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Erzherzog Albrecht VI. von Österreich - Universitätsgründer und "Familienschurke"
20.08.2016, 15:43
Beitrag: #9
RE: Erzherzog Albrecht VI. von Österreich - Universitätsgründer und "Familienschurke"
So einfach ist die Sache leider nicht, da Verlobungen, Eheplanungen und tatsächliche Heiraten oft durcheinander gebracht werden. (Wobei anzumerken ist, dass es wirklich oft nicht so einfach ist, zu unterscheiden, wie weit so ein Eheprojekt bereits fortgeschritten war, wenn es wieder aufgelöst wurde, da es eine ganze Reihe von "Vorformen" gab, mit denen versucht wurde, sich attraktive Heiraten zu sichern, vor allem, wenn sie nicht sofort verbindlich geschlossen werden konnten. (Ehe war im Mittelalter vor allem ein Geschäft, hinzu kam noch, dass das Nichtzustandekommen einer bereits verbindlich vereinbarten Ehen, für die Familie, die sozusagen letztlich "ausgebootet" wurde, auch als Ehrverlust galt.

Bei der Ehe des späteren Matthias Corvinus mit Elisabeth von Cilli ist keineswegs gesichert, ob die Ehe je vollzogen wurde. Es könnte sich dabei also auch nur um eine Verlobung gehandelt haben. Das Eheprojekt, denn mehr dürfte es letztlich nicht gewesen sein, war beendet, als Elisabeth von Cilli starb.

Die Verlobung mit Anna Garay (auch Anna de Gara) wurde von seiner Mutter und seinem Onkel vereinbart, offensichtlich eine stategische Maßnahme (ein Bündnis mit einer anderen wichtigen ungarischen Adelsfamilie) um ihn als ungarischen König durchzusetzen. Hier war es offensichtlich Matthias selbst, der nach seiner Rückkehr aus Böhmen an der inzwischen von ihm mit Georg von Podiebrad (der Ladislaus Postumus als böhmischer König nachfolgte) vereinbarten Verlobung mit Katharina (auch Kunigunde) von Podiebrad festhielt.
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Sansavoir, danke für die Richtigstellung - natürlich habe ich Beatrice von Aragon gemeint.

Was ihre Herkunft betrifft, so habe ich allerdings den Eindruck, dass ihre Familie zum Zeitpunkt ihrer Heirat keineswegs eindeutig als Aufsteigerfamilie gesehen wurde (auch wenn politische Gegner das behaupteten). Aber das aragonesische Königshaus war zumindest in Spanien und auf Sizilien längst etabliert. Hier ging es wohl nur um die Herrschaft über das Königreich Neapel.

Dagegen dürften die Herrscher Georg (in Böhmen) und Matthias (in Ungarn) von Zeitgenossen eindeutig als Aufsteiger gegolten haben. Anders als seine erste Ehefrau war Beatrice keineswegs aus einer "richtigen Aufsteigerfamilie". Die Könige von Neapel (aus dem Haus Anjou) hatten einst selbst Anspruch auf das Königreich Ungarn erhoben und zumindest selbst den Titel des ungarischen Königs geführt. (Es wird vermutet, dass das der eigentliche Grund war, warum Kaiser Friedrich III. bei seiner ersten Romreise 1451/52, die ihn auch nach Neapel geführt hat, seinen Verwandten Ladislaus Postumus, damals ungarischer König, dorthin nicht mitnahm, sondern in Rom zurückließ.)

Beatrice mag sich also durchaus auch aufgrund ihrer "Herkunft" in der Nachfolge der "Anjou-Könige" von Neapel als eine "Erbin" des ungarischen Königreiches gesehen habe. Hinzu kam noch, dass es bereits früher Versuche gegeben hatte, dass der neue ungarischer König nach dem Aussterben der bisherigen Herrscherfamilie seine Stellung durch die Ehe mit der Witwe des Vorgängers abzusichern versuchte.

Was die Politik von Matthias Corvinus betrifft, wäre noch zu ergänzen, dass er mit Friedrich III. im April 1463 den Vertrag von Wiener Neustadt / Ödenburg (heute Sopron) schloss. Mit diesem Vertrag wurde Matthias von Friedrich III. als ungarischer König anerkannt, allerdings wurde den Herzögen von Österreich die Nachfolge zugesichert, falls Matthias keine legitimen Nachkommen haben sollte, was dann auch eingetreten ist. (In diesem Zusammenhang ist vielleicht nicht uninteressant, dass Friedrich III. nach dem Tod von Ladislaus von einem Teil des ungarischen Adels in der Folge selbst zum ungarischen König gewählt worden war und dass er diese Wahl jedenfalls nicht abgelehnt hatte. Nach den Bestimmungen des Vertrages behielt Friedrich III. den ungarischen Königstitel.) Friedrich III. bestand allerdings darauf, dass dieser Vertrag auch von den ungarischen Adeligen ratifiziert werden musste. (Was zur Folge hatte, dass der Vertrag im Nachhinein nicht einfach ignoriert werden konnte und was wohl auch erklärt, warum der Vertrag von Wiener Neustadt / Ödenburg bei den späteren Verträgen, die Maximilian I. (bzw. Friedrich III.) mit Vladislav II. schloss, berücksichtigt und im wesenlichen Punkten übernommen wurde. (Vladislav II. konnte die Ansprüche der Habsburger auf die ungarische Krone nicht einfach ignorieren, er war daher von Anfang an gezwungen, mit ihnen eine Einigung zu suchen.)
Es gibt jedenfalls Überlegungen, dass die späteren Eroberungszüge von Matthias im Herzogtum Österreich ursprünglich keineswegs auf eine tatsächliche dauerhafte Eroberung angelegt waren, sondern er zunächst nur versuchte, Friedrich III. militärisch unter Druck zu setzen, um so nachträgliche Änderungen dieses Vertrages zu erzwingen.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch, dass nach dem Vertrag von Wiener Neustadt / Ödenburg, natürliche Kinder von Matthias von der Erbfolge ausgeschlossen waren. Gab es etwa im ungarischen Königreich einen Präsenzfall dafür, dass bei Kinderlosigkeit auch ein natürlicher Sohn erbberechtigt war? Jedenfalls zeigt das Beispiel im Königreich Neapel in den 1450er Jahren, dass die Nachfolge eines illegalen Sohnes zumindest unter gewissen Voraussetzungen keineswegs unmöglich war. (Könnte Matthias erst als eine Folge seiner Eheschließung mit Beatrice von Aragon auf diese Lösung gestoßen sein, auch wenn sie selbst dies in der Folge nicht unterstützt hat?)

Fakt ist jedenfalls, dass Matthias Corvinus in seinen letzten Lebensjahr noch alles versucht hat, um seinen unehelichen Sohn Johann Corwin (Janos Hunyady bzw. Johann Corvinus) als seinen Nachfolger aufzubauen. Johann Corwin taucht also nicht erst beim Kampf um die ungarische Krone nach dem Tod von Matthias als zudem ohnehin aussichtsloser Kandidat auf, sondern Matthias hatte ihn offensichtlich tatsächlich als seinen Nachfolger vorgesehen, nachdem ihm klar geworden sein dürfte, dass er auch aus seiner zweiten Ehe keine Kinder mehr haben würde. (Und vielleicht mag die Entwicklung des Jungen in ihm gewisse Hoffnungen geweckt haben, dass es der Junge trotz seiner Herkunft schaffen könnte, als sein Nachfolger anerkannt zu werden. Übersehen wir nicht, dass Matthias' eigener Aufstieg zum König ebenfalls keineswegs so selbstverständlich gewesen sein dürfte.)

1463, zum Zeitpunkt des Vertrags von Wiener Neustadt / Ödenburg, mag für Matthias Corvinus in erster Linie um die endgültige Sicherung seiner ungarischen Krone Priorität gehabt haben. Da mag er vielleicht gar nicht so weit gedacht haben, dass er einmal seine eigenen Dynastie etablieren muss. (Zudem dürfte er in dem Vertrag noch andere Möglichkeiten für sich gesehen haben wie eben eine Aufnahme in die Familie der Habsburger?)

Davon, dass Matthias Corvinus nach dem Tod seiner ersten Frau versucht hätte, eine Herzogin von Bayern zu heiraten, ist mir nichts bekannt. Mit Sicherheit aber hat er sowohl ein Eheprojekt mit der einzigen Tochter des Kaisers bzw. einer Tochter des polnischen Königs angestrebt, beides scheiterte, da er offensichtlich als "Aufsteiger" weder für den Habsburger noch für die Jagiellonen "gut genug" war. (Für Romanautoren/innen vielleicht ein recht interessantes Motiv, um seinen weiteren Lebensweg zu motivieren?)

Was die Heirat mit Beatrice vonn Aragon betraf, brachte sie ihm wohl nicht nur Geld und auch einen Bündnispartner gegen das Osmanische Reich sowie eine offensichtlich attraktive und gebildete Ehefrau, sondern auch die Einheirat in eine anerkannte europäische Königsfamilie.

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(20.08.2016 03:22)Sansavoir schrieb:  Wenzel IV. wird oft vorgeworfen mit der Heirat das Haus Burgund aufgewertet zu haben und die Interessen des Reiches an der Westgrenze vernachlässigt oder sogar aufgegeben zu haben. Aber 1409 war Wenzel kein deutscher König, sondern sein politischer Gegner Ruprecht von der Pfalz, gegenüber dem sich Wenzels Stellung durch das Bündnis mit Burgund verbessert hatte.

Wenzel IV. wäre übrigens auch einer der Herren, deren "Schurkenrolle", kombiniert mit der "Versagerrolle" zu hinterfragen wäre. Auffallend ist jedenfalls, dass er sich bis zu seinem Tod trotz ständiger Schwierigkeiten zumindest als böhmischer König gehalten hat. (Profitierte er etwa letztlich davon, dass er nach der Absetzung keine "Doppelfunktion" mehr erfüllen musste?)
Erstaunlich auch, dass z. B. die Brüder seiner zweiten Frau nach seiner Absetzung als König des HRRs auf seiner Seite waren, was vermuten lässt, dass die Ehe mit ihr vielleicht doch nicht so schlecht gewesen sein dürfte.
Die Erhebung von Mailand zum Herzogtum, obwohl umstritten, hat sich für ihn selbst zumindest insofern ausgezahlt, als es im Wesentlichen der Herzog von Mailand war, an dem der "Italienzug" des "Gegenkönigs" Ruprecht gescheitert ist. (Es spricht doch viel dafür, dass Ruprecht nicht aus der Sicht des 19. Jahrhunderts als "Gegenkönig" wahrgenommen worden wäre, wenn er zum Kaiser gekrönt worden wäre.)

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Josephine Tey, Alibi für einen König
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RE: Erzherzog Albrecht VI. von Österreich - Universitätsgründer und "Familienschurke" - Teresa C. - 20.08.2016 15:43

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