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Zünfte, Innungen und Ordnungen
25.05.2013, 09:34
Beitrag: #3
RE: Zünfte, Innungen und Ordnungen
(24.05.2013 19:31)Uta schrieb:  Was auffällt ist das massenhafte Entstehen der Zünfte und Innungen und damit verbunden natürlich die Handwerksordnungen, fast alle im Zeitraum zwischen dem 14. und spätestens 16.Jh.

Wobei die ersten Zünfte durchaus schon im 12. Jahrhundert entstanden, zum Beispiel die
Wormser Fischhändler 1106
Würzburger Schuhmacher 1128
Kölner Bettziechen-(Bettbezug-)weber 1149
Magdeburger Schuster 1152
Mainzer Tuchmacher 1175
Kölner Drechsler 1179/1182
Magdeburger Schilderer 1197
... um nur einige zu nennen.

(24.05.2013 19:31)Uta schrieb:  Die Vorteile, die Zünfte und Innungen den einzelnen Handwerkern boten, liegen klar auf der Hand, nur so ließen sich Preise, Konkurrenzsituation und Absatzmärkte stabil halten.
Auch damit verbunden, die Einführung einer strikt reglementierten Ausbildung über Lehr-, Gesellen-, Wander- und Mutjahre bis hin zur Meisterprüfung, auch das gibt den Handwerkern die Möglichkeit, ihren eigenen Markt auch hinsichtlich der Anzahl der Konkurrenten aber auch der Qualität der eigenen Produkte zu steuern.

Also absolut pfiffig, das Ganze.

Stimmt. Einerseits natürlich eine gute Sache für die Handwerker, andererseits sorgte es auch für eine gewisse gesicherte Qualität und einen guten Preis (andererseits wurde dieser vom Stadtherren durchgesetzt).
Allerdings war es natürlich trotz allem Kartell, konnte durchaus belastend und schikanös sein, wie es der Suebe erläutert hat.

(24.05.2013 19:31)Uta schrieb:  Frage: Kennen wir ähnliche zünftische Organisationen und bindende Handwerkerordnungen aus dem Spätmittelalter außerhalb Europas? Würde mich echt interessieren.

Ich kenne mich mit der außereuropäischen Geschichte leider nicht so aus, habe aber dies hier gefunden:
"Das hoch differenzierte Expertenwissen der Bauhandwerker im Mittelalter wurde damit nicht länger nur innerfamiliär weitergegeben, sondern durch die Institution der Zunft kollektiv geteilt, weiterentwickelt und in seiner Überlieferung gesichert. Praks Vergleich mit dem Bauhandwerk in Byzanz und China zeigte, dass auch bei den dortigen Großbauprojekten Zünfte ähnliche Funktionen übernommen haben, auch wenn im Vergleich zu Europa ihre Organisationsform und ihre gesellschaftliche Stellung unterschiedlich waren."

Aus: Uni.Kon (Zeitschrift der Universität Konstanz), Ausgabe 32 (online unter http://www.alumni.uni-konstanz.de/home/uni-kon/), Seite 22 (im pdf-Dokument Seite 24)

Das wäre zumindest ein Punkt, an dem man mit weiteren Nachforschungen ansetzen könnte.

(24.05.2013 19:31)Uta schrieb:  Ein anderer Punkt ist die Reglementierung der Frauenarbeit innerhalb der Handwerkerordnung.
Kaum eine Ordnung lässt es aus, dem "Weibsvolk" die Ausübung des "Lehrberufes" zu untersagen. Wenige Handwerke machen für Meisterwitwen eine Ausnahme. Sie (und nur sie) dürfen den Betrieb des verstorbenen Mannes weiterführen.
In vielen Handwerken war es aber notwendig, dass sowohl die Meisterfrauen als auch deren Töchter aktiv mitgearbeitet hatten, natürlich nur als Handlanger, höchstens noch im Verkauf der eigenen Produkte - sofern dies gestattet war.
Warum dieser konsequente Ausschluss von qualifizierter Arbeit? Das "Schonen des schwachen Geschlechts" konnte es nicht sein, denn laut den Zunftordnungen der Steinhauer und Maurer sollten vornehmlich die Frauen die Ziegel und den Kalk schleppen.

Ich vermute dahinter jedoch gar nicht mal hauptsächlich frauenfeindliche/patriarchalische Motive. Primär wird es darum gegangen sein, den Mitgliedern der Zunft ihre Arbeit zu erhalten. Es war ja auch extrem schwierig in eine Zunft aufgenommen zu werden, weil die Zunftherren auf jeden Fall sicherstellen wollten, dass jedes einzelne Mitglied der Zunft ausreichend Arbeit und damit ausreichend Einkommen hat.
Besonders im späten Mittelalter musste man, um in eine Zunft aufgenommen zu werden, ehrlich, frei und ehelich geboren sein, einen guten Ruf haben und teilweise auch deutscher Abstammung sein. Hinzu kam ein teures Meisterstück und die Finanzierung eines Mahls für alle Meister der Zunft. Das war nicht für jeden.
Und ich vermute, primär wurden die Frauen aus diesem Grund ausgeschlossen, denn schließlich durften ja Witwen von Handwerksmeistern den Meisterrang weiterführen, das wurde ihnen also zugestanden. Sekundär haben natürlich auch frauenfeindliche Gründe vielleicht eine Rolle gespielt. Das entsprach ja einfach dem Weltbild der Zeit.

Hierbei ist anzumerken, dass im Bürgertum Frauen noch eine außerordentlich hohe Stellung innehatten.
Bauersfrauen mussten durchgängig für das Überleben der Familie arbeiten - die Bauern selbst hatten auch gar keine Ränge, Möglichkeiten oder Rechte, die sie den Frauen hätten vorenthalten können. In den Klerus kamen Frauen erst recht nicht, und im Adel beschränkten sich ihre Befugnisse auf huldvolles Lächeln bei Turnieren, von Minnesängern besungen werden und die Heirat gegen ihren Willen. Das war sicherlich auch kein schönes Leben.
Die Handwerkerfrauen und ganz besonders die Händlerfrauen hatten hingegen eine höhere Stellung.
Dazu vielleicht im Laufe des Wochenendes noch einiges von meiner Seite.

Bezüglich der Gesellen muss ich mich heute noch etwas in die Bücher einlesen. Dann kommt auch dazu noch etwas.

Meine Hauptquelle für diesen Beitrag und besonders für die Liste früher Handwerkszünfte:
Evamaria Engel: Die deutsche Stadt im Mittelalter. Mein Expemplar ist die Ausgabe im Patmos Verlag Düsseldorf 2005. Zu den frühen Zünften siehe S. 154.
(ein sehr empfehlenswertes und interessantes Buch, gerade zu diesem Thema.)

VG
Der Maxdorfer

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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Zünfte, Innungen und Ordnungen - Uta - 24.05.2013, 19:31
RE: Zünfte, Innungen und Ordnungen - Maxdorfer - 25.05.2013 09:34

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