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Napoleon (2023)
04.12.2023, 10:52
Beitrag: #1
Napoleon (2023)
Meine persönliche Meinung, nachdem ich den Film gesehen habe: Außer Spesen nichts gewesen.

(Da ich in den letzten Jahren nicht mehr im Kino war, kann ich natürlich nicht beurteilen, inwieweit so ein Film, dem entspricht, was inzwischen im Kino Standard ist.

ACHTUNG!
SPOILER!

Jede Szene ist musikalisch untermalt, wobei ich mich nach dem Sinn gefragt habe. (Sollte hier etwa Napoleons Leben als Oper in Szene gesetzt werden. Aber auch eine Oper benötigt eine Handlung.) Die Szenen hängen lose aneinander - eine innere Handlung, die sie zusammengehalten hätte, habe ich nicht entdeckt.

Die Schlachten bei Austerlitz und Waterloo sind mit Regen und Schnee jedenfalls stimmungsvoll choreographiert - mein Eindruck, das Einzige, was mir in diesem Film positiv aufgefallen ist. Akzeptabel ist vielleicht noch die Szene, wo die Hinrichtung von Marie Antoinette auf der Bühne nachgespielt wird.

Napoleon ist von Beginn an ein alter, abgehalfterter Mann. Der "jungenhafte" Charme, den Joaquin Phoenix nach einer Rezension versprüht, war für mich nicht zu entdecken. Dass dieser Mann immerhin seine Zeit geprägt hat und sich über Jahre an der Macht hielt, dass er immer wieder Menschen für sich eingenommen hat - unvorstellbar. (Anmerkung meinerseits: Ich gehöre nicht zu den Napoleon-Fans, aber dem "Napoleon", den Joaquin Phoenix spielt, nehme ich den Lebensweg des historischen Napoleon nicht ab: alt, abgehalftert, ständig im selben Outfit und geil auf Josephine. (Die wenigen Schlaglichter, wo er ein paar Konturen kriegt, wirken da nur aufgesetzt - Napoleon holt für Eugene den Säbel seines Vaters, Napoleon mit Paul Barras bei der Planung des Angriffes auf den Hafen von Toulon etc.)

Vermutlich wäre es glaubhafter gewesen, auch Josephine mit einer Schauspielerin, die etwa so alt wie Joaquin Phoenix ist, zu besetzen, dann hätte vielleicht die Chemie zwischen den beiden funktioniert. Zwar wird am Ende des Films durch den letzten Dialog Napoleons mit der verstorbenen Josephine der Eindruck vermittelt, sie wäre die gewesen, die sein Leben gelenkt hätte, bis sie ihn mit der Scheidung erlaubt hätte, alles selbst in die Hand zu nehmen und danach alles schief ging. Das wirkt aufgesetzt, da die Beziehung Napoleons und Josephines zuvor in unzähligen Szenen nur auf vulgäres "Vögeln" reduziert war, zum Teil sehr kindisch und mit primitiven Dialog: Beispiele dazu: Napoleon gibt tierische Laute von sich, ehe er mit Josephine unter dem Tisch verschwindet. Vor der Hochzeit: Napoleon und Josephine sitzen einander gegenüber. Er schaut auf ihre "gespreizten" Beine, sie fordert ihn anzüglich auf, nur nach unten zu sehen und meint, dass er nicht enttäuscht sein wird. Wenn beide Sex haben und das direkt gezeigt wird, wie in der Hochzeitsnacht, geht es schnell und Napoleon "reitet" Josephine stehend etc.).

Josephine sieht zwar hübsch aus und darf in den ersten Szenen sogar mit kurzen Haar, wenn gleich unfrisiert, herumlaufen, wo sie auch das rote Band um den Hals trägt. (Ob die historische Josephine bei einem Theaterbesuch ihr kurzes Haar wirklich so salopp getragen hätte? Ansonsten beschränkt sich ihr ganzes schauspielerisches Können aber darauf, ein stereotypes „Mona Lisa-Lächeln“ zu zeigen. In den Sexszenen mit Napoleon wirkt sie meistens passiv und unbeteiligt.

Die übrigen historischen Figuren haben gewöhnlich nur Auftritt, das heißt, sie kommen einmal vor und sind gleich wieder weg, sie sind auf ihre Namen reduziert und bleiben völlig profillos oder auf eine Funktion reduziert (so z. B. Josephines Tochter, Napoleons Mutter). Einige Figuren wie Paul Barras, Lucien Bonaparte oder der Zar haben zwar einen zweiten, Barras sogar mehr Auftritte, der Eindruck ist jedoch derselbe. Dass jedes Mal der Name eingeblendet wird, ist da nur notwendig. Richtige Beziehungen zwischen ihnen und Napoleon werden nicht aufgebaut. Unvorteilhaft fand ich außerdem, dass der Herzog von Wellington im Film wie der "Deus ex machina" beim Wiener Kongress plötzlich da ist, um Napoleon zu besiegen. Letztlich hätte es keinen Unterschied gemacht, die Nebenfiguren alle zu streichen und durch einen gesichtslosen Typ spielen zu lassen. (Wäre vermutlich nicht nur kostengünstiger, sondern etwas origineller gewesen.)

Der Film hat also ein Hauptdarstellerpaar, das nicht überzeugt oder wenigstens interessant ist. Es fehlen interessanten Figuren. Es gibt keine vernünftige Handlung. Die Dialoge sind meistens besonders dümmlich. Es fehlt eine Klammer, welche die lose Szenenfolge zusammengehalten hätte. (Warum haben die nicht einfach mit einer Rahmenhandlung gearbeitet - der alte Napoleon erinnert sich auf St. Helena an sein Leben, oder der alte Napoleon schreibt auf St. Helena seine Memoiren. So hätten die Filmemacher außerdem den als "Star des Films erwählten" Joaquin Phoenix plausibel in der Rolle des alten Napoleons einbauen können. Den Napoleon in der Handlung hätten sie dann mit einem Schauspieler besetzten können, der etwas jünger als die Josephine ist, das hätte zumindest mehr Sinn gemacht.)

Fazit: "Napoleon" (2013) ist ein Trailer oder Szenenverschnitt, der als Film ausgegeben wurde. Mag sein, dass geplant ist, dass der fertige Film erst als "Direktors Cut" in den Handel kommt.

Meine persönliche Meinung dazu: Wenn die für das Kino keine Filmfassung schneiden können, die die Bezeichnung Film verdient hat, dann sollten sie auf eine Kinofassung verzichten. Das wäre in diesem Fall dem Kinopublikum gegenüber fairer gewesen.

Reaktionen des anwesenden Publikums:
Zu Beginn wurde noch ein wenig gelacht, dann aber nur mehr geschwiegen und gedöst.

Was man auch immer von Napoleon hält, diesen Film hatte er wirklich nicht verdient; Josephine aber auch nicht.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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