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Karl May in seiner Zeit und heute
08.09.2014, 20:04
Beitrag: #20
RE: Karl May in seiner Zeit und heute
Melde mich mal artigst und vermutlich nur für begrenzte Zeit zurück.

Interessantes Thema @Arkona Thumbs_up

Karl May kenne ich, wenn ich ehrlich bin nur aus den gängigen Verfilmungen, die in meiner Kindheit im TV jeden Sonntagmittag (abwechselnd zu Pippi Langstrumpf und dem Michel von Lönneberga) auf halt nur 2 (ja, liebe Kinder, es waren tatsächlich nur zwei und man konnte es überleben...) Kanälen liefen....

Lesen mochte ich den May ehrlich gesagt nicht, kann aber nicht wirklich begründen, warum. Durch Arkonas Thread angeregt, hab ich mir doch mal ein wenig zu seiner Biographie angeschaut. Tante Wiki weiß z.B., dass sein Lebenslauf wohl nicht immer ganz so geradlinig verlaufen war, mehrere Zuchthausstrafen, Ausschluss aus der Liste der Lehramtskandidaten, Plagiatsvorwürfe, Nervenzusammenbrüche und dergleichen mehr.

May sah sich selbst wohl als eine Art gesellschaftlicher Underdog, einen verkannten Rebellen und schlug sich deshalb in seinen Büchern immer wieder auf die Seite des vermeintlich Schwächeren. (Der vermeintlich Schwächere - weil minderprivilegiert - , der aber im Herzen gut und edel ist und es daher verdient hat, geschützt und unterstützt zu werden, natürlich von dem, der stark und nicht minder edelmütig, eigentlich am längeren Hebel sitzen würde, das aber dank seines Heldengens nicht ausnutzt.)

Es ist das immer gleiche Strickmuster. Anscheinend war es wohl genau diese Mixtur aus edelmütigem Heldentum, verbunden mit einer tragisch endenden Liebesgeschichte, gewürzt mit etwas Abenteuerromantik und ein paar exotischen Schauplätzen und Reisebeschreibungen, die in den damaligen Mainstream der Leserschaft gepasst hat... und offensichtlich häufig auch heute noch passt.

Bei Tante Wiki gibt es gerade in Bezug zu seinen wohl erfolgreichsten Geschichten um Old Shatterhand Interessantes zu lesen:

Zitat:Selten hat ein Autor die von der Literaturtheorie postulierte Grenze zwischen Ich-Erzähler und realem Autoren-Ich ausdrücklicher zu verwischen versucht. Karl May wurde in diesem Zusammenhang Hochstapelei und Pseudologie (zwanghaftes Lügen) vorgeworfen. Der Biograf Helmut Schmiedt spricht in diesem Zusammenhang von einer der „aberwitzigsten Episoden in der Geschichte der deutschen Literatur: Es stellt sich die Frage, warum ihr Urheber sie erfunden und mit solch existenziellem Elan ausgelebt hat.“
und

Zitat:Allerdings wusste er bald nicht mehr zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden und verstieg sich mehr und mehr in die „Old-Shatterhand-Legende“. Er behauptete nicht nur, selbst Old Shatterhand zu sein und die Inhalte der Erzählungen tatsächlich erlebt zu haben, sondern ließ von einem Kötzschenbrodaer Büchsenmacher sogar die legendären Gewehre seiner Romanhelden für sich anfertigen: zunächst den „Bärentöter“ und die „Silberbüchse“, später auch den „Henrystutzen“.

Seine Nervenzusammenbrüche erlitt er angeblich, weil er eben zeitweilig völlig den Bezug zur Realität verloren hatte und dann wieder recht unsanft darin gelandet war....

Naja, ich werde wohl nie zum inner circle seines Fanclubs gehören.


Was das angeht:
(06.09.2014 19:40)Arkona schrieb:  Ich möchte hier einfach nur mal versuchen, eine Diskussion anzustoßen. Wie soll man Karl May heute werten? Ein idealistischer Spinner? Oder der Lieblingsautor der Generation Auschwitz in deren Jugend (Hitler mochte ihn angeblich sehr)? Oder vielleicht doch nur ein überschätzter Trivialschreiberling, der trotzdem das deutsche Bild vom Orient und von Amerika lange prägte?


argumentiert Tante Wiki folgendermaßen:
Zitat: Obwohl sich May sehr bewusst von den ethnologischen Vorurteilen seiner Zeit absetzen wollte und gegen die öffentliche Meinung anschrieb (Winnetou, Durchs wilde Kurdistan, Und Friede auf Erden!), treten in seinen Werken doch heute als „rassistisch“ angesehene Formulierungen auf, die den Paradigmen seiner Zeit unterlagen. Beispielsweise gibt es einige pauschal abwertende Aussagen über Iren, Juden, Armenier, Chinesen, Schwarze, Mestizen und Beduinen. Andererseits werden Chinesen oder Mestizen in seinen Romanen teilweise als positive Figuren dargestellt, die als Ausnahmecharaktere den gängigen Klischees widersprechen. Vom Nationalismus und auch Rassismus, die das wilhelminische Deutschland seiner Zeit prägten, blieb jedoch auch May nicht unbeeinflusst.
(Hervorhebung durch mich)

Liest sich geradewegs so, als wäre May ein "Opfer" seiner Zeit gewesen. War er das? Inwieweit hätten er und seine Geschichten noch Akzeptanz gefunden, wäre er konsistenter bei seiner Haltung gegen ethnologische Vorurteile geblieben?
Eigentlich, das was Bunbury treffend ansprach: Dem Konflikt, der sich aus einer gesellschaftlich nicht statthaften, also unmöglichen Liebe ergibt, geht er literarisch elegant aus dem Wege, indem er die tragische Heldin sterben lässt. (Machten die alten Meister auch schon so, ist also aus dramaturgischer Sicht nicht verwerflich.)
Aber interessant wäre es schon gewesen, wie sich Old Shatterhand alias Karl May wohl entschieden hätte... für Akzeptanz und gegen das Mädel? oder doch andersrum?

Nachdem ich nun fast zwei Stunden und insgesamt 5 Anläufe für dieses bissal Beitrag gebraucht habe (wurde ständig unterbrochen...Dodgy) rechnet also nicht mit zuviel Text von meiner Seite.

Liebe Grüße aus dem Schwarzen Wald, es gibt ihn noch... Wink

nicht ärgern, nur wundern...
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RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Uta - 08.09.2014 20:04

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