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Irak - Geschichte und Entwicklung
20.06.2014, 10:55
Beitrag: #7
RE: Irak - Geschichte und Entwicklung
(20.06.2014 00:52)Sansavoir schrieb:  Eine Ursache der heutigen Situation der arabischen Welt ist die US-amerikanische Politik seit 1990. (...)Denn bis 1989 wurde z.B. die Diktatur in Somalia von der USA unterstützt, in den 80-er Jahren wurde Saddam Hussein (...)
(Den arabischen) Monarchien standen seit den 1950/60er Jahren die arabischen Militärdiktaturen gegenüber, (...)
Neben Gründen aus der jüngeren Zeitgeschichte sehe ich weitere Ursachen der heutigen politischen Situation in den Ereignissen von 1916 bis 1924. (...) Dabei sollte nicht vergessen werden, dass der Sultan nicht nur als weltliches Oberhaupt handelte, sondern auch als geistliches Oberhaupt. Immerhin fungierten die osmanischen Sultane bis 1924 auch als Kalif.
Du merkst selber, dass du immer weiter in der Geschichte zurück gehst und immer wieder auf Dinge stößt, die die Geschichte des Nahen Ostens bis heute beeinflussen. Geh noch bis ins 17.Jh. zurück, dann hast du im Grunde mein Eingangsposting vor dir...

(20.06.2014 00:52)Sansavoir schrieb:  Die Radikalisierung des Islams begründet sich auch im Zustand der saudi-arabischen Gesellschaft. Als offizielle Religion gilt die wahhabitische Auslegung des Korans. Al-Wahhab begründete im 18. Jahrhundert den Wahhabismus, eine strenge, asketische und rigorose Form des sunnitischen Islam. Ganz grob und unwissenschaftlich: Der Wahhabismus ist so etwas wie die islamische Variante des Calvinismus.
Der Calvinismus ist allenfalls in seinen radikaleren Anfangsjahren mit dem Wahhabismus vergleichbar. Der Wahhabismus IST Islamismus, während sich der Calvinismus entradikalisiert hat, zumindest in seinen Hauptströmungen.

Zum Islamismus als solchem vgl. Wiki: http://de.wikipedia.org/wiki/Islamismus

"Der deutsche Politologe Armin Pfahl-Traughber nannte 2011 in einem Dossier für die Bundeszentrale für politische Bildung folgende Punkte als typische Merkmale des Islamismus:

1. Absolutsetzung des Islam als Lebens- und Staatsordnung
2. Gottes- statt Volkssouveränität als Legitimationsbasis
3. der Wunsch nach ganzheitlicher Durchdringung und Steuerung der Gesellschaft
4. homogene und identitäre Sozialordnung im Namen des Islam
5. Frontstellung gegen den demokratischen Verfassungsstaat
6. Potential zu Fanatismus und Gewaltbereitschaft.

Der Islamwissenschaftler Tilman Nagel (* 1942) vertrat 2005 in seinem Essay Islam oder Islamismus? Probleme einer Grenzziehung die Meinung, eine Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus sei ,ohne Erkenntniswert'. ,Islam und Islamismus sind so lange nicht voneinander zu trennen, wie Koran und Sunna als absolut und für alle Zeiten wahr ausgegeben werden', so Nagel."

Und das Calvinismus? Noch einmal Wiki:http://de.wikipedia.org/wiki/Calvinismus
"Die Theologie Calvins betont die unbedingte Heiligkeit Gottes. Alles Menschenwerk, sogar die Glaubensentscheidung und nicht zuletzt der Kultus der katholischen Kirche mit Sakramenten, Reliquien oder Ablass galten ihm als Versuche, die Souveränität Gottes einzuschränken und an Irdisches zu binden. Die zum Teil schroffen Züge von Calvins Offenbarungs-, Gnaden- und Erlösungslehre – insbesondere seine Lehre von der doppelten Prädestination, wonach Gott ein für alle mal vorherbestimmt hat, ob der einzelne Mensch auf dem Weg zur ewigen Seligkeit oder zur ewigen Verdammnis ist, – wurden in der Auseinandersetzung der Calvinisten mit den „Arminianern“ im 17. Jahrhundert durch die Beschlüsse der Dordrechter Synode und durch das Bekenntnis von Westminster noch verschärft.

Die vier Soli als Basis
Wie bei allen Richtungen, die aus der Reformation hervorgingen, gehören die vier Soli zur Basis des Calvinismus:

sola scriptura – allein die Schrift ist die Grundlage des christlichen Glaubens (nicht die Tradition) [Folge: Keine calvinistische Kirche, nur calvinistische Gemeinden; Anm. von mir]
solus Christus – allein Christus (nicht die Kirche) hat Autorität über Gläubige [Folge: Basisdemokratie in den calvinistischen Gemeinden, später Demokratie auch in calvinistisch geprägten Staaten, z.B. Niederlande; Anm. von mir]
sola gratia – allein durch die Gnade Gottes wird der Mensch errettet (nicht wegen seiner eigenen Güte) [ob der Mensch die göttliche Gnade hat, erfährt er dadurch, dass seine Aktivitäten gelingen, daher der sog. "cavlinistische Arbeitsethos".; Anm. von mir]
sola fide – allein durch den Glauben wird der Mensch gerechtfertigt (nicht durch gute Werke) [Folge: Calvinisten geben keine Almosen; Anm. von mir]"
Was dem Calvinismus bei aller Absolutheit seiner religiösen Ansprüche fremd ist, ist die Gewaltbereitschaft des Islamismus. Wohl haben auch Calvinisten Kriege geführt, wohl auch Angriffskriege, aber sie waren dabei immer der Überzeugung, erstens Gottes Werk auszuführen (wenn etwa die Niederlande - resp. die Ostindische Kompagnie - ihren Einfluss ausweiteten) oder sich zu verteidigen (etwa gegen England und Spanien - beides anticalvinistische oder zumindest antiniederländische Staaten).
Was der Calvinismus im Gegensatz zum Islamismus auch unbedingt vertritt, ist die Trennung von Staat und Kirche sowie die Ablehnung von Hierarchien.

Gemeinsam ist beiden die strikte Auslegung der jeweiligen heiligen Schrift, die teils radikale Gegnerschaft zu Andersdenkenden (wobei die Calvinisten aber auch für unbedingte Religionsfreiheit eintraten), die oberste Souveränität Gottes (bei den Calvinisten allerdings "nur" in religiöser Hinsicht, siehe Trennung von Kirche und Staat) und der Wunsch, die komplette Gesellschaft zu durchdringen bzw. sie zu prägen, wenn nicht zu beherrschen (vgl. die Genfer Republik der Calvinisten).
Wie gesagt, nur in der Stellung gegenüber der Demokratie (Calvinismus pro, Islamismus contra) und Gewaltbereitschaft (Calvinisten konnten mindestens so fanatisch sein wie Islamisten, aber die jeweilige Gewaltbereitschaft ist eine andere Hausnummer) sind sich beide Strömungen ähnlich.

Aber jetzt bitte wieder zurück zum Irak, weitere Diskussionen zu Calvinismus / Islamismus bitte als neues Thema ausgliedern.

VG
Christian
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