Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Frankreich und die "unseligen Könige" im 14. Jahrhundert
01.05.2014, 23:23
Beitrag: #1
Frankreich und die "unseligen Könige" im 14. Jahrhundert
Da Maxdorfer mit Karl II. den Bösen, König von Navarra und Graf von Evreux (1332–1387) eine sehr interessante historische Figur im Forum-Rätsel vorgestellt hat, möchte ich in diesem Artikel auf die so genannten "unseligen Könige" in Frankreich hinweisen. Den Begriff "unselige Könige" entlehnte ich der gleichnamigen Romanreihe von Maurice Druon, da er passend für die Krise des Königtums in Frankreich ist. Karl der Böse muss in diesem Zusammenhang auch gesehen werden.

Avicenna war ja schon recht nah an der Lösung, als er Philipp IV., den Schönen als Kandidaten für den Gesuchten vorschlug. Denn mit seiner Eheschließung mit Johanna I. von Navarra aus der Familie der Grafen von Blois und Champagne sollte der Grundstein einer zukünftigen Vereinigung des Königreichs Frankreich mit dem Königreich Navarra, aber auch der Grafschaft Champagne gelegt werden. Nach Johannas Tod im Jahre 1305 wurde der damalige Dauphin Ludwig - der spätere Ludwig X., der Zänker (1289–1316) - König von Navarra und Graf von Champagne. Im gleichen Jahr heiratete er Margarete von Burgund (1292–1315), Tochter des Herzogs von Burgund und Enkelin von Ludwig IX., den Heiligen.

Ludwig und Margarete hatten nur eine gemeinsame Tochter, die spätere Johanna II. von Navarra (1311–1349). Bekannt ist sicher, dass im Jahr 1314 der französische König Philipp IV. den letzten Großmeister Jacques de Molay auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließ. Weniger bekannt dagegen ist, dass Philipp – möglicherweise auf Anraten seiner Tochter Isabella – ebenfalls im Jahr 1314 seine drei Schwiegertöchter Margarete von Burgund und die Schwestern Johanna († 1330) und Blanka von Burgund († 1326), beides Töchter des Pfalzgrafen von Burgund – die eine mit dem späteren Philipp V. (1292–1322), die andere mit dem späteren Karl IV. (1295–1328) verheiratet, verhaften und einsperren ließ. Margarete und Blanka sollten Ehebruch mit den zwei Rittern Gautier und Philippe d’Aunay begangen haben, Johanna war Mitwisserin und sicherte die Treffen ab. Da beide Ritter unter Folter gestanden, mit den beiden Prinzessinnen sexuell verkehrt zu haben und dies auch nicht vor ihrer Hinrichtung widerriefen, blieben Margarete und Blanka in Haft, während Johanna Ende 1314 freigelassen wurde und zu ihrem Gatten zurückkehren durfte, der sich mit ihr wieder versöhnte. Ein Grund dafür war sicher auch, dass Philipp mit dem baldigen Ablebens von Johannas schwerkranken Bruder Robert rechnete. 1315 trat schließlich dieser Fall ein, Johanna wurde Pfalzgräfin von Burgund.

Tragischer war das Schicksal der beiden anderen Frauen. Nachdem Philipp IV. Ende 1314 verstarb, wurde die in Haft sitzende Margarete als Gattin Ludwigs X. de jure Königin von Frankreich und Navarra. Für Ludwig bestand jetzt das Problem, dass er sich nicht von seiner untreuen Ehefrau scheiden lassen konnte, da Ehebruch nicht als Scheidungsgrund von der katholischen Kirche anerkannt wurde. Ebenso sah der in Avignon sitzende Papst die Geburt der Tochter Johanna II. als Beweis für den Vollzug der Ehe an, dies war ebenfalls ein Grund für die nicht gestattete Scheidung. Johanna II. wurde inzwischen als illegitim betrachtet, vor allem war auch Ludwig nicht mehr von seiner Vaterschaft überzeugt. D.h., dass bei einem Ableben Ludwigs dessen Bruder Philipp König werden würde. Da das Verhältnis Ludwigs zu Philipp gespannt war, beide hatten unterschiedliche Positionen in der Flandern-Politik, entschied sich Ludwig für die gewaltsame Beseitigung Margaretes, die in seinem Auftrag im Sommer 1315 erdrosselt wurde. Der nun verwitwete König ehelichte wenig später Clementine von Anjou-Ungarn, die im November 1316 den nur wenige Tage lebenden Johann I. zur Welt brachte. Da sein Vater Ludwig bereits im Juni 1316 verstorben war, fiel die französische Krone an Philipp V.

Im Königreich Navarra und in der Grafschaft Champagne bestand das Recht einer weiblichen Erbfolge. Der Adel von Navarra anerkannte die Legitimität Johannas II. als Königin. Damit konnten Navarra seine Unabhängigkeit bewahren und sich vor allem den Steuerbelastungen unter Philipp IV. und Ludwig X. entziehen. Philipp V. widersetzte sich der Unabhängigkeit Navarras, vor allem verleumdete er Johanna als uneheliche Tochter der Margarete von Burgund. Johanna II. wurde jedoch von ihrem Onkel, dem Herzog von Burgund, und anderen Vertretern des Hochadels unterstützt. Sie heiratete um 1330 Philipp von Evreux, einen Enkel Philipps III. von Frankreich.

1317 ließ Philipp V. die „Lex Salica“ von den Generalständen bestätigen. In der „Lex Salica“ wurde die männliche Erbfolge für das Königtum festgelegt, die weibliche Erbfolge bzw. die Erbfolge über eine Frau wurde ausgeschlossen. Bis dato galt die „Lex Salica“ als theoretische Option, seit 1317 regelte das Gesetz die Thronfolge in Frankreich. Diese Regelung war notwendig, da vor allem Isabellas Ansprüche bzw. die ihres Sohnes Edward III. ausgeschlossen werden sollte. Notwendig war dies wegen der Verschlechterung des französischen-englischen Verhältnisses aufgrund der Weigerung Eduards II., den Lehnseid als Herzog von Guyenne abzulegen. Philipp selbst hatte zu diesem Zeitpunkt nur noch Töchter und zwei Söhne, die bereits 1317 und 1321 verstarben. Das heißt, seit 1321 war Philipps jüngerer Bruder Karl der gesetzliche Thronerbe.

Philipp V. verstarb Anfang 1322, ihm folgte sein Bruder als Karl IV., der nun vor ähnlichen Problemen wie einst Ludwig X. stand. Denn Karl war immer noch mit Blanka von Burgund verheiratet, die seit 1314 eingesperrt geblieben war. Im März 1322 verstarben sowohl Karls Tochter als auch sein Sohn innerhalb einer Woche. Das heißt, Karl hatte keine Erben und eine Ehefrau, von der er sich seit 1314 trennen wollte. Um nicht einen weiteren Mord herauszufordern, gestattete der Papst schließlich im Mai 1322 die Scheidung von Karl und Blanka. Blanka ging in ein Kloster, wo sie einige Jahre später verstarb. Karl heiratete noch zweimal, ein männlicher Thronerbe blieb ihm aber versagt. Seine zweite Ehefrau war Marie von Luxemburg, eine Schwester des böhmischen Königs Johann. Marie sorgte dafür, dass ihr Neffe Wenzel am französischen Hof erzogen wurde. Er wurde zu Ehren Karls IV. auf den Namen Karl umgetauft und erließ im Jahr 1356 als römisch-deutscher Kaiser Karl IV. die Goldene Bulle, in der u.a. die deutsche Königswahl geregelt wurde. Nach Maries Tod heiratete Karl IV. von Frankreich Johanna von Evreux, Schwester von Philipp von Evreux und somit auch Tante von Karl des Bösen. Da Karl und Johanna beide Enkel des französischen Königs Philipp III. waren, benötigten sie den päpstlichen Dispens für ihre Ehe, den sie auch erhielten. Aus Karls und Johannas Ehe entstammen mehrere Töchter, von denen nur eine, die postum geborene Blanche, das Erwachsenenalter erreichte.

Als Karl IV. noch jung an Jahren im Jahre 1328 starb, traten (nach der Geburt Blanches) die Regelungen der Lex Salica in Kraft. Nach diesen Regelungen wurde Philipp von Valois als Philipp VI. König von Frankreich. Philipp VI. war der Sohn von Karl von Valois, den jüngeren Bruder von Philipp IV. und Titularkaiser von Byzanz. Obwohl Philipp VI. der Cousin des letzten Königs war, wird der Dynastiewechsel von Kapetingern auf Valois im Jahr 1328 als wichtiges Ereignis angesehen, das nur eine vergleichbare Entsprechung in dem Dynastiewechsel von Valois auf Bourbon im Jahre 1589 hat. Sowohl Valois als auch Bourbonen waren Nebenlinien der Kapetinger. Dass der Thronwechsel von 1328 so eine hohe geschichtliche Bedeutung in Frankreich hat, liegt an der erstmaligen Umsetzung der Lex Salica, die 1498, 1515 und 1589 erneut Anwendung fand.

Die Thronfolge Philipps VI. (1293–1350) wurde sofort vom englischen König Edward III. angefochten, da er nicht auf sein – über seine Mutter Isabelle (1292–1358) – bestehendes Thronfolgerecht verzichten wollte. Um sein Recht durchzusetzen zettelte Eduard III. 1337 den Hundertjährigen Krieg an, in dem es um die Herrschaft in Frankreich und um bestehende Vasallenverhältnisse ging. Philipp VI. versuchte, den Hochadel an sich zu binden. So gestattete er z.B. die Eheschließung seines Vasallen Philipp von Evreux mit Johanna II., Königin von Navarra im Jahr 1330 oder die Hochzeit von Karls IV. Tochter Blanche (1328–1392) mit seinem jüngeren Sohn Philipp von Orleans oder seine eigene Eheschließung mit Blanche von Evreux-Navarra (1330–1398), der Schwester von Karl den Bösen.

Unter diesen politischen Bedingungen musste sich Karl der Böse, seit 1349 König von Navarra behaupten. Dass er im 14. Jahrhundert, einem Jahrhundert in dem es nicht zimperlich zuging, den Beinamen „der Böse“ erhielt, charakterisiert diesen Mann als Jemanden, der die von der Gesellschaft tolerierte, angewandte Gewalt und Tücke weit überschritten hat.

Legte Philipp IV. mit seiner Politik, die sich gegen den Adel, Kirche und Institutionen wie die Tempelritter nicht die Grundlage für die Krise im Frankreich des 14. und 15. Jahrhundert? Und wie sollte man seine Außenpolitik bewerten? (Papst nach Avignon, Flandern / Schlacht von Kortrijk 1302, Konflikt mit England, aber Verheiratung seiner Tochter Isabelle mit Eduard II., Unterstützung Schottland / John Balliol / Auld Alliance). Hat seine Politik zum Hundertjährigen Krieg geführt?

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
Frankreich und die "unseligen Könige" im 14. Jahrhundert - Sansavoir - 01.05.2014 23:23

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds