligen Menschen dann geschehen soll. Im schlimmsten Fall ist ein Ausschluss aus der katholischen Kirche möglich.

Erkenntnistheologie

Die Erkenntnistheologie geht davon aus, dass Gott sich offenbart hat, in der Schöpfung in der Welt, durch den heiligen Geist und durch Jesus. Der Punkt des Menschen ist dieses zu erkennen und zwar durch seine Vernunft. Das erste Vatikanische Konzil legt fest, jeder sei in der Lage Gott zu erkennen.

Neue Dogmen (Lehren)

Das erste Vatikanische Konzil, welches von 1870 bis 1871 statt fand und deutlich gestaucht wurde, durch den Ausbruch des deutsch – französischen Krieg begann mit einem Paukenschlag. Es ging um die Frage ob der Papst in Fragen des Glaubens unfehlbar sei. Nach langer und teilweise sehr leidenschaftlich und polemischer Diskussion wird das Dogma durch gepeitscht. Dabei hat sich der Mehrheit gegen dieses Dogma gestellt. Denn für die Theologen beginnt damit eine Zeit, in der sie als Autoritäten der Kirche massiv untergestellt werden. Es findet nämlich damit eine Umkehrung der Macht im Lehramt statt. Vor dem ersten vatikanischen Konzil galt die Verkündigung der Bischöfe als verbindlich, auch wenn sie damit nicht die Meinung derer anderer ihres Kollegiums sind. Durch das Unfehlbarkeitsdogma aber wird die Absicht der Ultramontanen bestärkt. Sie wollen eine von Rom aus regierte Weltkirche die einheitlich funktioniert und einheitlich glaubt. Das ist eine Neuerung, die sich aus den politischen Ereignisse der Zeiten ergaben. Da die seit 1803 eine Säkularisierung, also eine Verweltlichung der Herrschaft sich vorantreibt und die Katholiken sich mehr und mehr als Minderheit fühlen, die auch im deutschen Kaiserreich zunehmend marginalisiert werden wird das Verlangen nach einer starken Bindung nach innen deutlich geweckt. Es folgt später der Kulturkampf gegen Bismarck.


Literatur:

Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866 – 1918. Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1990 (Bd. 1).

Ruhrstorfer, Karlheinz: Systematische Theologie. Wien u. a., 2012.

Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

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05.08.2012, 12:32
Beitrag: #22
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
"Ein Haus voll Glorie schauet" - Die Soceítas Perfecta - Utopie oder reelles Ghetto? + Die Modernistenkrise

So nun endlich die schon lange versprochene Folge. Wir haben bisher den Ultramontaneismus als Phänomen der Institution Kirche betrachtet, doch umso mehr man sich in der Geschichte von dem ersten Vatikanischen Konzil weg bewegt, wird deutlich, dass nicht die Kirche nur einen Gehorsam befiehlt, sondern dass der Wunsch danach eigentlich aus der katholischen Bevölkerung her rührte.

Die Situation im neuen deutschen Kaiserreich ab 1871 war deutlich schwierig. Der neue Reichskanzler Otto von Bismarck versuchte in einem gährenden Reich eine Beruhigung zu erreichen. Dies erreichte er über die sogenannte negative Integration. Ein Ausschluss von Aufrühren und Minderheiten. Eine dieser Minderheit war die katholische Bevölkerung, die hauptsächlich außerhalb Preußens und in ländlichen Regionen (also Baden und Bayern etwa) anzutreffen war. Zum anderen brauchte er die Nationalliberalen als Bündnispartner im Parlament, die sich ohnehin gegen die katholische Kirche richteten, schon aus dem Übereifer Papst Pius IX, der in einem Anhang zur Enzyklika64), dem sogannten „Ssogenasogenanntenum“ 80 Irrtümer der modernen Zeit auflistete. Die Kritik an sich richtete sich gegen Pius Ansicht, dass die Kirche eine vollkommen und wehrbare Gesellschaft sei , dazu dass er die Ehe als Sakrament ansieht und nicht als bürgerliches „Anhängsel“ und dass der Staat kein unbegrenztes Recht schaffen kann und nicht die höchste Instanz der Rechtschaffenheit ist. Dazu muss man sagen, dass Papst Pius damit keineswegs in einer Linie stand mit seinen Vorgängern und noch weniger mit der katholischen Bevölkerung. Jedoch nahm die Reichsregierung das als Anlass die katholische Kirche aus dem Staat zu drängen: erst wird die katholische Abteilung im Kultusministerium geschlossen (1871), dann der Jesuitenorden verboten (1872) und dann jeglicher Kontakt zur Kirchenführung abgebrochen. Dies zog zwingen nach sich, dass der Staat sich auch über die geistliche Bildung kümmerte, sowie dass einsetzen neuer Geistliche nicht mehr der Kirche sondern nur noch dem Staat über blieb. Diese Art des Kulturkampfes war nicht neu; hatte Frankreich nach der Revolution 1771 das auch schon durchgemacht.

