Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 1 Bewertungen - 5 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
01.04.2013, 22:03
Beitrag: #1
Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
Bereits im Vorfeld der Französischen Revolution gab es im Heiligen Römischen Reich diverse Bestrebungen und Bewegungen, um aufklärerisches Gedankengut umzusetzen ,teilweise als Reform von oben ,teilweise als revolutionäre Bewegung von unten
In diesem thread sollen diese diversen lokalen und regionalen Aktivitäten beleuchtet werden.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
01.04.2013, 22:28
Beitrag: #2
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
Herausragend sind sicherlich in diesem Zusammenhang die Vorgänge in Mainz.

Der Mainzer Churfürst war ja Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches und somit zumindest de jure die administrative Spitze der Reichsregierung.
Am kurmainzischen Hof waren unter den Kurfürsten Johann Friedrich Karl von Ostein und Emmerich Joseph von Breidenbach-Bürresheim und deren Großhofmeister Anton Heinrich Friedrich Graf von Stadion , sowie auch unter ihrem Nachfolger Freidrich Karl von Erthal im Sinne der Aufklärung zahlreiche Reformen veranlasst worden.
Unter anderem wurde die Universität reformiert ,Klöster aufgelöst und enteignet und die Jesuiten des Landes verwiesen.
In diesem relativ liberalen Klima gründeten sich mehrere aufklärerische Geheime Gesellschaften ,so die Geheime Lesegesellschaft , die Freimaurerloge "Zu den drei Disteln" , verschiedene freimaurerisch beeinflusste Studentenorden und letzlich auch die Illuminaten. Mainz war mit ca. 50 Mitgliedern zu denen unter anderem der Koadjutor und spätere Erzbischof Karl Theodor von Dalberg gehörte neben München und Wien die Hochburg im Reich.
Lesegesellschaft und Feimaurer verkörperten dabei eher die Richtung ,die evolutionäre Veränderungen befürworteten , Studentenorden und Illuminaten bildeten die revolutionäre Strömung.
Diesen im Bildungsbürgertum,der Universität und Teilen der Churfürstlichen Beamtenschaft verankerten Bewegungen standen auf Seiten der Reaktion das Domkapitel,der größere Teil des Adels und der Klerus gegenüber.übrigens

Nach Verbot des Illuminaten-Ordens ,der in Mainz die Speerspitze der Aufklärung bildete, organisierten sich viele der führenden Illuminaten, aber auch Freimaurer und Angehörige der Universität wie Georg Forster im zunächst geheimen Jakobinerclub ,der auch wie ein Illuminatenorden organisiert war.
Nach der Eroberung von Mainz durch die Franzosen 1792 übernahmen Angehörige dieses Jacobinerclubs die Macht und riefen die "Mainzer Republik" aus, die 1703 im Feuer preußischer Kanonen .
Wen das Thema näher interessiert,der lese das hochinteressante Buch von Jörg Schweighard "Die Liebe zur Freiheit ruft uns an den Rhein" -Gernsbach 2005

Noch eine Bemerkung am Rande:
Diese Ereignisse führten dazu,dass von Seiten der reaktionären Kräfte und der Jesuiten die Verschwörungstheorie von der Weltherrschaft der Illuminaten und Freimaurer in die Welt gesetzt wurde.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
02.04.2013, 02:31
Beitrag: #3
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
Sozialreformerische und demokratische Ideen wurden während der Bauernkriege in einem größeren Umfang propagiert. So wurde ja die Schweitzer und friesische Republik gegründet. Die Selbstverwaltung der Städte basierten auch auf demokratischen Ideen, auch wenn sie nie lupenrein umgesetzt wurden. Der Gedanke die Selbstverwaltung von Städten auf größere Regionen auszudehnen ist ja nicht abwegig.

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Bauernkrieg

Die Idee der Demokratie hatte es ja spätestens seit der Antike eigentlich immer gegeben. Damit waren sicherlich grundsätzlich auch Gedanken der Chancengleichheit verbunden.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
02.04.2013, 20:06
Beitrag: #4
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
Hier mal vorab ein Literaturtipp:
Hellmut G. Haasis "Spuren der Besiegten" 3 Bände, nicht immer leicht zu lesen, aber sehr Quellen gesättigt.
Aus Wiki:
Zitat:Als dem antiautoritären Spektrum der politischen Linken zugehöriger Publizist, Verleger (Freiheitsbaum-Verlag) und Rundfunkautor hat sich Haasis schwerpunktmäßig der Erforschung der Geschichte der herrschaftskritischen und demokratischen Basisbewegungen von der Antike bis zur Gegenwart zugewandt, die er beispielsweise in seinem umfangreichsten Werk „Spuren der Besiegten“ (drei Bände) veröffentlichte.

OT:
Mein Reutlinger Landsmann Haasis war maßgeblich daran beteiligt, dass dem Hitlerattentäter Elser endlich die gebührende Aufmerksamkeit angetan wird.

TT:
Schön dass zaphod diesen 3nd aufgemacht hat. Da ist vieles zu entdecken, die deutsche Geschichte des 18.+19. Jahrhunderts wird bis dato immer noch von den "Leibdragoner-Historikern" dominiert.
Und die heutigen Historiker bemerken über die verfluchten 12 Jahre nicht mal mehr den 1.WK.
Also das könnte wirklich interessant werden.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
02.04.2013, 23:57
Beitrag: #5
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
Wobei nicht jeder Aufstand dem Fortschritt diente.Man denke nur an den Tiroler Aufstand unter Andreas Hofer, der sehr restaurative um nicht zu sagen reaktionäre Züge hatte.
Ähnlich problematisch ist auch die gesamte Befreiungskriegsthematik zu sehen.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
03.04.2013, 08:17
Beitrag: #6
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
(02.04.2013 23:57)zaphodB. schrieb:  Wobei nicht jeder Aufstand dem Fortschritt diente.Man denke nur an den Tiroler Aufstand unter Andreas Hofer, der sehr restaurative um nicht zu sagen reaktionäre Züge hatte.
Ähnlich problematisch ist auch die gesamte Befreiungskriegsthematik zu sehen.

Schon richtig.
Interessant ist auf jeden Fall aber, dass sich gegen den "Absolutismus" im 18. Jahrhundert, insbesondere gegen den der Duodez-Fürsten mancher Widerstand regte, der heute so ziemlich vergessen ist.

Wobei Wieland natürlich auch Recht hatte, im HRR gab es für die Bevölkerung eine gewisse Rechtssicherheit, die zB im vorrev. Frankreich fehlte.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
07.04.2013, 09:40
Beitrag: #7
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
(02.04.2013 23:57)zaphodB. schrieb:  Wobei nicht jeder Aufstand dem Fortschritt diente.Man denke nur an den Tiroler Aufstand unter Andreas Hofer, der sehr restaurative um nicht zu sagen reaktionäre Züge hatte.
Ähnlich problematisch ist auch die gesamte Befreiungskriegsthematik zu sehen.

Natürlich nicht. Aber wenn es schon reaktionär ist für seine Freiheit zu kämpfen und sich nicht dem "Fortschritt" der Zwangsaushebungen, Sondersteuern und ersatzlosen Requirierungen zu erwehren, na dann ....Confused
Was ist an den Befreiungskriegen problematisch zu sehen, wenn man sich Fremdbeherrschung entledigen wollte ? Das große Glück von knapp 6 Jahren Napoleon, hat Berlin fast auf das wirtschaftliche Niveau von den Zeiten des 30 Jährigen Krieg zurückgeworfen , genialer Fortschritt. Weil sie den Fortschritt niemals wiederhaben wollten, haben fast nur Landwehrregimenter , viele aus Berlin also bestimmt ganz große "Reaktionäre", den napoleonischen gut ausgebildeten Armeen vor Beelitz mal ganz klar die Kante gezeigt.
solon
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
10.04.2013, 00:24
Beitrag: #8
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
Nun,daß die Tiroler Freiheitskrieger damals schon sehr fundamentalistische Züge hatten ist , wenn man die Quellen studiert, unstreitig. Leute wie Haspinger waren klerikale Fanatiker vergleichbar mit dem ,was heute diese Taliban verkörpernund Hofer war nicht viel besser.Restriktive Kleiderordnungen,Tanzverbote Unterdrückung von Frauen,Ausschreitungen gegenüber den Juden in Innsbruck,Verbot der Pockenimpfung aus religiösen Gründen u.ä. war die Kehrseite der Nationalhelden.Der Rückhalt in den Städten und beim aufgeklärten Bürgertum war genau deshalb eher gering.
Zitat:Was ist an den Befreiungskriegen problematisch zu sehen, wenn man sich Fremdbeherrschung entledigen wollte ?
Nun,man hat die napoleonische Herrschaft die trotz allem mit bürgerlichen Grundfreiheiten,Gewerbefreiheit,einem modernen Rechts- und Verwaltungswesen, fortschrittlich war gegen die Restauration ,wenn auch abgemildert durch die Steinschen Reformen, eingetauscht.

Was die Lage Berlins betrifft,so lag dessen Niedergang im wesentlichen am Wegfall der bis dahin ausgebeuteten Provinzen,auf deren Kosten Berlin bis dahin gelebt hatte. Im Rheinland und in Polen haben wenige den Preußen eine Träne nachgeweint.Die Franzosenzeit wird dagegen a la longue eher positiv gesehen und das zu Recht, weil sie echte Veresserungen brachte. Problematisch an den Befreiungskriegen ist zu sehen, daß sie den reaktionären Kräften den Weg ebneten und daß die Kräfte,die die Befreiungskriege führten zum Teil auch reaktionär waren.
Und was die Fremdbeherrschung betrifft,war es vielen egal,ob sie nun von Frantosen oder Preußen fremdbeherrscht wurden,.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
10.04.2013, 13:59
Beitrag: #9
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
(07.04.2013 09:40)solon schrieb:  ./.
Weil sie den Fortschritt niemals wiederhaben wollten, haben fast nur Landwehrregimenter , viele aus Berlin also bestimmt ganz große "Reaktionäre", den napoleonischen gut ausgebildeten Armeen vor Beelitz mal ganz klar die Kante gezeigt.
solon

Die "gut ausgebildeten napoleonischen Armeen" hatte zu der Zeit längst Mütterchen Russland gefressen.
Die Frühjahrsgefechte des Jahres 1813 gingen unter dem Sammelbegriff Rekrutenschlachten in die Kriegsgeschichte ein.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
11.04.2013, 11:41
Beitrag: #10
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
(10.04.2013 00:24)zaphodB. schrieb:  Nun,daß die Tiroler Freiheitskrieger damals schon sehr fundamentalistische Züge hatten ist , wenn man die Quellen studiert, unstreitig. Leute wie Haspinger waren klerikale Fanatiker vergleichbar mit dem ,was heute diese Taliban verkörpernund Hofer war nicht viel besser.Restriktive Kleiderordnungen,Tanzverbote Unterdrückung von Frauen,Ausschreitungen gegenüber den Juden in Innsbruck,Verbot der Pockenimpfung aus religiösen Gründen u.ä. war die Kehrseite der Nationalhelden.Der Rückhalt in den Städten und beim aufgeklärten Bürgertum war genau deshalb eher gering.
Zitat:Was ist an den Befreiungskriegen problematisch zu sehen, wenn man sich Fremdbeherrschung entledigen wollte ?
Nun,man hat die napoleonische Herrschaft die trotz allem mit bürgerlichen Grundfreiheiten,Gewerbefreiheit,einem modernen Rechts- und Verwaltungswesen, fortschrittlich war gegen die Restauration ,wenn auch abgemildert durch die Steinschen Reformen, eingetauscht.

Was die Lage Berlins betrifft,so lag dessen Niedergang im wesentlichen am Wegfall der bis dahin ausgebeuteten Provinzen,auf deren Kosten Berlin bis dahin gelebt hatte. Im Rheinland und in Polen haben wenige den Preußen eine Träne nachgeweint.Die Franzosenzeit wird dagegen a la longue eher positiv gesehen und das zu Recht, weil sie echte Veresserungen brachte. Problematisch an den Befreiungskriegen ist zu sehen, daß sie den reaktionären Kräften den Weg ebneten und daß die Kräfte,die die Befreiungskriege führten zum Teil auch reaktionär waren.
Und was die Fremdbeherrschung betrifft,war es vielen egal,ob sie nun von Frantosen oder Preußen fremdbeherrscht wurden,.

Der Code Napoleon galt westlich des Rheins weiter.
Vermutlich 1848 der Grund, dass es eigentlich keine Revolution dort gab.
Außer eben in der Pfalz, was den Berichten nach wohl eine hauptsächlich "antibajuwarische Bewegung" war.

Aber noch über Jahrzehnte gab es zwischen dem westlichen "Neupreußen" und den östlichen Altgebieten Anpassungsschwierigkeiten.
Vom Kölner Adenauer soll der Spruch stammen, dass man besser 1814 den Preußen Sachsen gegeben hätte, und sie von Kölle fernhalten hätte sollen.

Bei der Pfalz fällt mir noch eines auf:
Der Breisgau, Freiburg, hat nach 1813 gelechzt und gekämpft, dass man wieder zu Österreich kommen solle.
Ähnliches ist in der Kurpfalz nicht, gar nicht zu finden. Man versuchte in Mannheim lediglich badische Residenz anstelle Karlsruhes zu werden. Dies auch Angesichts, dass Wittelsbach viel lieber die Pfalz östlich des Rheins, als die westlich des Rheins gehabt hätte.
Noch bis 1818 währten die Bemühungen Münchens, nicht zuletzt auf Grund des Desinteresses der Kurpfälzerischen Bevölkerung völlig chancenlos.
Man war offensichtlich froh die bayerischen Pfälzer oder pfälzischen Bayern mit ihrer tobsüchtigen Schuldenmacherei loszusein.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
11.04.2013, 20:54
Beitrag: #11
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
Das lag natürlich an der besonderen Situation dort.Die alte Kurpfalz war 1813 im Prinzip dreigeteilt in einen badischen,einen hessischen und einen bayrischen Teil und es war klar,daß sich an diesem Status auch mittelfristig nichts ändern lassen würde.
Andererseit war die linksrheinische Pfalz durch die Franzosen so reformiert wurden, daß man die bayrische Herrschaft zu Recht als Rückschritt empfand. Hinzu kam ,dass man den Wittelsbachern die Übersiedlung nach München durchaus übel nahm.Daher ab es erhebliche Spannungen zwischen pfälzischer Bevölkerung und bayuwarischer Verwaltung und Obrigkeit.

Die Bayern spielten in der Pfalz eine ähnliche Rolle wie die "Strafbayern" in Kurhessen. Dort war es nach der Franzosenzeit immer wieder zu ernsten Zwistigkeitemn zwischen dem Landesherrn und seinen Bürgern gekommen,da ersterer versuchte die relativ liberale Verfassung außer Kraft zu setzen. Das ging soweit ,daß der Kasselaner Fürst Friedrich Wilhelm I ,der sich nicht mal mehr auf das eigene Militär verlassen konnte , die Bundesversammlung anrief,um Hilfe bei der Durchsetzung seiner autokratischen Konterrevolution zu suchen. Auf seinen Antrag hin erklärte diese die Bundesintervention. Darauf wurde Kurhessen durch ein bayrisches
Kontingent an Bundestruppen besetzt -den sogenannten Strafbayern.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
11.04.2013, 21:56
Beitrag: #12
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
(11.04.2013 20:54)zaphodB. schrieb:  Das lag natürlich an der besonderen Situation dort.Die alte Kurpfalz war 1813 im Prinzip dreigeteilt in einen badischen,einen hessischen und einen bayrischen Teil und es war klar,daß sich an diesem Status auch mittelfristig nichts ändern lassen würde.
Andererseit war die linksrheinische Pfalz durch die Franzosen so reformiert wurden, daß man die bayrische Herrschaft zu Recht als Rückschritt empfand. Hinzu kam ,dass man den Wittelsbachern die Übersiedlung nach München durchaus übel nahm.Daher ab es erhebliche Spannungen zwischen pfälzischer Bevölkerung und bayuwarischer Verwaltung und Obrigkeit.

Die Bayern spielten in der Pfalz eine ähnliche Rolle wie die "Strafbayern" in Kurhessen. Dort war es nach der Franzosenzeit immer wieder zu ernsten Zwistigkeitemn zwischen dem Landesherrn und seinen Bürgern gekommen,da ersterer versuchte die relativ liberale Verfassung außer Kraft zu setzen. Das ging soweit ,daß der Kasselaner Fürst Friedrich Wilhelm I ,der sich nicht mal mehr auf das eigene Militär verlassen konnte , die Bundesversammlung anrief,um Hilfe bei der Durchsetzung seiner autokratischen Konterrevolution zu suchen. Auf seinen Antrag hin erklärte diese die Bundesintervention. Darauf wurde Kurhessen durch ein bayrisches
Kontingent an Bundestruppen besetzt -den sogenannten Strafbayern.


Ich habe hier mal ein eigenes Thema aufgemacht:
http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...p?tid=4647

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
16.04.2013, 22:12
Beitrag: #13
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
Ich lese gerade die Briefe von Georg Forster, der Ende des 18.Jahrhunderts an der Mainzer Universität lehrte. Und der hat in zwei Briefen die revolutionären Vorgänge vor der Mainzer Republik beschrieben
Ausgangspunkt war der sogenannte Mainzer Knotenaufstand .
Dieser Aufstand tobte zwischen dem 30. August und 5. November 1790 .
Auslöser war angeblich ein Übergriff der Studenten der örtlichen Universität auf eine von Handwerkern veranstaltete Tanzveranstaltung,
Letztere beklagten sich bei der Churfürstlichen und der Universitätsverwaltung . Als sie jedoch dort kein Gehör fanden, stürmten die Handwerksgesellen das Gebäude der Universität, verprügelten Studenten sowie Professoren und verfolgten die Fliehenden bis in ihre Wohnungen.
In den folgenden Tagen bewaffneten sich die Gesellen und es kam zu einer Solidarisierung innerhalb der Zünfte, der sich auch die Meister anschlossen .Man stellte politische Forderungen wie die Wiedererstellung der alten Zunftfreiheiten und die Aufständischen verwendeten mit Kokarden und Trikoloren Symbole der Französischen Revolution.
Aus einer wirtshausschlägerei war also ein plitischer Aufstand geworden.

Der Kurfürst Friedrich Karl von Erthal mußte mangels ausreichenden eigenen Militärs den Landgrafen von Hessen-Darmstadt um Militärhilfe zu bitten. Dieser entsandte eine 600 bis 800 Mann starke Truppe, die am 3. September Mainz erreichte und den Aufstand niederschlug.
Das hätte dem Kurfürsten eigentlich eine Lehre sein müssen,aber
in der Folge kam es immer wieder zu kleineren Ereignissen,die sich gegen den Adel und die Regierung richteten. So wurde z.B. die Kutsche der fürstlichen Maitresse,der Gräfin Hatzfeld mit Steinen beworfen oder der chursächsische Gesandte von Jura-Studenten aus seiner Kutsche geholt und verprügelt..
Das massierte Auftreten von adligen Emmigranten .die vor der Revolution nach Mainz geflohen waren,verschärfte die Spannungen zwischen Adel einerseits und Bürgerschaft und Studenten andererseits.
Kennzeichnend für die esplosive Lage ist der Widerruf studentischer Privilegien und das Verbot ,Stockdegen und Stilette mit sich zu führen und aufrührerische Reden zu führen.
Zu einem auch internationalen Eklat kam es ,als der Kürfürst mit den Emigranten um den Prinz Conde´ im Theater mit einer Oper die vermeintlich gelungene Flucht Ludwig XVI feiern wollte. kam es zu solchen Tumulten auf der Galerie.daß der Kurfürst nebst Prinz vorsichtshalber Fersengeld gab und das Theater verließ.
Kurz darauf kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischenStudenten und den adligen Emigranten und ende 1701 war die Lage so angespannt,daß der Kurfürst den PrinzenConde auffordern mußte ,den Kurstaat zu verlassen.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
16.04.2013, 23:31
Beitrag: #14
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
Kann man den Aufstand von 1790 als Vorläufer der Mainzer Republik bezeichnen? Und inwieweit war Georg Forster in die Ereignisse eingebunden?
Soweit ich weiß, reiste er 1790 mit Alexander von Humboldt an den Niederrhein, nach England und nach Frankreich. Im Juni/Juli weilten Forster und Humboldt in Paris bei Feiern, die aus Anlass bzw. im Vorfeld des ersten Jahrestages der Revolution veranstaltet wurden. Mitte Juli 1790 war Forster wieder in Mainz. Kann es sein, dass Forster unter dem Eindruck des in Paris erlebten nationalen Enthusiasmus den Aufstand der Handwerker nur als Wirtshausschlägerei abtat und nicht die soziale Komponente der Ereignisse erkannte?

