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Untergang Ostroms. Warum?
30.06.2013, 11:18
Beitrag: #53
RE: Untergang Ostroms. Warum?
Ich sehe das auch so, dass es wohl keine großen Chancen für einen Erfolg gegen die Osmanen durch ein Bündnis mit Serbien oder Bulgarien gab.
Diesbezüglich habe ich einige Informationen in einem sehr empfehlenswerten Buch gefunden, das gerade auf das außenpolitische Umfeld sehr gut und immer wieder eingeht:
Alain Ducellier: Byzanz. Das Reich und die Stadt. Campus Verlag Frankfurt a. M. 1990.

Zusammengefasst:
Serben wie Bulgaren waren hauptsächlich mit ihrer eigenen Expansion beschäftigt und kämpften nach 1261 immer wieder gegeneinander, aber auch gegen Byzanz. So sehr die byzantinische Kultur auch auf den Balkanraum ausstrahlte: Bulgaren und Byzantiner waren immer noch alte Feinde, die Serben währenddessen eine aufstrebende Macht, die sehr expansionswillig war. Stefan Uroš II. Milutin von Serbien eroberte von Byzanz Makedonien und Albanien und zwang Kaiser Andronikos II. zu langen und erniedrigenden Verhandlungen. „[F]ür Byzanz beginnt damit das Zurückweichen vor dem unaufhaltsamen Aufstieg Serbiens.“ (S. 398) Später mischen sich die Bulgaren und Serben immer wieder in die byzantinischen Bürgerkriege ein, wobei sie einfach die Situation nutzen und Land erobern. Die Vertreibung von Byzanz vom Balkan blieb das Endziel, und wenn sich eine der beiden dortigen Großmächte kurzzeitig mit Byzanz verbündete, so nur, um die jeweils andere zu besiegen.
Bezeichnend ist das Verhalten Stefan Dušans in einem der byzantinischen Machtkämpfe, bei dem ein Thronprätendent, Johannes VI., sogar die Osmanen als Verbündete akzeptierte, um die Herrschaft über Ostrom zu erlangen und den rechtmäßigen Thronerben Johannes V. zu besiegen: „Die Balkanmächte müssen fortan die türkischen Seldschuken und Osmanen, im Grunde Verbündete des [Johannes VI.] Kantakuzenos, in ihre Politik einbeziehen, was den Zar Stefan Dušan nicht daran hindert, aus den byzantinischen Streitigkeiten den größten Nutzen zu ziehen. Er verweigert dem Kaiser [Johannes VI.], der den serbischen Hof mit leeren Händen verlässt, jede militärische Unterstützung, um Byzanz und den griechischen Separatistenstaaten eigenhändig die letzten Besitzungen auf dem Balkan zu entreißen. Auf der anderen Seite des balkanischen Chersones nimmt Zar Ivan Alexander von Bulgarien, der die Regentschaft [Johannes V.] in Konstantinopel unterstützt, die Unterwerfung des Territoriums am oberen Hebros entgegen, das neben Philippupolis [sic!] unter anderem die Festungen Stenimachos, Tzepaina, Krytzimos und Peristica umfasst. Er verspricht im Gegenzug militärische Hilfe, die er jedoch nie schickt.“ (S. 406 f.)
Auch später kämpften die Serben wie auch die Bulgaren immer gegen die Osmanen, aber nie wirklich mit Byzanz zusammen und nutzen alle Chancen zur Machtausweitung, die sich ihnen bietet. Sie waren eine zu dynamische Nation, um durch Bündnisse ihren eigenen Expansionsdrang zu zügeln. Sie übernahmen zwar in dieser Zeit sogar byzantinische Ämter und Titel für ihr eigenes Staatssystem, aber an ein ernsthaftes politischer Zusammenarbeiten mit Ostrom war schon von ihrer Seite nicht zu denken.

Einen Versuch, dieses zu erreichen, gab es allerdings unter Andronikos II. Dieser „versuchte die militärische Schwäche durch ein umfassendes Bündnissystem auszugleichen, in das er Serben, Bulgaren und Osmanen einbezog, geriet so aber in starke Abhängigkeit von Genua.“ (Wikipedia). Allgemein seine Bündnispolitik nicht von Erfolg gekrönt. Byzanz war Leidtragender der Kämpfe zwischen Genua und Venedig, geriet in starke Abhängigkeit des Söldnerführers Roger de Flor – und die Osmanen waren sowieso nicht aufzuhalten. Auch Bulgarien und Serbien eroberten während seiner Regierungszeit immer weitere Gebiete auf dem Balkan und versuchten, die Position Ostroms zu schwächen. Der oben genannte Friedensvertrag fällt ebenfalls in seine Abhängigkeit.

Mein Fazit: Schlussendlich wurden alle Mächte – Byzanz, Serbien, Bulgarien – von den Osmanen besiegt, vielleicht auch deshalb, weil jeder für sich kämpfen wollte. Selbst wenn kurzfristige Bündnisse geschlossen wurden oder wenn mittelfristige Bündnisse geschlossen worden wären, hätte man vielleicht einzelne Siege über die Türken erlangen können, aber wohl auch dann nicht dauerhafte Stabilität erreicht. In dem komplizierten und aggressiven außenpolitischen Klima, das in dieser Region während der Palaiologenzeit herrschte, hätte Byzanz meiner Meinung nach nicht überleben können. Es gab zu viele Feinde.
Dynastische Verträge wären aber vielleicht theoretisch möglich gewesen. Also einfach, dass die vertragsschließenden Dynastien behaupten, bei inneren Machtkämpfen für die andere einzutreten. Gehalten hätten die aber wohl eher nicht, bei der erstmöglichen Gelegenheit hätten die Herrscher die Machtkämpfe im Gebiet des anderen zur Expansion ausgenutzt. Heiraten zwischen den Herrscherhäusern gab es natürlich auch zuweilen. Sie waren aber eher ein Zeichen der derzeitigen Stärke des einen als Indikatoren einer politischen Annäherung. Natürlich gingen sie auch zuweilen mit Bündnissen einher, aber wie viel diese galten, habe ich ja oben gezeigt.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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