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Gesellschaftskritische Sachbücher
22.10.2012, 23:12
Beitrag: #17
Susanne Gaschke: Die verkaufte Kindheit (II)
Nach ihren einleitenden Thesen wendet sich die Autorin nun der Entwicklung von Kindern zu. Sie beschreibt die einzelnen Entwicklungsschritte, die Kleinkinder bis in die Mitte der Pubertät durchlaufen, um die Fähigkeiten zu entwickeln die letztendlich jeder von einem jungen Erwachsenen erwartet, z.B. Konzentrationsvermögen und Arbeitsfähigkeit, die Fähigkeit, Bedürfnisse aufschieben und begonnene Aufgaben zu Ende zu führen. Sie führt aus, daß sich diese Entwicklung eben nicht elektronisch beschleunigen läßt, so wie das Leben der Erwachsenen inzwischen beschleunigt ist.
Detailliert und anhand zahlreicher Beispiele legt Gaschke dar, mit welchen Strategien die Werbewirtschaft gezielt in die Entwicklung der Kinder eingreift, um sie zu Konsumenten zu machen und eben auch die Entwicklung der Kinder behindert, z.T. auch verhindert. Denn- so ihre Hauptthese- die Industrie will eben keine kritischen jungen, Erwachsenen, sondern sie möchte das ständig auf die sofortige Befriedigung der Bedürfnisse ausgerichtete Kleinkind erhalten. Und so legt sie recht überzeugend dar, warum Aufmerksamkeitsdefizite ebenso zunehmen wie die mangelnde Bereitschaft, sich durch etwas durchzubeißen und eine begonnene Arbeit auch zu Ende zu führen und warum viele jugne Erwachsene nicht im Stande sind, die Befriedigung ihrer Bedürfnisse aufzuschieben.

Ebenso detailliert beschäftigt sie sich mit dem heutigen Spielzeug, das ihrer Meinung vor allem dazu beiträgt, das freie, kreative Spiel der Kinder zu unterbinden und ihnen z.B. in Form von Harry- Potter oder Star-Wars Themenwelten die Drehbücher zu den Spielfiguren schon vorgibt. Höchst kritisch beschäftigt sie sich mit dem vierlorts verbreiteten elektronischen Spielzeug und kommt am Ende zu der Frage, ob es wirklich wünschenswert ist, daß Kinder mit Spielzeug ausgestattet sind, daß sie dazu erzieht, die Befehle von Maschinen zu befolgen.
Bestenfalls lernen die Kinder, passiv zu sein, gesagt zu bekommen, was sie zu tun haben, aber Eigeninitiative bleibt dabei auf der Strecke.

Im nächsten Abschnitt wendet sie sich der Bedeutung der Medien zu. Anstatt zum wiederholten Male die Frage aufzugreifen, ob Fernsehen und Computerspiele für die Entwicklung schädlich sind, kehrt sie die Frage auf höchst originelle Art und Weise um, in dem sie sagt, daß es bisher niemand geschafft hat zu beweisen, daß Fernsehen der Entwicklung von Kindern förderlich wäre.
Wieder sehr detailliert beschäftigt sie sich mit den einzelnen Medien und ihren Strategien und zeigt auf, mit welchen Mitteln Medien dazu beitragen, Kinder an bestimmte Produkte oder Produktserien zu binden.
Sie räumt mit der Vorstellung der "medienkompetenten Kids" gründlich auf, in dem sie aufzeigt, daß die meisten Kinder eben keine Ahnung davon haben, wie die Medien funktionieren, sondern daß sie sie lediglich bedienen können.

Kritisch setzt sie sich mit den Botschaften der Medienunternehmen, nach denen der Schulunterricht reformbedürftig sei (wird regelrecht z.B. durch Microsoft in Statements veröffentlicht) auseinenander. Aussagen wie diese schüren insbesondere bei der vom Anstieg bedrohten Mittelschicht die ständige Angst, die Bildung sei nicht gut genug, was sich in einer förmlichen Explosion der Förder- und Bildungsangebote wiederspiegelt. Weitere Aussagen der Art, moderner Unterricht mache Spaß und sei weniger qualvoll, weckt die Illusion, Wissen lasse sich ohne Anstrengung erwerben.

Natürlich fehlt auch der Blick auf das Elternhaus nicht. ja, natürlich, es sind die Eltern, die in letzter Konsequenz die Verantwortung für das Kaufverhalten ihrer Kinder haben. Aber Gaschke vertritt die Auffassung, daß Eltern gerade damit heutzutage überfordert sind.
Sie beschreibt den beruflichen Alltag vieler Eltern heute als extrem beschleunigt und gehetzt. Am Arbeitsplatz werden schnelle Entscheidungen verlangt, die einen Erwachsenen auf ein Aktionslevel heben, von dem sie nach Ende der Arbeit nicht so schnell wieder herunterkommen. Kinder jedoch verlangen nach Langsamkeit und Geduld, weil ihre Entwicklung eben nicht so temporeich verläuft, und viele Eltern sind mit dem Spagat zwischen diesen beiden Extremen schlicht weg überfordert.
Auf die stereotype Aussage, Eltern seien alleine verantwortlich für das Kaufverhalten ihrer Kinder, stellt sie die Gegenfrage, wie oft Eltern am Tag dem Kind, das sie lieben, eigentlich "nein" sagen sollen. (eine gute Frage, wie ich finde. denn irgendwann, nach dem 15 Nein, sagt man einfach ja, damit man kein Neinsager ist.)

Im letzten Teil des Buches zeigt die Autorin Wege auf, wie Eltern Konsumfallen umgehen können. Viele dieser Tipps sind gut und einfach umzusetzen, aber sie zeigen letztendlich auch, daß es eine gesellschaftspoltische Aufgabe ist, die Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Kinder die Möglichkeit haben, sich so zu entwicklen, daß sie am Ende zu verantwortungsvollen Persönlichkeiten heranwachsen können.

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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Susanne Gaschke: Die verkaufte Kindheit (II) - Bunbury - 22.10.2012 23:12

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