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Phryger = Seevölker in Anatolien?
28.03.2013, 05:27
Beitrag: #34
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(26.03.2013 15:37)913Chris schrieb:  War es auch; ich hab mich wohl missverständlich ausgedrückt.
Es kann auch gar nicht anders gewesen sein, als dass es schon vor den Seevölkern - und eventuell sogar als Auslöser auch der Seevölkerwanderung - einen wirtschaftlichen Zusammenbruch im gesamten Nahen Osten gegeben hat; eventuell bestärkt durch natürliche Missgunstfaktoren, aber hauptsächlich wohl wirtschaftlich begründet und im Gefolge dessen dann auch außenpolitisch bedeutsam (siehe Trojakrieg).

Ich halte den wirtschaftlichen Zusammenbruch der um 1200 v. Chr. im östlichen Mittelmeerraum und im Vorderen Orient vorherrschenden Palastwirtschaft als zentrales Ereignis dieser Zeit. Die Palastwirtschaft war eine zentralistische Wirtschaftsform, im Palast erfolgte eine zentrale Lenkung und Koordination von bereits arbeitsteiligen Gesellschaften. Der Palast diente als Wohnstätte des Königs und seiner Administration, er fungierte außerdem als Lager für Güter und im Palast befanden sich Werkstätten, in denen Handwerker für den Bedarf des Palastes arbeiteten. Der Palast regulierte das Verteilen von Gütern, das Einfordern von Abgaben und er steuerte den Fernhandel, der wohl das gemeinsame Band der verschiedenen Gesellschaften gewesen war. Dieses System hatte sich etwa um 1600/1500 v. Chr. in Griechenland und im östlichen Mittelmeer durchgesetzt.

Aufgrund des Zentralismus der Wirtschaft hatte dieses System (auf Dauer) nur einen begrenzten Spielraum. Fehlentscheidungen des Palasts, Niederlagen in Kriegen oder Naturkatastrophen konnten die Existenz dieser Gesellschaften schnell gefährden. So ist es vorstellbar, dass militärische Aktionen von Einwanderern (z.B. Proto-Illyrer, Dorier) zum raschen Zusammenbruch von bereits vorher von inneren Krisen gezeichneten Gesellschaften führten. Dass die mykenische Kultur noch bis 1050 v. Chr. weiter bestand, bedeutet ja nicht, dass um 1200 kein wirtschaftlicher Zusammenbruch stattfand. Eventuell gelang es einer neuen Führungsschicht, eine verbesserte Form der Palastwirtschaft für 150 Jahre zu etablieren.

Kann es nicht sein, dass zumindest ein Teil der „Seevölker“ sich aus der Bevölkerung der untergegangenen Gesellschaften rekrutiert hat? Oder die "Seevölker" aus einer Verbindung von Einwanderern und ursprünglicher Bevölkerung hervorgegangen sind? Das würde bedeuten, dass Teile einer sesshaften Bevölkerung sich entschieden haben, als Nomaden bzw. Seenomaden zu leben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der relativ zeitgleiche Untergang von Handelszentren wie Troja und Ugarit nicht nur in der gleichen Ursache begründet, sondern auch auf die gleichen Verursacher zurückzuführen ist.

(28.03.2013 00:21)Bunbury schrieb:  Warum also sollen ausgerechnet die Berichte über die Seevölker in Ägypten akkurate Tatsachen gewesen sein? Ist es wirklich gerechtfertigt, alles, was um 1200 v., Chr. im östlichen Mittelmeer passierte, mit den "Seevölkern" in verbindung zu bringen aufgrund einer ägyptischen Tempelinschrift, deren Wahrheitsgehalt dann doch eher zweifelhaft ist?

Der Begriff „Seevölker“ kann durchaus eine propagandistische Erfindung der Ägypter sein. Das bedeutet natürlich nicht, dass die beschriebenen Ereignisse der Ägypter nicht stimmen.
Was spricht dagegen, dass sich die „Seevölker“ aus einer Bevölkerung gebildet haben, die nach dem Zusammenbruch ihre Sesshaftigkeit aufgegeben hat und seitdem als Seenomaden von Piraterie lebte. Immerhin klingt es doch besser, dass Ramses III. 1177 statt Piraten „Seevölker“ besiegt hat. Vielleicht wollte Ramses III. ganz bewusst die sicher erkannte soziale Komponente nicht unter seinen Untertanen verbreiten.

(28.03.2013 00:21)Bunbury schrieb:  Es hat Bewegungen in der Ägäis gegeben, das ist sicher. es sind auch Völker aus dem Norden nachgekommen, das läßt sich archäologisch nachweisen. Sind sie aber vor- oder erst nach dem Kulturumbruch gekommen?

Vorstellbar: Zuerst kamen Einwanderer (Illyrien, Balkan, Thrakien), deren Ankunft zum Zusammenbruch des bereits kränkelnden Systems der Palastwirtschaft führte. Teile der einheimischen Bevölkerung geben ihre Sesshaftigkeit auf und bilden entweder mit den Einwanderern oder in völligen neuen Verbänden ein mobiles „Volk“. Diese „Völker“ werden Seenomaden, die im östlichen Mittelmeer vor allem von der Piraterie leben. Die verlassenen Gebiete locken neue Einwanderer an, von denen ein sich in Griechenland oder Anatolien ansiedelte, ein anderer Teil (als Seenomade?) weiter zog.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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