Die Sehnsucht der Katholiken war groß, wenn man schon nicht dem Staat trauen kann, wem dann? Außer Gott blieb nicht viel, außer dem Papst! Das Papsttum ohnehin gestärkt durch das Unfehlbarkeitsdogma (siehe Folge 3) wird nun zum absoluten Star des katholischen Politizismus. Der Blick der Katholiken ging nach Rom. Rom als eine Burg. In ihr die Gesellschaft, der das Heil zu Teil wird. Die „Socaítas Perfekta“. Diese Ansicht beschriebt nichts anderes als eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber dem Rest, der nicht zur katholischen Welt gehört. Man kann sagen, wichtig war es wohl, dass man sich irgendwie durch die Zeit schippert. Die Ausgrenzung im Staat hatte eine gewisse Eingrenzung in sich nach sich gezogen. Die Katholiken schlossen sich weg und schauten nach Rom, auf das, was man nun noch als verlässliche Macht ansah.

Sehen wir uns doch mal den Inhaltdes Liedes von Johann Mohr „Ein Haus voll Glorie schauet“ an. Vorausgeschickt sei, dass Lied ist 1778 entstanden, in der Phase, als sich der Kulturkampf wieder entspannte.

„Ein Haus voll Glorie schauet/ weit über alle Land/ aus ewigem Stein erbauet aus Gottes Meisterhand!“

Gemeint ist der Vatikan. Der Vatikan wacht über das Geschehen weltweit (über alle Land). Aus ewigem Stein impliziert, die Kirche kann nicht untergehen, sie ist vor allem sicher, denn sie kommt ja von Gott selbst.

„Wohl tobet um die Mauern der Sturm in wilder Wut;/ das Haus wird’s überdauern/, auf festem Grund es ruht!“

Die dritte Strophe ist eine gezielte Anspielung auf den Kulturkampf. Beim Betrachten der ersten Strophe erschließt sich auch die Aussage dieser dritten Strophe.

„Ob auch dem Feind ihm dräue/ Ansturm der Hölle Macht/ Des Heilands Lieb und Treue/ auf seinen Zinnen wacht“
Unschlagbar – das ist hier die Aussage. Auch die Hölle kann das Haus voll Glorie nicht erobern.

Jetzt machen wir einen Sprung ans Ende des 19. Jahrhundert. Langsam schimmert durch, dass die Ultramontanen keineswegs eine homogene Masse sind, sondern der Zeitgeist holt die Kirche in einer großen Gruppe wieder ein: die Kirche wird sie als Modernisten verurteilen und fürchtet ihren Einfluss, zu einem als weltliche Gegenkraft die die Kirche von innen dem ungeliebten Bürgerstaat ausliefert, zum anderen dass die sakrale Tradition der Kirche völlig gebrochen wird. Doch bevor man den großen Kampf ansagt, verzichtet die Kirche auf eine Konfrontation und negiert die modernen Ansichten. In dem Dokument „Lamentabili“ (1907) werden alle „Irrtümer“ der Modernisten aufgezählt. Die wenigsten sind politischer Natur. Es reichte aber zur Exkommunikation, falls der Verdacht aufkam, dass man sich diesen Irrtümern anschloss.Schließlich wurde der sogenannte Antimodernisteneid eingeführt, ein Schwur, den jeder ablegen musste, der für die Kirche arbeiten wollte. Dies führte zu einer polemischen Diskussion und die Ansicht der Kirche sank weiter bei nicht-kirchlichen Menschen. Die Kirche setzt also weiter auf Einkreisung und Traditionalismus. In diesem Zustand ist die Kirche schon so eingekreist, dass sie jegliche geschichtliche Entwicklungen ignorierte, dann kam der Nationalsozialismus...


Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866 – 1918. Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1990 (Bd. 1).

Metzger, Franz: Ein Kanzler vor Canossa. Der Kampf um die Kultur. In G-Geschichte 10/10 (2010).

DH 3401 – 3466.

Folge 5: Der Schock: Nationalsozialismus und die Öffnung im 20. Jahrhundert

Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

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05.08.2012, 18:36
Beitrag: #23
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
(14.07.2012 17:46)WernerS schrieb:  Es wird ein weiteres Dogma durchgedrückt, welches seit dem Mittelalter schon zu Streit führte und nun zementiert wird. Es wird die Immatriculata-Lehre. Es geht darum, dass Maria Jesus unbefleckt empfangen hat, d. h. ohne Erbsünde geboren hat. Damit soll vermieden werden, dass Jesus als Sünder da steht. Aber er hat die Sünde – dogmatisch festgelegt – nicht geerbt, weil Maria ebenfalls von dieser nicht befallen war. Das ist nicht noch logisch sondern auch theologisch bis heute sehr umstritten, jedoch wird die Diskussion nicht öffentlich geführt, da man bei Verstoß des Dogmas dann aus der Gemeinschaft der katholischen Kirche ausgeschlossen werden kann.

