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Die Friedelehe
11.09.2017, 10:53
Beitrag: #20
RE: Die Friedelehe
"Friedelfrauen" gehen m.E. offensichtlich auf Meyers Konstrukt zurück. In zeitnahen Quellen taucht weder der Begriff und schon gar nicht die beschriebene Eheform (auch nicht später) auf. Es scheint bei den Karolingern lediglich Unklarheiten zwischen ehelich und nichehelich gegeben zu haben - aber dies, soweit ich es beurteilen kann, eigentlich nur im Fall von Pippin dem Buckligen, dem ältesten Sohn von Karl den Grossen.

Was Pippin den Mittleren betrifft, so waren, folgt man den zeitnahen Quellen, sowohl Plektrudis als auch Chalpais Ehefrauen. Gemäss Fredegar war Karl Martell ein ehelicher Sohn von Pippins zweiter Frau Chalpais. Die Söhne von Pippins erster Frau Plectrudis waren Drogo und Grimoald. Die Mütter der ausserehelichen Kinder Pippins (z.B. Childebrand) sind namentlich nicht bekannt. Wieso jetzt eine der beiden Frauen - oder beide - sogenannte "Friedelfrauen" gewesen sein sollen, dafür gibt es absolut keine Hinweise - ausser natürlich den Hypothesen Meyers und seiner Befürworter.
http://fmg.ac/Projects/MedLands/FRANKSMa...iedied714A

Arnulf von Kärnten gilt, soweit mir bekannt, unbestritten als ausserhelich. Wenn keine ehelichen, männlichen Erben vorhanden waren war es auch noch im späteren Mittelalter oft kein Problem, uneheliche Nachkommen zu leigitimieren und erbberechtig zu machen (Visconti, Avis, Bragnaça etc.)
http://fmg.ac/Projects/MedLands/GERMANY,...lfdied899A

Zwentibold, der König von Lothringen, wiederum war ein unehelicher Sohn von Arnulf von Kärnten und konnte trotzdem König werden. Da brauchte es auch keine "Friedelmutter".
http://fmg.ac/Projects/MedLands/GERMANY,...lfdied899B

Ein Streitpunkt bleibt die erste Ehe Karls des Grossen - im Zusammenhang mit der Legitimität Pippin des Buckligen. Aber auch hier geht es aber im Wesentlichen darum, ob es sich bei dem Verhältnis umd eine Ehe oder um ein Konkubinat gehandelt hat (obwohl hier, als einziges Beispiel, ein Konstrukt wie "Friedelehe" passen würde resp. Sinn ergäbe).

Die Problematik ist folgende. Die Mutter von Karls ältestem Sohn Pippin dem Buckligen, Himiltrud, wird sowohl von Einhard als auch Paulus Diaconus (zeitgenössische Chronisten) als Konkubine bezeichnet - ebenso wie die späteren Lorscher Annalen. Paulus Diaconus bezeichnet Hilmiltrud als Adlige und ihre Beziehung zu Karl als "vor der legalen Ehe". Da nun nach salischem Recht aussereheliche Söhne nicht erbberechtigt waren (sofern sie nicht legitimiert wurden), sollte also klar sein, dass Pippin der Bucklige keine Erbrechte besass.

Was dabei nicht zusammen passt, ist der Aufstand Pippins des Bulckligen im Jahr 793. Wenn sein unehelicher Status zweifelsfrei festgestanden hätte, hätte er wohl erst gar keinen Aufstand versucht, um seine Rechte durchzusetzten - zum Mindesten hätte er aber keine Anhänger und Unterstützer gefunden. Weiter ist es auch bemerkenswert, dass er, als Ausserehlichen auf den karolingischen Leitnamen "Pippin" getauft wurde. Aussereheliche Söhne der Karolinger hiessen in der Regel weder Karl, noch Ludwig noch Pippin sondern Drogo, Grifo oder eben auch Arnulf (Arnulf von Kärnten).

Ein weiterer Punkt, der nicht in die aussereheliche Geburt Pippins passt, ist der Standpunkt der Kirche. Sie sah Karls Verhältnis zu Himiltrud offenbar ebenfalls als legitim an. Als Karl sich von Himiltrud trennte, um eine namentlich unbekannte Tochter des Langobardenkönigs zu heiraten, erkärte Papst Stephan III das dies aufgrund der Unauflösbarkeit der Ehe nicht möglich sei. Also interpretierte zum Mindesten der Papst das Verhältnis Karls zu Himiltrud als ehelich. Nun befand sich Stephan III aber zu jenem Zeitpunkt in einer machtpolitischen Auseinandersetzung mit der ihn bedrängenden "treulosen und stinkenden Langobarden", weshalb er natürlich gegen eine eheliche Verbindung Karls mit dem Langobardenkönig war. Aus diesem Grund war es natürlich naheliegend, Karls Verhälntis zu Himiltrud (die er namentlich offenbar nicht einmal kannte) als legitime Ehe zu erklären.

Ob Karls Verhältnis zu Himiltrud als Konkubinat oder Ehe interpretiert werden muss, ist bis heute offen.
Man darf spekulieren resp. den Verdacht aufkommen lassen, dass hier ein Bruder (Ludwig der Fromme) dem anderen Nicht-Ehelichkeit unterstellt hatte, um seine eigenen Ansprüche durchzusetzten, und der auch Schreiber (Einhard, Paulus Diacouns) fand, welche dies für die Nachwelt festhielten. Dass es sich bei Himiltrud um eine "Friedelehe" gehandelt hat, dafür fehlt jeglicher Hinweis. Auch als ein von den Karolinger lanciertes Konstrukt gibt es keine Indizien für die Friedelehe.

Ich verstehe deine Skepis gut, denn mir ist es vor einem Jahr auch schwer gefallen, mich von der Idee einer "Friedelehe" zu verabschieden. Das Konstrukt ist eben gut durchdacht, in sich logisch schlüssig und enthält zum Mindesten Ansätze zum Ideal der Gleichberechtigung. Leider erweisen sich Meyers zitierte Stellen in den Quellen und Sagas als unbrauchbar - resp. sie stehen in keinerlei nachweisbarem Verhältnis zu seinem definierten Konstrukt einer urgemanischen Ehe.
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