Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Reisefreiheit in der DDR
28.04.2016, 10:14
Beitrag: #25
RE: Reisefreiheit in der DDR
Hallo, ich bin neu hier, aber vielleicht interessiert euch dieser Bericht, den ich auch schon in anderen Foren veröffentlicht habe. Im Westen gab es glücklicherweise die Reisefreiheit und von der habe ich damals sehr viel Gebrauch gemacht.

Auf dem Hippie - Trail

In den sechziger Jahren zog es junge Leute wie mich, ich bin Jahrgang 1944, in die weite Ferne. Mit viel Zeit, aber wenig Geld, war dies ohne weiteres möglich. Es gab verschiedene Wege in exotische Länder zu fahren. Ich bevorzugte folgende Route:

Im Frühjahr sammelte man sich in München im Englischen Garten, aß billige Hähnchen in der Leopoldstraße und feierte jede Nacht am Wedekind - Brunnen. Dann per Autostopp nach Paris, ich blieb mehrere Wochen im Quartier Latin, dann weiter nach Südfrankreich. Dort anschließend nach Spanien und von Barcelona mit der Fähre nach Ibiza. In der weißen, arabisch wirkenden Stadt entwickelte sich damals eine regelrechte Hippie-Kultur, die später von den Pauschaltouristen verdrängt wurde. Auf der Nachbarinsel Formentera wohnten wir in kleinen Häusern, die die Einheimischen vermieteten. Nach einigen Wochen ging es weiter nach Süd Spanien und von Algeciras mit dem Schiff nach Tanger in Marokko. Dort lernte man erstmals den Orient kennen, eine völlig andere Welt, weiße Häuser mit Flachdächern, ein verwinkeltes Gewirr aus Gassen, verschleierte Frauen, Gebetsrufe von den Minaretten. Die Menschen waren freundlich, wenn auch ein wenig aufdringlich.

Mit der Eisenbahn dann zur Endstation Marrakesch, eine Stadt wie aus Tausendundeiner Nacht. Wir wohnten in billigen Hotels in der Nähe von dem weltberühmten Platz Djemaa el Fna, auf dem pausenlos Gaukler, Akrobaten, Schlangenbeschwörer und Händler aktiv waren. In den Hotels wurde überall Haschisch geraucht, kein Mensch kümmerte sich um Verbote.

Im Sommer trampte ich dann zurück über Spanien nach Italien bis nach Brindisi und nahm dort die Fähre nach Griechenland. Auf Kreta und anderen Inseln ließ es sich wunderbar und billig leben. Auch Mykonos war damals noch ein Geheimtipp, es gab kaum Touristen.

Die Weiterfahrt in die Türkei war immer mühselig, die Verbindungen schlecht, die Kontrollen endlos. In Istanbul gab es den sogenannten „Pudding Shop“ in der Nähe der Blauen Moschee. Hier trafen sich alle, die nach Asien weiter wollten. Ich wählte den Zug nach Teheran, er dauerte dreieinhalb Tage und war außerordentlich strapaziös, doch er kostete nur 30,- DM und fuhr durch eine einmalig schöne Landschaft. In der Ferne sah ich den Berg Ararat.

Die moderne Stadt Teheran gefiel den Reisenden nicht, die einzige Unterkunft, Amir Kabir, eine Art Jugendherberge, war ständig überfüllt und der Geheimdienst des Schahs schnüffelte dort herum und kontrollierte ständig Pässe und Gepäck. Also weiter mit dem Bus an das Kaspische Meer und dann nach Afghanistan. Persien war nur Durchgangstation, dort wollte keiner bleiben.

An der afghanischen Grenze dauerten die Kontrollen einen ganzen Tag, dann ging es endlich mit dem Bus nach Herat, eine Stadt wie im finstersten Mittelalter, kaum Autos, Frauen mit Burkas, alles extrem primitiv. Die Hippies verließen selten die Hotels, meistens lagen sie mit Haschisch vollgedröhnt in den Aufenthaltsräumen auf den Teppichen herum, schon morgens völlig dicht.

