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Der Meisterschütze und der "Apfel"
05.06.2016, 20:39
Beitrag: #12
RE: Der Meisterschütze und der "Apfel"
(05.06.2016 10:43)zaphodB. schrieb:  Und was den Apfelschuss betrifft,muss ich Dir auch widersprechen,oh Suebe
die Sage um den Tellschen Schuss taucht erstmals um 1472 im weissen Buch von Sarnen auf,und fast zeitgleich wird im Hexenhammer die Story vom Punker erwähnt, die sich laut dortigen Angaben um 1430 ereignet haben soll.Die Belagerung der Burg Lindelbrunn bei der der Punker seine Schießkunst gezeigt haben soll fand 1441 oder 1450 statt,also auch noch vor der Tell-Sage-
Da dürfte klar sein,wo das Vorbild und wo die Adaption liegt.
Zwar gibt es auch noch ältere Meisterschuss-Versionen in den Gesta Danorum um 1200 und der Thidrekssaga ,jedoch scheint mir auf Grund des größeren örtlichen und zeitlichen Abstands hier eine Verbindung zur Tell-Sage weniger wahrscheinlich-

Da muss ich widersprechen: Die älteste Apfelschuss-Sage ist, wie Du gesagt hast, diejenige von Toko (Gesta Danorum), wobei es sich bei der "Dänenchronik", wie der Name sagt, um ein mittelalterliches Geschichtswerk Dänemarks handelt. Der Tyrann, mit dem es der sagenhafte Apfelschütze Toko zu tun hat, ist König Harald I Blauzahn, der wesentlich früher gelebt hat.

Dass aber die verschiedenen Apfel-, Nuss-und Brettspielstein-Schüsse keine Verbindung zeinander haben sollen, halte ich hingegen für unwahrscheinlich. Als Indiz dafür gilt, dass in den meisten älteren Schüssen
(Punker ausgenommen) zwei Pfeile hinaus gelegt werden, um im Fall eines Fehlschusses den jeweiligen Tyrannen zu erschiessen. Und meistens ist es auch ein Verwandter (Sohn, Neffe, Bruder) welcher den Kopf hinhalten muss. Diese Übereinstimmungen sprechen dafür, dass es sich immer wieder um dieselbe Sage, lokal variert und in andere Zusammenhänge integriert, handelt.

Und gerade auch das Beispiel von Punker spricht meiner Meinung dafür, dass es sich beim Apfelschuss um eine "Wandersage" oder ein "Wandermädchen" handelt. Und zwar, gerade hier nicht als älteste, sondern als neuste Version. Im Hexenhammer wurde ganz offensichitlich bewusst ein recht weit verbreitetes Sagenmotiv eingebaut, um Punker als teuflischer Schützen darzustellen.

Gemeinhin gilt, meines Wissens, folgende zeitliche Reihenfolge der Sagenversionen:
1) Toko, 2) Egil, 3) Heming, 4) Eindridi Breitferse, 5) Wilhelm Tell, 6) William of Cloudesley, 7) Henning Wulf, 8) Punker von Rohrbach

Das "weisse Buch von Sarnen", welches die älteste Schriftquelle Tells darstellt, entstand 1470 / 1472. Es handelt sich dabei eigentlich um eine Art Kanzleibuch des Landortes Obwalden, in welchem die Abschriften der verschiedenen Veträge und Bündnisse des Landes enthalten sind. Erst am Schluss des Buches ist die Sage aufgeführt. Die Tell-Sage - resp. die "Befreiungssage" wie es in der CH gelegentlich heisst - dürfte in ihren Ursrüngen etwas älter sein, aber wohl nicht vor dem 15. Jahrhundert liegen. Es gab allerdings noch andere Quellen wie etwa das "Burgunderlied" (entstanden in den Burgundekriegen), ganz abgesehen von der mündlichen Tradierung. Als Schiller von Goethe auf den Stoff aufmerksam gemacht wurde, war die Tellsage bereits (wie Suebe richtig bemerkt hat) als touristische Werbung im Umlauf, aber um diese Zeit war das weisse Buch von Sarnen noch völlig unbekannt resp. die Sage im hinteren Teil des Kanzleibuches hatte noch niemand bemerkt. Man "entdeckte" dies im Übrigen sogar erst nach der Urauffürhung Tells.

Die Verbindung zwischen Toko und Wilhelm Tell entdeckte man ebenfalls bereits im Zeitalter der Aufklärung. 1760 verfasste der Berner Pfarrer Uriel
Freudenberger (Mitglied der Deutschen Gesellschaft Berns) die Schrift "Wilhelm Tell, ein dänisches Märchen", welche vom Aufklärer Gottlieb Haller aufgearbeteitet und herausgegeben wurde. Wie man sich vorstellen kann brach in der Folge - vor allem in der Innerschweiz - ein Sturm der Entrüstung los. In Altdorf in Uri wurde das Büchlein sogar vom Henker verbrannt.
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RE: Der Meisterschütze und der "Apfel" - Aguyar - 05.06.2016 20:39

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