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Der Absolutismus - Die Staatsform die es nie gab?
26.10.2013, 01:35
Beitrag: #3
RE: Der Absolutismus - Die Staatsform die es nie gab?
Ich denke, es ist richtig, dass Absolutismus eine Staatsform ist, „die von der Regierung eines aus eigener Machtvollkommenheit handelnden Herrschers ohne politische Mitwirkung ständischer oder demokratischer Institutionen bestimmt war". (Zitat Wikipedia)

Natürlich darf man sich keinen Herrscher vorstellen, der auf seinem Thron sitzt, und sich über alle anfallenden Probleme Gedanken macht, Lösungen entwickelt und diese dann auch umsetzen lässt. Jeder Monarch hatte einflussreiche Berater und es gab einen Hof, in dem eine komplizierte Machtbalance zwischen den Höflingsgruppen bestand. Diese Höflingsgruppen bekämpften sich oft erbittert und standen oft hinter Günstlingen oder Mätressen des jeweiligen Herrschers. Nicht selten war, dass statt des Herrschers oder der Herrscherin ein Verwandter oder ein leitender Minister die Regierung ausführte. Das ändert aber nichts am System. Mangelnde staatsmännische Fähigkeiten der Herrscher oder ihrer Regenten waren jedoch die Achillesfersen des Systems. Man denke nur an Ludwig XVI. von Frankreich, Gustav III. von Schweden oder an den sächsischen Minister Brühl.

Besondere Merkmale der absolutistischen Regierung sind u.a., dass es einen zentralen Hof gab, dass der Einfluss von Ständevertretungen und lokaler Institutionen eingeschränkt oder beseitigt wurde, dass eine dem Herrscher untergeordnete Staatsreligion bestand bzw. angestrebt wurde, dass ein stehendes Heer aufgebaut wurde bzw. bestand und dass Bürgerliche mit Regierungs- und Verwaltungsaufgaben beauftragt wurden. In Frankreich spricht man direkt vom Robenadel, der im 17. Jahrhundert als Gegengewicht zum Schwertadel entstand. Der Name „Robenadel“ entstand, weil diese Schicht die Parlamente beherrschte. Diese Parlamente waren öffentliche Gerichte, in denen hauptsächlich Eigentums- und Erbstreitereien abgewickelt worden. Wenn man will, kann man diesen Robenadel mit den Beamtentum Preußens und anderer deutscher Länder vergleichen (aber nicht gleich setzen).

Ein weiteres Merkmal des Absolutismus ist die Förderung kapitalistischer Kräfte in einer staatlich gelenkten Wirtschaft. Der Staat investierte z.B. in die Erschließung/Neuerschließung von Boden/Ländereien und im Straßen- oder Kanalbau. Ob es sich bei dem Merkantilismus und dem Kameralismus um zwei verschiedene Systeme oder nur um zwei Varianten eines Systems handelt, möchte ich jetzt nicht weiter ausführen. Fakt ist, dass der Staat Kaufleute/Bankiers und/oder Manufakturen gezielt förderte. Es entstanden auch Institutionen, die man als Vorläufer von Zentralbanken oder Börsen bezeichnen kann. Ebenso verteilte der Staat Monopole (oder Oligopole), in denen bestimmte Produzenten gefördert wurden (z.B. in Sachsen die Porzellanindustrie). Ludwig XIV. bzw. Colbert förderten z.B. die Brauer im Elsass, denen der französische Markt „zu Füßen“ gelegt wurde, so dass in der Folge ein pro-französisches elsässisches Unternehmertum entstand. Die Marken „Kronenbourg“ oder „1664“ erinnern noch heute daran. Kurz gesagt: Die Wirtschaftsförderung galt einerseits den inländischen Produzenten, andererseits dem Außenhandel.

In der Spätphase des Absolutismus bzw. im aufgeklärten Absolutismus bemühten sich die Herrscher um die Bildung des Volkes. In dieser Zeit fallen Regelungen zur Schulbildung oder die umstrittene Förderung einer einheitlichen Staats- oder Hochsprache. Der Versuch Josephs II., die deutsche Sprache als einzige Staatssprache einzuführen, führte zu nicht gelösten Problemen mit den nationalen Minderheiten der k. k. Monarchie. Und um wieder zu Frankreich zurückzukehren, viele führende französische Revolutionäre waren Absolventen von staatlichen Eliteschulen, wie z.B. Danton, Robespierre oder Desmoulins. Robespierre und Desmoulins kannten sich bereits seit ihren gemeinsamen Besuch des Lyzeums "Louis le Grand" in den 1770er Jahren. Napoleon Bonaparte konnte auf einer staatlich geförderten Militärakademie studieren, seine Brüder Joseph und Lucien besuchten ebenfalls staatliche Eliteschulen.

Ich finde, dass der Begriff „Absolutismus“ zutreffend ist, da der Begriff „Zentralismus“ belegt ist und der Begriff „Diktatur“ nicht zutreffend wäre. Absolutistische Tendenzen waren meiner Meinung in allen europäischen Staaten des 17. und 18. Jahrhundert zu erkennen. Der „klassische“ Absolutismus entstand in Frankreich, setzte sich aber auch in den deutschen Territorialstaaten, den Habsburger Ländern, Spanien, Portugal, in den italienischen Staaten, in Russland oder in anderen Staaten durch.

Dagegen scheiterte Karl I. von England mit dieser Staatsform bereits 1640/41, Kaiser Ferdinand II. konnte das Restitutionsedikt von 1629 nicht im Reich durchsetzen und in Schweden wird die so genannte Freiheitszeit von 1719 bis 1772 nicht dem Absolutismus zugerechnet. Dagegen setzte sich infolge des „Liberum Veto“ in Polen kein Absolutismus durch. Dies ist auch eine, aber nicht die einzige Ursache des Zerfalls dieses Staates zum Ende des 18. Jahrhunderts.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Der Absolutismus - Die Staatsform die es nie gab? - Sansavoir - 26.10.2013 01:35

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