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Handelsrouten in und um Rom:
22.10.2012, 10:06
Beitrag: #6
RE: Handelsrouten in und um Rom:
4. Ablauf und Wesen des Handels

Wie bereits erwähnt, diente der Fernhandel hauptsächlich dazu, erstens große Städte wie Karthargo, Alexandria, Ephesos oder Antiochia – und natürlich Rom –, zweitens die Grundbesitzer auf ihren Domänen und drittens Gebiete, in denen viel Militär stand, aber wenig Landwirtschaft betrieben wurde, zu versorgen. Besonders erstere und letztere hatten nun einmal naturgemäß an sich, dass sie wenig Nahrungsmittel produzierten, dafür viele Produkte, die auf dem Land nicht hergestellt wurden.
Die Schiffe, die die Römer für ihre Getreideversorgung nutzten, waren so gigantisch wie erst wieder die Handelsschiffe des 15. Jahrhunderts. Bis zum Beginn der industriellen Revolution war das Handelsaufkommen in und um Rom im gesamten Mittelmeerraum unübertroffen. Ein eindrucksvolles Zeichen dafür ist der Scherbenhaufen, der Müllberg der Stadt, der schon bald landschaftsgestaltende Formen annahm und Monte Testaccio genannt wurde. Der zwischen der Herrschaft des Kaisers Augustus (30 v. – 14 n. Chr.) und dem Jahr 255 benutzte Hügel besteht aus mehr als 50 Millionen Amphoren! Dass es sich nicht nur um Luxusgüter handelte, wird dabei klar: Es waren auch Fertigprodukte, so sind mehr als drei Viertel der Amphoren solche, die Öl aus Spanien transportierten. Und der Konsum der Hauptstadt ging ja weit über die staatlichen Lebensmittelverteilungen und damit den offiziellen Handel hinaus. Es wird vermutet, dass reiche Aristokraten aus Italien oder den eroberten Provinzen die Erzeugnisse ihrer Landgüter auf eigene Kosten nach Rom bringen ließen und sie dort zur Versorgung ihrer selbst und der Familie, aber auch zur Ausrichtung der luxuriösen Gastmähler und zur Verteilung an ihre Klienten nutzten. Nur der verbleibende Rest sei auf den Markt gekommen. Das einzige Problem an der These ist, dass es nicht mehr ist als eine These. In dem Maße, wie sich die Provinzen urbanisierten, romanisierten und somit auch emanzipierten, wurden sie immer mehr in den Handel mit einbezogen. Der Kleinhandel kann hier nicht wirklich behandelt werden, da er weder große archäologische Zeugnisse noch schriftlich zu fixierende Daten oder Beschreibungen mit sich brachte.
Die geäußerte These, die Hauptachse des Güterverkehrs habe sich im 2. Jahrhundert nach Christus von einer sternförmigen auf Rom hin zu einer langgestreckten parallel zur Nordgrenze des Reiches zwischen Gallien und Pannonien entwickelt, ist auch falsch. Es ist zwar richtig, dass ein solcher Handel vermehrt stattfand: Britanniens einzige Möglichkeit zum Handel war sowieso der Austausch mit Gallien, gleiches galt für Germanien. Gallische Händler wiederum zogen meistens nicht weiter, aber immerhin bis Pannonien. Die Donauprovinzen hatten auch einen regen Innenhandel, der die Waren bis zum schwarzen Meer bringen konnte. Dort begann wiederum die Gegend, in der die griechischen und kleinasiatischen Händler Produkte auf- und verkauften, und diese kamen bis Ägypten, Syrien oder Afrika. So konnte sich eine Achse quer durch das Imperium bilden. Aber gleichzeitig und verstärkt richtete sich eben auch der Handel auf die größte Stadt des Reiches, Rom, aus. Eine Bemerkung wert ist noch die Tatsache, dass sich die Achse an der Nordgrenze hauptsächlich durch Handel mit Keramik, Glas, Textilien bildete, während der Mittelmeerhandel um Rom mit den Erzeugnissen der dortigen Provinzen, Getreide, Öl, Wein, Fischsauce und Marmor aufwartete. Als dritter Punkt kommt noch der Güterverkehr mit kostbaren kunsthandwerklichen und anderen orientalischen Produkten hinzu, der von der Ostgrenze des Reiches in alle Richtungen, besonders aber natürlich nach Rom führte. Dieses selber hatte nur einen kleinen Tiberhafen, während die großen Häfen in Puteoli und später in Ostia lagen. Dort wurden die Waren entweder über Land oder mit kleinen Flussschiffen nach Rom gebracht. Da man auf diesen Strecken kleinere Gefährte benutzte und somit weniger transportierte, dürfte es sich um einen beträchtlichen Berufszweig gehandelt haben.
Über das ganze Meer führten „Schiffsstraßen“, also viel benutzte Strecken auf dem Meer, nach Rom. Gewisse unwirtliche Gebiete wurden gemieden, andere bevorzugt – besonders, wenn sich auf ihnen Inseln wie Malta, Sizilien bzw. Kreta oder andere Dinge lagen. Zudem wurden die Waren aus Spanien und Gallien über die dortigen Flüsse ans Mittelmeer und dann die Küste entlang nach Italien verschifft. Die Geschichtsschreiber der Antike verachteten meistens die Händler, die sich bereicherten, „ohne dafür zu arbeiten“. Nur der Großhandel, in dem sie meist selbst nicht unerheblich tätig waren, wurde akzeptiert, denn die Schiffe brachten Neuigkeiten, versorgten die Stadt Rom und jede andere Ortschaft und waren sehr welterfahren. Aber dies ändert nichts an der Überzeugung der heutigen Historiker, dass der Handel ein wichtiger Wirtschaftsfaktor des römischen Reiches war.
Schließlich noch ein paar abschließende Worte zum Umfang des Außenhandels: Der Handel mit den Germanen wird oft überschätzt, nicht selten bewegte er sich auf lokaler oder regionaler Ebene. Besonders der Bernsteinhandel war weniger ausgeprägt als oft vermutet. Doch trotzdem gab es ihn – und beide Seiten profitierten davon. Ausgeprägter war der Orienthandel, da die Römer dort auf ihnen in einigen Dingen überlegene Kulturen trafen. Die Angabe von Plinius, dass Rom alljährlich 100 Millionen Sesterzen im Osten lasse, ist allerdings mit Vorsicht zu genießen: Woher will er die Daten haben? Im Allgemeinen dominierte der Innenhandel, doch die Produkte, die es eben nur auswärts gab, wurden eingeführt: Blonde Haare, wilde Tiere, mystischer Bernstein, Seide, Gewürze etc. Immerhin gab es einige römisch geprägte und mit Produkten aus dem ganzen Reich versorgte Städte, zum Teil bis in Indien.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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