Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 1 Bewertungen - 5 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Evangelischer Kaiser des HRR?
21.05.2016, 20:36
Beitrag: #8
RE: Evangelischer Kaiser des HRR?
Hi Maxendorfer,

ein sehr interessanter Artikel, allerdings sind mir ein paar Punkte aufgefallen, die zu diskutieren wären.

(22.07.2012 18:38)Maxdorfer schrieb:  Es war ja nicht so, dass in der frühen Neuzeit der römisch-deutsche Kaisertitel so ohne weiteres dynastisch weitervererbt wurde.
Nein, seit der "Goldenen Bulle" Karls IV. wählten die sieben Kurfürsten nach dem Tod eines alten Kaisers dessen Nachfolger.

Die Erhebung und Krönung des römisch-deutschen Königs zum Kaiser war bis ins 16. Jahrhundert an die ausdrückliche Zustimmung des Papstes gebunden und setzte voraus, dass dieser zuvor röm.-dt. König geworden war. (Einzige Ausnahme ist König / Kaiser Ludwig IV. der Bayer, der sich zunächst unter Ausschluss des Papstes zum Kaiser krönen ließ.)

Kaiser Ferdinand I. war der erste Kaiser, der diese Würde ohne päpstliche Genehmigung besaß und bei dem das von den übrigen Reichsfürsten akzeptiert wurde.
(Zum Vergleich: König / Kaiser Maximilian I. nahm den Kaisertitel ohne Krönung durch Papst an, aber mit dessen ausdrücklicher Zustimmung. Von den Kurfürsten wurde diese Regelung keineswegs anerkannt, wie der Umstand zeigt, dass es ihm nicht möglich war, seinen Enkel, den späteren König / Kaiser Karl V. noch zu seinen Lebzeiten zum röm.-dt. König krönen zu lassen, was dem Haus Österreich eine der kostspieligsten Wahlkämpfe erspart hätte.)

Was die Wahl des röm.-dt. Königs durch die Kurfürsten betrifft, so war dies nicht erst seit der Goldenen Bulle der Fall. Der röm.-dt. König des ostfränkischen Reiches wurde von Anfang an von den Stammesfürsten und später von den Reichsfürsten gewählt. Selbst wenn der Sohn auf den Vater folgte, was bei den Dynastien der Ottonen, Salier und Staufer gewöhnlich der Fall war, geschah dies mit Zustimmung bzw. durch Wahl der Reichsfürsten. Die Eingrenzung der wahlberechtigten Fürsten auf die sieben Kurfürsten und ihre Territorien sind bereits im 13. Jahrhundert nachgewiesen. (Die Goldene Bulle bestätigte also letztlich nur einen bestehenden Statusquo und schuf Voraussetzungen, um einige unerfreuliche Wahlprobleme, die sich bei Königswahlen im 14. Jahrhundert ergeben hatten, für die Zukunft zu verhindern.)

------------
(22.07.2012 18:38)Maxdorfer schrieb:  Dieser Friedrich wurde auch vom Papst Leo X. unterstützt, der aus eigennützigen Gründen
keinen der beiden mächtigsten Thronkandidaten Franz I. von Frankreich und Karl I. von Aragonien und Burgund unterstützen wollte.

Zudem wollten diese zwei Ausländer unbedingt Kaiser werden,
sie hatten jede Menge Bestechungsgelder bereitgelegt und auch schon ein bisschen ausgegeben:
Franz hatte den Erzbischof von Trier gekauft, Karl den König von Böhmen.

Ob die Bezeichnung "Ausländer" für den französischen König Franz I. und den "spanischen" König Karl I. wirklich zutrifft, wäre zu diskutieren. Karl I. war nicht nur der Enkel seines Vorgängers, sondern er war ein Reichsfürst. (So gesehen wäre eigentlich bereits König / Kaiser Siegmund ein "Ausländer" gewesen, war er doch zum Zeitpunkt seiner Wahl de jure kein Reichsfürst, sondern nur der ungarische König. Ähnliches würde auch für die Könige Alfons von Kastilien und Richard von Cornwall im Interregnum gelten, die zwar mit den Staufern bzw. den Welfen verwandt waren, aber keine Reichsfürsten.)