24 Stunden dauerte der Bus nach Kabul, eine ziemlich hässliche, gesichtslose Stadt. In der Chicken Street wimmelte es von jungen Ausländern, Haschisch wurde überall offen verkauft, die Rock Cafés waren Tag und Nacht geöffnet, überall dröhnende Rockmusik aus dem Westen, das Essen und Trinken war hervorragend. Die Preise ein Witz, alles nur Pfennigbeträge für uns. Für 100,- DM konnte man in Kabul leben wie Gott in Frankreich.

Hatte man von der Hauptstadt die Nase voll, besuchte man das Bamyan Tal mit den Buddha Statuen oder die wunderschönen Seen von Band-e-Amir. Auch hier gab es jede Menge Hotels, voll von Hippies.

Dann ging es weiter über den Khaiber-Pass nach Pakistan, ein Land, in dem sich auch keiner gerne aufhielt und dann ging es endlich ins gelobte Land, nach Indien. Auch hier war es unglaublich billig. Inzwischen war es Herbst geworden und ich fuhr mit der Eisenbahn und weiter mit Bussen nach Nepal in die Hauptstadt Katmandu, ein wunderschöner Ort im Himalaya Gebirge. Wenn der Monsun im August endet, kann man die Berge in voller Pracht sehen. In Katmandu gab es Geschäfte, in denen Haschisch und Opium verkauft wurde, das war damals dort ganz legal. Deshalb war die Stadt voll von jungen Leuten aus Europa und den USA.

Wenn es kälter wurde, war es Zeit nach Goa in Südindien zu fahren, eine ehemalige portugiesische Kolonie mit endlosen weißen Stränden und Palmen. Der ideale Ort zum Überwintern. Wir wohnten in kleinen Hütten am Strand und fast jeden Abend fanden hier tolle Feten statt. Im Frühjahr konnte man dann die Rückreise nach Deutschland ins Auge fassen.

Solche langen Reisen kosteten damals fast nichts. Man konnte natürlich keine Ansprüche stellen.

Ja, ja lange ist es her. Heute wird so etwas in dieser Form wohl nicht mehr möglich sein. Dafür sind andere Touren denkbar.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
RE: Reisefreiheit in der DDR - Aurora - 16.04.2016, 07:53
RE: Reisefreiheit in der DDR - Aurora - 17.04.2016, 20:36
RE: Reisefreiheit in der DDR - Suebe - 16.04.2016, 15:46
RE: Reisefreiheit in der DDR - Suebe - 17.04.2016, 21:24
RE: Reisefreiheit in der DDR - Aurora - 18.04.2016, 09:29
RE: Reisefreiheit in der DDR - Aurora - 22.04.2016, 20:10
RE: Reisefreiheit in der DDR - Suebe - 23.04.2016, 13:05
RE: Reisefreiheit in der DDR - Suebe - 24.04.2016, 13:37
RE: Reisefreiheit in der DDR - Aurora - 24.04.2016, 21:53
RE: Reisefreiheit in der DDR - Suebe - 26.04.2016, 08:33
RE: Reisefreiheit in der DDR - Suebe - 26.04.2016, 15:11
RE: Reisefreiheit in der DDR - Aurora - 26.04.2016, 16:27
RE: Reisefreiheit in der DDR - Johannes - 28.04.2016 10:14
RE: Reisefreiheit in der DDR - Suebe - 28.04.2016, 17:17
RE: Reisefreiheit in der DDR - Aurora - 05.05.2016, 17:45
RE: Reisefreiheit in der DDR - Suebe - 06.05.2016, 08:49
RE: Reisefreiheit in der DDR - Aurora - 06.05.2016, 09:50
RE: Reisefreiheit in der DDR - Aurora - 07.05.2016, 21:09

Möglicherweise verwandte Themen...
Thema: Verfasser Antworten: Ansichten: Letzter Beitrag
  Demokratie - Definition in der DDR Suebe 16 23.638 16.12.2017 19:31
Letzter Beitrag: Arkona
  Staatsbürgerkunde in der DDR Arkona 7 14.337 09.11.2017 17:59
Letzter Beitrag: Flora_Sommerfeld
  Computer in der DDR Marius Arnaldus 5 10.052 14.05.2016 23:19
Letzter Beitrag: Triton

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds