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Biographien ungeordnet, wie sie geschrieben werden .
19.07.2012, 23:55
Beitrag: #41
RE: Biographien ungeordnet, wie sie geschrieben werden .
José Gaspar Rodríguez de Francia
(Doktor Francia)

José Gaspar Rodríguez de Francia (y Velasco) – oft nur "Doktor Francia" genannt - (* 6. Januar 1766 in Yaguarón oder Asunción; † 20. September 1840 in Asunción) war ein Führer der lateinamerikanischen Unabhängigkeitsbewegung(en) und von 1814 bis 1840 Diktator von Paraguay.

Leben

Der Sohn des aus São Paulo stammenden, kreolischen Kolonialbeamten und Grundbesitzers Garcia Rodriguez Francia studierte von 1781 bis 1785 – unter anderen an der Nationalen Universität von Córdoba im heutigen Argentinien – Theologie, Philosophie und Recht und betätigte sich nach seiner Habilitation in Theologie als Rechtsanwalt in Asunción. 1808 wurde er zum 1. Alcalde (Bürgermeister) von Asuncion gewählt, als deren Vertreter er zum Beginn der Unabhängigkeitsbewegung im Jahre 1810 in die Provisorische Regierung und 1811 in die Oberste Regierungsjunta der Republik Paraguay aufgenommen wurde. Der rasch an Einfluss und Macht gewinnende, ehemalige Bürgermeister von Asunción wurde 1813 zu einen der beiden Konsuln von Paraguay gewählt und 1814 zum „Dictador Supremo de la República“ (Oberster Diktator der Republik) ernannt.

Er errichtete – initiiert von der Politik seines Vorbildes Maximilian de Robespierre - ein revolutionäres Regime in Paraguay, das die Entmachtung und Enteignung der Europaspanier (1820), der katholischen Kirche (1824) und der kreolischen Großgrundbesitzer, einschließlich seiner eigenen Familie (1826) vollzog. Der auf äußerste Sparsamkeit bedachte „El Supremo“ kannte keine materiellen Vergnügungen, pflegte keine kulturellen Interessen und beschäftigte nur drei Sekretäre als staatliche Verwalter. Als unumschränkter Alleinherrscher schätzte er vor allem Eigenschaften wie Patriotismus, Arbeitseifer und Unbestechlichkeit. Er lebte spartanisch und gestattete sich zum persönlichen Verbrauch nur 2 Peso pro Tag aus der Staatskasse.

Vom französischen Aufklärer Jean-Jacques Rousseau beeinflusst, förderte Rodríguez de Francia die Gründung staatlicher Güter. Er setzte die strikte staatliche Lenkung von Manufakturen, Verkehr, Handel und Preispolitik durch und führte sein Land in eine radikale wirtschaftliche Autarkie. So blieben Kontakte zum Ausland auf ein Minimum beschränkt, es wurde nichts importiert und nur Mate wurde exportiert. Ausländer durften Paraguay nicht mehr betreten, taten sie es doch, wurden sie hart bestraft. So blieb der Botaniker Aimé Bonpland, der zwischen 1799 und 1804 gemeinsam mit Alexander von Humboldt Spanien und Südamerika bereiste, zwischen 1821 und 1829 in Paraguay trotz internationaler Proteste inhaftiert.

Rodríguez de Francias Sonderweg, der dem in Lateinamerika praktizierten Marktliberalismus Großbritanniens entgegenstand, erhöhte beträchtlich den Lebensstandard der überwiegend indigenen, bäuerischen Bevölkerung, es gab in Paraguay keine Armut, aber auch keinen Reichtum. Die Isolation Paraguays lag aber auch in den Expansionsabsichten der Nachbarstaaten Brasilien und Argentinien begründet. Ein deshalb erfolgtes Angebot Simon Bolívars, einer südamerikanischen Konföderation beizutreten, lehnte der paraguayische Diktator im August 1825 ab. Stattdessen rüstete er sein Heer auf, wobei es ihm gelang, seine Gegner über die tatsächliche Stärke seiner Armee zu täuschen. Außenpolitischen Spannungen führten 1829 zum offenen Bruch mit Brasilien. Eigene Eroberungen vollzog der Verehrer Napoleons allerdings nicht, erst seine militaristischen Nachfolger versuchten zu expandieren.

Der Diktator, der einer der wenigen Menschen mit nennenswerter Bildung in Paraguay war - er sprach neben seiner Muttersprache Spanisch auch Französisch, Englisch, Latein und Guarani - kümmerte sich persönlich um die Volksbildung und ordnete die Schulpflicht für alle Männer an. Die Sprache der Guarani wurde neben dem Spanischen als gleichberechtigte Amtssprache in Paraguay zugelassen und 1836 wurde die erste öffentliche Bibliothek in Asunción eröffnet.

Um eine harte, nach seinem Ethos lebende paraguayische Nation zu schaffen, ordnete Rodríguez de Francia für die kreolische Oberschicht Mischehen mit Indios (Guaranis) an. Widersetzten sich deren Angehörige dieser Anordnung, wurden hohe Geldstrafen erhoben oder Eigentumskonfiszierungen vollzogen, die zum Ruin beider Familien führten. Weil seine Schwester einen Mann ihrer Wahl heiratete, wurden sowohl ihr Gatte als auch der die Trauung vollziehende Priester auf Befehl Doktor Francias standrechtlich erschossen. Über das weitere Schicksal seiner Schwester gibt es keine Überlieferungen. Der hartherzige Diktator blieb selbst unverheiratet, aber er soll eine beträchtliche Anzahl unehelicher Kinder gezeugt haben. Bekannt wurde seine Tochter Ubalde García de Cañete, die zeitweise ihren Lebensunterhalt mit Prostitution bestreiten musste, da ihr Vater mit seinem Einkommen von 2 Peso pro Tag für sie nicht sorgen konnte und/oder wollte.

Die letzten Regierungsjahre des am 20. September 1840 verstorbenen Diktators waren vom Terror seiner Geheimpolizei und seiner unberechenbaren Willkür gekennzeichnet. Er hinterließ keinen existierenden staatlichen Verwaltungsapparat. Damit stellte sein Regime einen Präzedenzfall für zukünftige persönliche Diktaturen starker Militärherrscher in Paraguay dar.

José Gaspar Rodríguez de Francia verdankt seinen schlechten Ruf vor allem Charles Darwins Berichten, der 1843 Paraguay bereiste. Heute wird der Diktator unterschiedlich bewertet, einerseits wird er als Bewahrer der Unabhängigkeit Paraguays und Beschützer der Guarani verehrt, andererseits wird sein blutiges Terrorregime zu recht als unmenschlich verabscheut. Basierend auf die Diktatur Doktor Francias schrieb der paraguayische Schriftsteller Augusto Roa Bastos den Roman „Yo, el Supremo“ (Ich, der Oberste).

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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Xanthippe - Luki - 12.06.2012, 15:52
Etwas Bilder - Luki - 22.06.2012, 19:39
RE: Etwas Bilder - Maxdorfer - 22.06.2012, 20:43
Etwas Bilder - Luki - 22.06.2012, 21:31
RE: Etwas Bilder - Harald - 23.06.2012, 12:07
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