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hinrichtungen und Henker
22.05.2016, 10:13
Beitrag: #11
RE: hinrichtungen und Henker
Ob Johann Lang den sozialdemokratischen Politiker Koloman Wallisch wirklich mit besonderem Vergnügen ins Jenseits beförderte, ich finde schon, dass das zu hinterfragen ist. Johann Lang hat den Mann schließlich nicht aus eigenem Antrieb umgebracht, sondern auf Befehl derer, die 1933 in der 1. Republik Österreich die Macht übernommen hatten.

Bei seinem Onkel Josef Lang (1855-1925) wäre zu berücksichtigen, dass er bereits Jahre vor dem Ersten Weltkrieg beruflich Henker von Wien tätig. Er wurde also keineswegs erst Henker, um im Ersten Weltkrieg die Ausführung der Hinrichtung von Personen zu übernehmen, die dem (aus Sicht seiner Arbeitgeber) feindlichen Lager angehörten.

Aber die Frage nach der Verantwortlichkeit des Scharfrichters für seine Hinrichtungen dürfte schon seit Jahrhunderten Thema gewesen sein: der Scharfrichter - Vollzugsorgan / "Beamter", Mörder oder "Mörder wider Willen", wie auch einige Beispiele aus der "Literatur" zeigen. Mehr dazu unter http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...p?tid=7133

Das Beispiel des Nürnberger Henkers Franz Schmidt (um 1555, Hof - vor dem 14, Juni 1634, Nürnberg) zeigt übrigens, dass der Scharfrichter auch schon im 16. Jahrhundert keineswegs immer nur ein "Paria" war. Hier wäre es sicher interessant zu wissen, inwieweit der Status des Scharfrichters wie auch anderer "unehrlicher" Berufe je nach Region unterschiedlich gesehen wurde. Von Franz Schmidt, der später das Nürnberger Bürgerrecht besaß und als Mediziner sein Leben beschloss, ist bekannt, dass die Nürnberger Stadtregierung ihn sogar ausdrücklich als Henker für ihre Stadt haben wollte. (Brauchbare Literaturhinweise zu Franz Schmidt finden sich bei Wikipedia.)

Im 19. Jahrhundert scheint der Scharfrichter in Wien keineswegs mehr ein "Paria" gewesen zu sein. Scharfrichter Karl Selinger war z. B. ein Stammgast im Kaffeehaus von Josef Lang, was nicht gerade für einen gesellschaftlichen Außenseiter spricht, zudem es sich bei diesem Kaffeehaus um eine seriöse Lokalität gehandelt hat. Josef Lang, sein späterer Nachfolgers, hatte das Tischlerhandwerk erlernt, war als Heizer tätig gewesen und sich dann als Kaffeehausbesitzer in Simmering (damals Ortsgemeinde in Österreich unter der Enns, heute Stadtteil von Wien) selbständig gemacht, ehe er zuletzt Henker wurde.

Lang, der bereits als Kaffeesieder Selinger bei Hinrichtungen assistiert hatte, hatte offensichtlich selbst Interesse an dem Henkerhandwerk. Dass er sich im Jahr 1900 nicht selbst um die Nachfolge von Selinger bewarb, hatte nicht damit zu tun, dass er in diesem Fall sein Kaffeehaus aufgeben musste oder weil er kein Interesse an dieser hatte, sondern es hing damit zusammen, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits die Altersgrenze für die Aufnahme in den Staatsdienst überschritten hatte und deshalb davon ausging, dass er keine reelle Chance auf den Posten des Henkers hatte.
Da ihn die Stadt Wien unbedingt als neuen Henker wollte, wurde dann in seinem Fall eine Ausnahme gemacht.

Die Suchaktion nach dem Assistenten von Selinger, von dem nicht einmal zunächst der Name bekannt war, zeigt übrigens, dass sich die Stadt Wien die Neubesetzung der Henkerstelle nicht leicht gemacht hat. Denn eigentlich gab es mit dem Prager Scharfrichter Wohlschläger einen Interessenten mit entsprechender "Ausbildung". Nur hatte dieser zuvor in Wien eine Hinrichtung durchgeführt, bei der Wohlschläger einiges schief gegangen war oder er sich offensichtlich sehr ungeschickt angestellt hatte, was offensichtlich für die Behörden Grund genug war, sich einen anderen Kandidaten zu suchen. Was Lang betrifft, so wird immer wieder hergehoben, dass seine Hinrichtungsmethode mit dem Würgegalgen jedenfalls für seine Zeit relativ human war, er sein Handwerk offensichtlich verstand. (In der Geschichte finden wir übrigens immer wieder auch Diskussionen um die Ausführung der Hinrichtung, die durchaus zweischneidig wirken, wie das Beispiel der Guillotine zeigt.)

Aus heutiger Sicht ist es vermutlich befremdlich, dass ein angesehener Bürger Interesse an der Tätigkeit eines Henkers hat, was bei Lang der Fall gewesen sein dürfte. Denn ist es nichts bisher bekannt, dass er aus sozialer oder materieller Notwendigkeit, sich zusätzlich zu seinem Kaffeehaus Geld dazu verdienen musste. Vielleicht würden wir ihn eher verstehen, wenn er ein Medizinstudent gewesen wäre und seine Assistenz bei Hinrichtungen zur Sammlung von beruflicher Erfahrung genutzt hätte.

Noch fragwürdiger wirkt auf uns heute, dass ein gut situierter Kaffeehausbesitzer (zudem geachteter Bürger) seine Position für die Anstellung als Henker aufgibt.

Hinweise, dass Lang bei der Freiwilligen Feuerwehr war und mehrere Male Menschen das Leben gerettet hat, zeigt ihn als hilfsbereiten und mutigen Menschen, dem das wohl anderer wichtig ist. Wie passt das zu jemandem, der freiwillig einen Job zu machen bereit ist, bei dem er Menschen töten muss?

anzunehmen, oder wenn er das zusätzliche Einkünfte gebraucht hätte.(Offensichtlich hatte Lang keinen sozialen oder materiellen Grund, Selinger bei Hinrichtungen , dass er Dass Lang neben seinem Beruf als Kaffeehausbs . , sondern außerdem, als ihm der Posten sogar angeboten wird, diesen annimmt.
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Nicht uninteressant ist übrigens auch die Geschichte der Todesstrafe in der österreichischen Monarchie, die oft für den Vorgängerstaat der heutigen Zweiten Republik Österreich gehalten wird. So wurde die Todesstrafe bereits 1787 (unter dem damaligen Kaiser Josef II.) in seinen Ländern abgeschafft. Sein Bruder und späterer Nachfolger Großherzog Leopold von Toskana (als Kaiser später Leopold II.) hatte schon im Jahr zuvor die Todesstrafe und Folter im Großherzogtum Toskana abschaffen lassen.

Unter Leopolds Nachfolger Kaiser Franz II. (als Kaiser von Österreich seit 1804 / 1806 Franz I.) wurde die Todesstrafe im Jahr 1795 für Hoch- und
Landesverrat wieder eingeführt. 1803 wurde sie im damaligen Strafgesetz auch für Verbrechen wie Mord, räuberischer Totschlag, Brandstiftung (die damals als dem Meuchelmord vergleichbares Verbrechen galt) und Geldfälschung vorgesehen. Im Strafgesetz von 1871 wurde ihre Verhängung allerdings nur mehr auf das Verbrechen Mord reduziert.

Quelle: http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Oeffentlich...HICHTE.pdf

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Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

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