------------

Abgesehen davon, welche Rolle der Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen gespielt hat, wäre wahrscheinlich auch abzuklären, inwieweit die Wahl von Karl I. von Österreich (später König / Kaiser Karl V.) von Fakten beeinflusst wurde, die gegenüber den Königswahlen im 14. und 15. Jahrhundert entstanden waren. Was hatte sich seit der Wahl eines Rudolfs I. oder Karl IV. verändert?

Von Handsalben erfahren wir z. B. auch schon bei früheren Wahlen, so wird heute davon ausgegangen, dass dies der Grund war, warum nach der Doppelwahl von Ludwig dem Bayern und Friedrich dem Schönen keiner der beiden es sich leisten konnte, die Wahl zugunsten des anderen abzulehnen: "Prestige- und Kostengründe".

Ebenso erfahren wir auch von Wahlversprechen, die gegeben wurden, um die Kurstimme zu erhalten und davon, dass Kurfürsten unter einem Vorwand von der Wahl ausgeschlossen wurden.

Rudolf I. wiederum dürfte vier Kurstimmen dadurch gekriegt haben, in dem er zwei Töchter mit deren Familien verheiratete, wobei diese beiden Ehen für ihn auch ohne Kurstimmen sehr attraktiv gewesen sein dürften, war er doch zum Zeitpunkt seiner Wahl nur Graf und gehörte als solcher nicht den Reichsfürstenstand an.

Was den französischen und den englischen König als Wahlkandidaten betrifft, so hat dabei sicher eine wesentliche Rolle gespielt, dass beide nach der Beendigung des Hundertjährigen Krieges bzw. der Rosenkriege in ihren eigenen Herrschaftsgebieten eine sichere Position aufgebaut hatten, was ihnen die Möglichkeit gab, auch in der "international-europäischen" Politik nun mitzumischen. Jedenfalls zeigt ihre Bewerbung, dass die Wahl des röm.-dt. Königs zu diesem Zeitpunkt keineswegs als eine reine Angelegenheit von "deutschen" Ländern angesehen wurde.

Die Entwicklung diesbezüglich lässt sich im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts beobachten. Was die Wahl von Maximilian I. zum dt.-röm. König betrifft, so wissen wir heute, dass der damalige König von Frankreich heimlich versucht hat, diese durch heimliche Kontaktaufnahme mit einigen der Kurfürsten zu verhindern. (Er trat zwar noch nicht selbst als Bewerber auf, versuchte aber auf die Wahl Einfluss zu nehmen.)

Ferner gibt es Hinweise, dass der ungarische König Matthias Corvinus, der immerhin offiziell den Titel eines böhmischen Königs führte und inzwischen Teile des böhmischen Königsreiches, wenn auch nicht das Stammland beherrschte (womit er formal ein Reichsfürst war) gerne zum röm.-dt. König gewählt worden wäre.

Herzog Karl der Kühne scheint ebenfalls an dieser Würde interessiert gewesen zu sein, auch wenn er bei den Verhandlungen in Trier sich letztlich mit der Erhebung eines seiner Länder zum Königreich durch Kaiser Friedrich III. begnügt hätte.

Eine weitere Rolle dürfte außerdem gerade der Wegfall des "Zwischenreiches" der Herzöge von Burgund und die "internationale" Verflechtung der "europäischen" Politik gespielt haben.

---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
RE: Evangelischer Kaiser des HRR? - Teresa C. - 21.05.2016 20:36

Möglicherweise verwandte Themen...
Thema: Verfasser Antworten: Ansichten: Letzter Beitrag
  Geheimcode Kaiser Karls V. entschlüsselt. Suebe 0 486 06.12.2022 18:01
Letzter Beitrag: Suebe

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds