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Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter
26.08.2020, 02:28
Beitrag: #53
RE: Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter
Es ist natürlich richtig, dass Otto von Braunschweig bzw. Otto IV. ein Nutznießer des Attentats auf Philipp war. Aber ich denke, dass er weder die Ermordung Philipps geplant hatte bzw. im Vorfeld davon irgendetwas wusste.

Philipp von Schwaben verlobte 1205 seine Tochter Kunigunde (* um 1202) mit Otto VIII. von Wittelsbach, löste diese Verlobung aber 1207/08 wieder auf, um seine Tochter mit Wenzel, dem Sohn des böhmischen Königs Ottokar I., zu verloben. Die Auflösung der Verlobung betrachtete Otto VIII. als einen Affront. Trotzdem bemühte er sich, mit Philipp zu einer Einigung zu kommen. Otto beabsichtigte, sich mit einer anderen Tochter zu verloben. Dies wären Beatrix die Ältere (* 1198) und Beatrix die Jüngere (* 1205) gewesen. Es ist anzunehmen, dass Otto VIII. eher eine Ehe mit Beatrix der Älteren beabsichtigte.
Aber für sie plante Philipp bereits die Vermählung mit Otto IV.

Otto VIII. von Wittelsbach war ein impulsiver, cholerischer Mensch, der sich offensichtlich durch die erneute Zurücksetzung persönlich beleidigt fühlte und in seiner Wut Philipp ermordete. Nutznießer der Ermordung Philipps war nicht nur Otto IV., sondern auch Ludwig der Kelheimer. Er war der wichtigste Verbündete Philipps und schwenkte sofort in das Lager Ottos IV., im Prinzip lief die ganze staufische Partei zu Otto über. Man kann sich darüber streiten, ob dies Oppurtunismus oder politische Notwendigkeit war. Der Versuch Ottos IV. im Jahr 1209, Sizilien zu erobern, war staufische Politik und führte dazu, dass Innozenz III. Otto nicht mehr förderte, sondern als politischen Gegner betrachtete.

Natürlich ist es schwer, zu urteilen, inwieweit Otto VIII. Einzeltäter oder Werkzeug eines Komplotts war. Sollte letztes tatsächlich stattgefunden haben, werden wohl keine Beweise dafür vorhanden sein. Ob Otto IV. zu einem konspirativen, planvollen Vorgehen fähig wäre, wage ich zu zweifeln. Ludwig der Kelheimer war zwar ein wesentlich geschicktere Politiker, doch auch ihm möchte ich nicht unterstellen, das Attentat geplant zu haben. Ich denke, er hat die politische Lage nach der Ermordung Philipps analysiert und zu seinem eigenen Vorteil genutzt.

Wer hätte noch ein Interesse an der Ermordung Philipps gehabt? Innozenz III., Philipp II. August, Johann Ohneland? Eher nicht. Innozenz war doch der Nutznießer der Thronstreitigkeiten bzw. des Doppelkönigtums, Philipp II. ein Verbündeter des Staufers und die Handlungsfähigkeit Johanns Ohneland war durch den Kirchenbann eingeschränkt.


Obwohl die beiden Königsmorde von 1208 und 1308 einige Parallelen haben, war die politische Lage bei der Ermordung Albrechts anders. 1308 war Albrecht I. politisch angeschlagen. Seine Politik in Böhmen und in Mitteldeutschland war gescheitert. Und so wie sich 1298 eine Partei gegen Adolf von Nassau sich bildete, die ihn absetzte, musste Albrecht 1308 zumindest mit stärkeren Gegenwind rechnen. Näher betrachtet muss sicher sein Verhältnis zu Frankreich bzw. zu Philipp IV. Zwischen 1300 und 1305 muss es noch gut gewesen sein, d.h. während der Ehe zwischen Albrechts Sohn Rudolf und Philipps Tochter Blanche. Um 1305 setzte Frankreich mehr auf die Luxemburger und sowohl Heinrich VII. und vor allem sein Bruder Balduin von Trier wären in der Lage, ein Komplott zur Ausschaltung Albrechts zu planen und auszuführen. Sollten es tatsächlich Hintermänner bei der Ermordung Albrechts geben, würde ich sie bei den Luxemburger und/oder bei Philipp IV. suchen.

Dass Karl Robert von Anjou an der Ermordung Albrechts beteiligt war, denke ich nicht. Er stammte über seine Großmutter Maria von den Arpaden ab. Dessen einziger Gegner war Otto von Niederbayern, dessen Mutter eine Arpadin war. Dass sich Karl Robert durchsetzen konnte, lag meiner Meinung nach an der Unterstützung durch den Papst. Die ungarische Krone führte aber de facto zum Verzicht auf seine Ansprüche auf das Königtum in Neapel.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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