Papst Pius IX. hatte sich stärker als seine Vorgänger der Aufgabe des Papstes als Hüter der Glaubenswahrheiten verschrieben. Pius IX. machte von seinem Lehramt nicht ausschließlich alleine Gebrauch, wie die Entstehungsgeschichte des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Mariens zeigt. Am 3. Februar 1849 richtete er ein Rundschreiben an alle Bischöfe der Welt mit der Anfrage ob ein entsprechendes Mariendogma auf Zustimmung stoße. Nur vier Bischöfe äußerten Zweifel an der Lehre, 36 sahen keine Notwendigkeit für ein Dogma, die ganz große Mehrheit beantwortete die Anfrage positiv. Damit standen die Bischöfe im Einklang mit der öffentlichen Meinung in der katholischen Welt. Im November 1854 reisten 200 Bischöfe nach Rom um der Absicht des Papstes zuzustimmen. Diese Entscheidung fiel nicht im Kontext des I. Vaticanums wie immer wieder behauptet wird. Am 8. Dezember 1854 verkündete Pius IX. feierlich das Dogma:

"Zu Ehren der Heiligen und Ungeteilten Dreifaltigkeit, zu Schmuck und Zierde der jungfräulichen Gottesmutter, zur Erhöhung des katholischen Glaubens und zur Mehrung der christlichen Religion, in der Autorität unseres Herrn Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus und der Unseren erklären, verkünden und definieren Wir: Die Lehre, dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadenprivileg des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erretters des Menschengeschlechtes, von jedem Schaden der Erbsünde unversehrt bewahrt wurde, ist von Gott geoffenbart und darum von allen Gläubigen fest und beständig zu glauben." (Pius IX., Apostolisches Schreiben "Ineffabilis Deus")

Worum geht es bei diesem Dogma? Es geht darum, dass Maria im Augenblick ihrer eignen Empfängnis vor der Erbsünde bewahrt wurde.
Die Anfänge der Immaculate-Lehre finden sich bereits in der griechisch-byzantinischen Kirche im 6. und 7. Jahrhundert, im Abendland war sie im 9. Jahrhundert in Neapel und Irland verbreitet. Im Mittelalter wurde sie dann vor allem von Johannes Duns Skotus (geb. 1265/66-1308) präzisiert.
Duns Skotus gehörte zu den vier großen Kirchenlehrern des Mittelalters. Die anderen sind Albertus Magnus, der den Titel Doctor universalis erhielt, Thomas von Aquin, der Doctor angelicus. Beides waren Dominikaner. Der dritte war Bonaventura, der Doctor seraphicus und schließlich Duns Skotus, der Doctor subtilis. Die letzten beiden waren Franziskaner. Albertus Magnus und Duns Skotus sind beide in Köln begraben, der eine in St. Andreas, der andere in der Minoritenkirche, die - kein Wunder - der Unbefleckten Empfängnis Mariens geweiht ist. In der Tat hat Duns Skotus mit seiner Verfechtung der Immaculata-Lehre Widerspruch ausgelöst. In Paris bekam er Predigtverbot, möglicherweise wollte man sich in Frankreich aber auch nicht den katholischen Glauben von einem Schotten erklären lassen. Auf dem Grabstein in der Kölner Minoritenkirche finden sich schlagwortartig die Kernargumente die Duns Skotus für die Immaculata-Lehre vortrug: "Weil es sich geziemt hat" und "weil Gott es konnte". Die Gegner haben immer gesagt, gestehe man Maria das Gnadenvorrecht zu, als einziger Mensch von der Erbsünde verschont geblieben zu sein, schmälere dies die Würde von Jesus, der als einziger Mensch frei von jeder Sünde gewesen sei. Darauf hat Duns Skotus erwiedert, im Gegenteil, es erhöhe die Würde von Jesus - "es hat sich geziemt" - dass Gott auch die leibliche Mutter seines Sohnes von Sünden
frei hielt. Dies geschah nicht (nur) zur Ehre Mariens, sondern vor allem im Hinblick auf ihren Sohn Jesus. Aber nicht um zu verhindern, dass Jesus als Sünder zur Welt kommt - das hat man nie ernsthaft erwogen, insoweit ist der Beitrag oben nicht ganz richtig - sondern um die Ehre Jesu zu verstärken. Maria selbst musste nämlich auch von Jesus erlöst werden.
Das zweite Argument, bezieht sich dann allgemein auf das göttliche Handeln. Man dürfe Gott nicht die Möglichkeit absprechen, einen Menschen vor der Erbsünde zu bewahren, weil Gott es kann, hat er es auch getan. Duns Skotus hat dies mit einem Gleichnis untermauert. Was sei wertvoller? Einen Menschen aus dem Wasser zu ziehen oder zu verhindern, dass er überhaupt ins Wasser fällt.

1477, also gut 150 Jahre nach dem Tod von Duns Skotus wurde von Papst Sixtus IV. ein entsprechender Festtag In Conceptione Immaculata B.M.V. in Rom eingeführt, der dann 1708 durch Klemens XI. für die ganze Kirche verbindlich erklärt wurde. Es handelt sich also um eine allmähliche Entwicklung, sie sich Schritt für Schritt im Bewußtsein der Kirche verfestigt hat, bevor sie dann von Rom, im Einvernehmen mit der Weltkirche in ein Dogma gegossen wurde.
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