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Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
19.09.2014, 11:19
Beitrag: #15
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
(18.09.2014 03:12)Sansavoir schrieb:  Vor ein paar Wochen war ich mal in Zeitz, das liegt ca. 40 km von Leipzig entfernt, gehört aber zum Bundesland Sachsen-Anhalt. Die Stadt ist verkehrsmäßig günstig gelegen, Autobahnnähe (A9 Berlin-München), gut ausgebaute Zufahrten der Bundesstraßen B 2 nach Leipzig oder der B 91 (?) nach Merseburg und Halle. Flughäfen (Leipzig/Halle und Altenburg) sind auch in der Nähe. Zeitz hat also einige Standortvorteile zu bieten. Als nicht so günstig für die Entwicklung der Stadt und vieler andere Städte und Gemeinden sehe ich die politische Struktur, Zeitz liegt am Länderdreieck Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und alle drei Landeshauptstädte sind weit weg.

Das Länderdreieck hat Zeitz mit der Oberweserregion gemeinsam. Das Gebiet liegt teilweise in Hessen (links der Weser, der Reinhardswald und Karlshafen) Niedersachsen (rechts der Weser, Solling , Bramwald) und NRW (links weiter nördlich um Höxter). Die geschichtsträchtigen Orte hatten wir schon in http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...6#pid11206

Heute ist die Weser als Verkehrsweg nicht mehr relevant und auch die alten Wege und Kreuzungen nicht mehr. Heute zählt nur noch, die Anbindung ans Autobahnnetz und die ICE-Strecken.
Die A 7 ist ein gutes Stück entfernt, erschließt eher Hann.Münden, Göttingen und Kassel. An der Oberweser gibt es nur einseitig Bundesstraßen, die sind belebt. Die Landstraßen dagegen verbinden abgelegene Orte und sind entsprechend leer, obwohl in gutem Zustand.

Abseits der Landeshauptstadt zu liegen muß aber nicht immer Niedergang bedeuten. Kurz nach der Oberweser habe ich Detmold besucht und ähnliche Zeichen für Niedergang erwartet. Das Lipperland lag schon immer ziemlich abseits und trotzdem scheint es Detmold und Umgebung gut zu gehen. Detmold ist eine gepflegte Stadt, ich konnte keine Spuren von Verfall, leerstehende Geschäfte usw entdecken. Liegt vielleicht daran, dass es sehr lange Hauptstadt der lippischen Fürsten und selbständig war.


(18.09.2014 03:12)Sansavoir schrieb:  Eine weitere Meinung, die ich jedoch nicht teile, ist, dass infolge der „falschen“ Parteizugehörigkeit des früheren, langjährigen Bürgermeisters die Stadt von der Wirtschaft abgehängt wurde. (Der Mann war zuerst Grüner und dann parteilos.)

Zeitz kann auf eine lange Geschichte zurückgreifen, teilweise kann ihre Geschichte als exemplarisch für die Region gelten. Unter den Ottonen im 10. Jh. gegründet, zeitweise eigenständiges Bistum und ein Ausgangspunkt der Ostkolonisation, behauptete sich die Stadt in unmittelbarer Konkurrenz zu Naumburg, Merseburg und Weißenfels als ein regionales Zentrum. Von 1656 bis 1718 war Zeitz die Hauptstadt des Herzogtums Sachsen-Zeitz, das neben den etwa zeitgleichen bestehenden Herzogtümern Sachsen-Weißenfels und Sachsen-Merseburg ein Ableger des Kurfürstentums war. Aus dieser Zeit entstammt das Barockschloss Moritzburg. Während des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Zeitz zu einer Industriestadt. Die Industrie beschränkte sich jedoch nicht nur auf eine Branche, es existierten unterschiedliche Zweige wie Stahl- und Eisengießereien, Maschinenbau, Kinderwagen, Klavierbau, Schokoladenindustrie, Zuckerraffinerien, Holz und Lacke usw. Die Industriellen ließen sich prächtige Villen, aber auch für die Bevölkerung zugängige Parkanlagen errichten. Heute noch ist ein Teil der Stadt von Gründerzeithäusern geprägt. In der DDR-Zeit entstand ein (für unsere Region) typisches Neubauviertel, nach der Wende kamen Aldi, Lidl und McDonald…

Ich habe Zeitz zwar nicht 1989 gesehen, denke aber, es wird nicht anders ausgesehen haben, als in den meisten Groß- und Kleinstädten der damaligen Bezirke Leipzig und Halle, die Altbausubstanz war zerfallen, vieles war infolge der umliegenden Braunkohle- und Chemieindustrie schmutzig und grau. Die Volkseigene Industrie brach zusammen, ein Teil der Bevölkerung zog weg, ein Teil fand in der Region Arbeit, ein Teil wurde arbeitslos oder in die Rente geschickt. Der hohe Anteil an Arbeitslosen bzw. Nichtbeschäftigten prägte natürlich das Image der Stadt im negativen Sinn. Trotzdem wurden viele Probleme seit der Wende bewältigt. Die Stadt ist sauber, das Schloss ist schön restauriert, die meisten Wohnhäuser aus der Gründer- oder der DDR-Zeit wurden saniert und es konnten sogar neue Arbeitgeber angesiedelt werden. Es ist wirklich sehr viel gemacht worden, u.a. auch dank der Landesgartenschau 2004, aber es stehen noch viele marode Wohn- und Industriegebäude in der Stadt, zum Teil neben den sanierten Häusern. Touristen oder Besucher der Stadt sehen eben nicht, was bisher geleistet wurde, sondern nur, was noch nicht geschafft wurde. Und so wird Zeitz noch eine ganze Weile mit dem Image einer niedergehenden Stadt leben müssen. Einige Kilometer von Zeitz liegen Naumburg und Freyburg an der Unstrut. In diesen Städten hat man den Eindruck, dass deren Entwicklung seit der Wende besser verlaufen ist. Dagegen scheint die Stadt Weißenfels mit ähnlichen Problemen wie Zeitz zu kämpfen. Die Frage ist nun, welche Chancen (mitteldeutsche) Kleinstädte wie Zeitz (ca. 30.000 Einwohner) in Zukunft haben werden?


Die Kleinstädte meine ich erst in 2. Linie. http://de.wikipedia.org/wiki/Hann._M%C3%...nternehmen Hann. Münden hat nur 23000 EW und wird sich noch ´ne ganze Weile halten. Es hat noch einiges an Industrie und ist außerdem durch seine schöne Fachwerkaltstadt Ziel von Ein-Tages-Bustouristen.
Beim Tourismus merkt man aber auch hier erste Anzeichen von Niedergang. Vor 10 Jahren hatte man abends noch viel mehr Auswahl, wenn man in schöner Umgebung essen gehen wollte. Heute ist das schon sehr eingeschränkt auf das übliche Angebot, man merkt die Orientierung auf die Tagesbustouristen. Beim Tourismus spielt der demographische Faktor eine große Rolle, denke ich.
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RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete - Renegat - 19.09.2014 11:19

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