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Sine ira et Studio - Geschichtsschreibung bei Tacitus.
04.12.2012, 22:10
Beitrag: #1
Sine ira et Studio - Geschichtsschreibung bei Tacitus.
Geschichte zu schreiben ist ein alter Hut. Und es ist sogar so alt, dass das im alten Rom schon der Fall war. Römische Geschichtsschreibung, so waren sich die römischen Historiker einig, sollten Lehrwerke für kommende Generationen sein. Kommende Generationen sollten als wie aus der Philosophie für das Leben lernen. Dabei wird der Begriff Exemplum benutzt, wie unschwer zu erkennen ist, das Beispiel.

Genaue Rangabfolge, genaue, präzise und bis ins kleinste Detail beschriebene Vorgänge sollten also nutzen, die Geschichte als Gebrauchtsanweisung zu verwenden. Dazu ist es notwendig neutral zu bleiben, um der Nachwelt ein Werk zu überlassen das genau dem entspricht wie es damals war (den Satz mal im Hinterkopf behalten W.S. Wink ).

Soweit die Theorie. Doch was uns römische Geschichtsschreiber überliefern ist nicht das, was wir als saubere Geschichtsschreibung kennen. Spitzzüngige und Spitzfederige Autoren der Antike schreiben in der Regel nicht aus dem Antrieb, den sie vorgeben - sie wollen für ihre Gegenwärtige Situation etwas in die Vergangenheit reflektieren um etwas für die Zukunft zu erreichen. Politisch angeheizte Schriften also.

Doch ist das was uns dann die römischen Historiker überliefert haben alles Markulatur? Wenn sie uns eine solche Reflexion voranbringen, verfälscht das nicht das Geschichtsbild das wir von römischer Geschichte haben? Wie kommen wir dann, wenn überhaupt auf die Wahrheit? Diese Fragen sind hochspannend. Nach den Fakten beginnt die Diskussion.

Lassen wir doch mal die Geschichte doch mal im Jahre 56. mit der Geburt Publius Cornelius Tacitus beginnen. Heute kennen wir ihn als genialen Schriftsteller des Pricipates und als Historiker besonderer Bedeutung für die Antike des ersten Jarhunderts. Tacitus enstammt aus einer alten Familie der Novilität und ist begeisterter Anhänger der römischen Republik, die er nur noch aus der Familientradion kennt. Aber als er aufwächst und heranreift, merkt er wohl, dass er nicht nur aus Familiengebundenheit sonder wohl am eigenen Leibe spürt, was geistige Freiheit bedeutet. Dazu später mehr.

Tacitus, aus eigenem Antrieb Geschichtschreiber, angelehnt an Sallust, den er offenbar gut gekannt und auch studiert hat, kann die Geschichtsschreiberei wohl auch seinen Lieblingsberuf nennen, so wie es Sallust einst getan hat. Aber seis drum.

Uns nimmt Tacitus mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Nein, nicht wie man vielleicht meinen könnte fängt er mitten in der Geschichte an. Er beginnt weit bevor der Principat erschaffen wird. Er beginnt mit der römischen Königszeit. Liest man über seine Annalen könnte man denken, dass eine Vorgeschichte wählt um den Einstieg für den Leser zu vereinfachen. Aber weit gefehlt. Er manipuliert den Leser (und den römischen noch viel mehr als uns) mit Begriffen die zwar eindeutig sind ( libertas = Freiheit moderatio = Mäßigung) aber immer konnotiert sind, und zwar positiv oder auch negativ. Und er erzielt bei einem römischen Leser gleich mit seinem ersten Satz einen Schock, an ein Trauma, das Rom nur schwer überwinden konnte und seit Gaius Caesar wieder mehr Schrecken verbreitete:

Zitat:Urbem Romam a principio reges habuere
Tacitus, Ann. 1.

Also, am Anfang da herrschten Könige. Das erste Grauen läuft dem Leser schon über dem Rücken. Doch das ist nicht alles. Er stellt sie gleich in Kontrast mit der libertas der republikanischen Freiheit. Und gleich wieder in Kontrast zur Diktatur. Er spielt jedoch nur auf Caesar an. Und dann auch auf Augustus. Aber nun wird es für unser Thema interessant:

Tacitus beklagt sich, dass die Rezeption der Kaiser eher verfälscht worden sind. Aus Angst zum Guten in der Lebenszeit der Kaiser, aus Hass und Insznierung zum Schlechten nach deren Tod. Es schimmert durch, von dem Pricipat, was Augustus 14. n. Chr. spätestens schuf, hält er nichts. Seine Vorrede, er würde ohne Parteilichkeit für und wieder schreiben verkommt zu einer geläufigen Formalie, zumal er die fadenscheinige Begründung gibt, dass er dazu keine Beweggründe habe.

Rhetorisch ist Tacitus ein Meister. Er führt den Leser durch die Zeit, die er schrecklich und als wahre Knechtschaft (Servitas) empfindet. Das sagt er in seinen Ausführungen durchaus deutlich. Und er bedient sich Stilmitteln, die ungewöhnlich sind, der Leser aber immer wieder darauf reinfällt. Das sind:

- Vage Behauptungen: Tacitus stellt einen Fakt dar. Und dann streut er Gerüchte in den Text ein, die immer einseitig gegen die Person laufen, gegen die er schreibt. Seine Leserführung gelingt deswegen, weil er durch das bewusste Streuen seiner Handlung immer einen "Beigeschmack" gibt. Vereinfacht nach dem Motto: "der hat ja schonmals... und da dann das Gerücht... wäre ja was wahres dran, wenn man denkt was da schonmals war...).

- Übertreibungen und Untertreibungen: In der Antike nichts neues... Aber Tacitus übertreibt so vornehm, dass man sie kaum wahrnimmt.

- Ausnutzen von Konnotationen: Er spielt mit den Wörtern und weiß, was er einem Leser anhand von Begriffen für Gefühle und Assoziationen hervorrufen kann.

- Bewusstes verbreiten von Unwahrheiten: in der Antike nicht neu. Nur Tacitus macht das so charmant, dass es in das Muster der Vagnis passt aber der Leser soll merken, dass ist eine Untermahlung und zwingt ihm einen Schluss auf.

___

Sine ira et studio. Ohne Zorn und Eifer. Ich würde behauten, Tacitus deutet auf die Warheit hin. Aber wir können uns nur hypothetisch der Warheit annähern. Tacitus legt uns einen Brocken vor, wo wir erst mal filtern sollten, was wir brauchen, um wie mit Ranke zu zeigen, wie es damals eigentlich gewesen.

Also die Fragen für die Diskussion nochmals:

Können wir als Geschichtsschreiber "ohne Zorn und Eifer schreiben"?
Was kann ein Historiker neutral halten und was nicht?
Was kann ein Historiker erreichen und was will er erreichen?
Machen die Fakten Tacitus eher zum Geschichtsschreiber oder Geschichtenschreiber?
Haben wir als Nachwelt einen Anspruch auf damalige Warheiten?

Weiter Fragen dazu gerne her.

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Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

"Im übrigen, mein Sohn, lass dich warnen! Es nimmt kein Ende mit dem vielem Bücherschreiben und viel studieren ermüdet den Leib!" Kohelet 12,12
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Sine ira et Studio - Geschichtsschreibung bei Tacitus. - WernerS - 04.12.2012 22:10

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