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Revolution, der finanzielle Faktor - Diskussion zum G/Geschichteheft 7/2014:
26.07.2014, 18:47
Beitrag: #10
RE: Revolution, der finanzielle Faktor - Diskussion zum G/Geschichteheft 7/2014:
Kehren wir ins Jahr 1789 zurück. Bereits in Dezember 1789 wurde die erste Teilmenge der Nationalgüter im Wert von 400 Millionen Livre zum Verkauf gestellt. Im Vorgriff auf den Verkauf gab die Regierung Assignaten heraus. Assignaten sind Zins tragende Schuldverschreibungen. Die Regierung erhoffte mit deren Hilfe die Finanzkrise zu überwinden und beabsichtigte ursprünglich die Assignaten zu vernichten, wenn der Wert der Nationalgüter in die Staatskasse geflossen war, also der Betrag inkl. Zinsen bezahlt war.

Zuerst legte die Regierung einen Zwangskurs fest, später erhöhte sie die Geldsumme auf 1200 Millionen Livre. Die Assignaten verloren das in sie gesetzte Vertrauen, behaupteten sich aber als Zahlungsmittel. Das Silbergeld verschwand aus dem Geldkreislauf, bereits im Dezember 1791 hatten die Assignaten 25 % ihres ursprünglichen Wertes verloren. Die Legislative erhöhte daraufhin die Papiermenge auf 1600 Millionen Livre und sie gab zusätzlich Papiergeld zu 50, 25, 15 und 10 Sous heraus. All das nutzte nicht viel. Im April 1792 betrug die Kaufkraft der Assignaten nur noch 60 % ihres ursprünglichen Wertes, die Legislative erhöhte daraufhin die Geldmenge erst auf 1700, dann auf 1800 und schließlich im Juli 1792 auf 2000 Millionen Livre. Diese Inflation brachte vorübergehend Gewerbe und Handel voran, führte jedoch auch zu einer Verteuerung der Lebensmittel. Da die Löhne und Gehälter nicht synchron mit den Preisen stiegen und sich die Bauern weigerten, ihr Getreide gegen Assignaten zu verkaufen, kam es zu Hungerunruhen.

Im Februar 1793 gab der Konvent erneut für 800 Millionen Livre Assignaten heraus und im April 1793 setzten sich die Jakobiner gegen die Girondisten durch, indem sie einen Zwangskurs für das Papiergeld festlegten. Mit dem Zwangskurs beherrschten die Jakobiner noch nicht die Inflation, die Kaufkraft der Assignaten sank weiter, im August 1793 erreichten sie den bisherigen Tiefstwert von 22 % ihres Nominalbetrages. Trotz massiver staatlicher Eingriffe wie Mindestlöhne oder Maximalpreise für Nahrungsmittel und Waren des täglichen Bedarfs und Terror gegen angebliche Wucherer, Halsabschneider usw. bekam Robespierre die Inflation nicht wirklich im Griff. Das so genannte Maximun orientierte sich an den Preisen, Löhnen, Transportkosten usw. von 1790, die mit unterschiedlichen Faktoren umgerechnet wurden und dieser Wert durfte nicht über- oder unterschritten werden. Lebensmittel durften demnach nominal 33 % teurer sein als 1790, die Löhne sollten 50 % über die Nominallöhne von 1790 liegen. Zwar stieg die Kaufkraft der Livre bis Dezember 1793 wieder auf 48 %, danach sank sie jedoch wieder, so dass beim Sturz der Jakobiner der Livre nur 36 % seiner ursprünglichen Kaufkraft hatte. Das heißt, zum Ende der Jakobinerherrschaft hatte der Livre dieselbe Kaufkraft wie zum Zeitpunkt des Sturzes der Girondisten. Insgesamt befanden sich 7500 Millionen Livre im Umlauf. Nach dem Sturz der Jakobiner sank die Kaufkraft der Assignaten rasant, im Dezember 1794 betrug ihr Wert nur noch 20 % des ursprünglichen Wertes. Maßnahmen der Thermidorianer, wie die Aufhebung des Maximums führten schließlich dazu, dass die Kaufkraft der Assignaten nochmals rasant und enorm sank. Im Juli 1795 betrug sie nur noch 3 %. Begleitet war diese Inflation mit sozialen Unruhen, wie den Aufstand vom Germinal (1. April 1795) und Prairial (Mai/Juni 1795).

Zu Beginn des Direktoriums waren 20 000 Millionen oder 20 Milliarden Assignaten im Umlauf, im Januar 1796 hatte sich die Menge bereits verdoppelt, so dass 40 Milliarden Assignaten im Umlauf waren. Ein Assignat mit dem Nominalwert 100 Livre war nur noch 15 Sous wert. Das Direktorium zog die Notbremse und beendete am 19. Februar 1796 die Herausgabe der Assignaten. Druckplatten und Notenpressen wurden zerstört. Die Assignaten wurden bald darauf durch Territorialmandate ersetzt.

Die Territorialmandate ersetzte die Assignaten als neues Papiergeld. Am 19. Februar 1796 wurden 2,4 Milliarden Livre herausgegeben, deren Wert durch die noch nicht veräußerten Nationalgüter gedeckt wurde. Assignaten konnten in Territorialmandate umgetauscht werden. Der Wechselkurs war aber zu niedrig angesetzt, er betrug 1:30, deshalb konnten Besitzer größerer Mengen von Assignaten für einen Spottpreis Nationalgüter kaufen. Die Territorialmandate erwiesen sich ganz schnell als Flop, bereits nach zwei Monaten hatten sie neun Zehntel ihrer Kaufkraft eingebüßt. Mit dem Gesetz vom 4. Februar 1797 wurden die Territorialmandate abgeschafft, für 100 Livre erhielt man 20 Sous (1 Livre) in Hartgeld.

Kommen wir wieder zurück zum Verkauf der Nationalgüter. Bis 1796 kam es zu 974000 Käufen, die mit Assignaten oder Territorialmandate getätigt wurden. Von 1797 bis 1802 wurden nochmals 227000 Nationalgüter verkauft, diesmal musste mit Hartgeld bezahlt werden. Danach wurden noch 40000 Nationalgüter verkauft, 1814 galt der Verkauf von Nationalgütern als abgeschlossen. Seit 1802 ermöglichte Napoleon zurückgekehrten Adligen den Rückkauf ihrer ehemaligen Güter unter günstigeren Bedingungen als für andere Käufer. Gewinner dieser Transaktion von Gütern war die bäuerliche Oberschicht, regionale Machthaber und Teile des Großbürgertums.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Revolution, der finanzielle Faktor - Diskussion zum G/Geschichteheft 7/2014: - Sansavoir - 26.07.2014 18:47

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