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
19.04.2013, 20:46
Beitrag: #15
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
Nun dieser Knotenaufstand war eine zwiespältige Geschichte.
Zum einen war er zunächst alles andere als revolutionär. Man forderte beispielsweise die Wiederherstellung der alten "Zunftfreiheiten" ,womit eigentlich eine Rückkehr zum alten Zunftsystem gemeint war.
Andererseits adaptierte man Attribute der französischen Revolution, zunächst wohl mit dem listigen Hintergedanken,die Obrigkeit damit einzuschüchtern.
Mit dem Eingeständnis der kurfürstlichen Regierung ,der Lage nicht Herr zu werden und der Anforderungen fremder (hessischer) Truppen
erkannten die Untertanen nun die Schwächen des Systems .
Hinzu kam,daß der Kurfürst statt gelassen eher panisch restriktiv reagierte, sinnvolle Reformen zurücknahm ,die bürgerlichen Gesellschaften und Logen verbieten ließ , die Selbstverwaltung der Universität beschränkte. Das wurde wohl allgemein als Repression empfunden und führte zu einer Radikalisierung der Bürger,Studenten, Professoren und Handwerker. Somit kann man den Aufstand zumindest als Auftakt und Initialzündung für die folgenden Ereignisse sehen.

Hinzu kamen die wirtschaftlichen Probleme der steuerzahlenden Bürger, in Folge einer immensen Staatsverschuldung, die die Spannungen weiter anheizte. Hervorgerufen wurde diese u.a.durch die bezahlung der hessischen Truppen, sowie die Aufnahme und standesgemäßen Unterbringung der französischen Revolutionsemigranten ,die zu einer Teuerung und Verdopplung der Lebensmittelpreise innerhalb weniger Monate führte . Eine kostspieligen Günstlings- und Maitressenwirtschaft rund um die Lieblingsmaitresse (und Nichte) des Erbischofs,die Gräfin Coudenhoven ,ihre Mutter die Gräfin Hatzfeld und den Hofkanzler Albini
tat ihr übriges um den Fanclub des Churfürsten innerhalb der Bürgerschaft zu verringern.
Nicht umsonst schrieben Ende 1790 Mainzer Bürger folgenden Vers auf den Neubrunnen:
"Rinne,Brünnchen in den Stein
Dein Kessel wird nie voller sein
Zahlt,Mainze, Steuern noch so sehr
Doch bleiben Eure Kassen leer
Doch hätt Dein Kessel nur kein Loch
Ich wett er füllte sich wohl noch
Und hätt die Coudenhoven keins
wie wohl wär Dir,Du armes Mainz !
Massacrons la noblesse
L`Electeur et ses maitresses! "

Den Brunnen (gleich neben meiner StammkneipeBig Grin) gibt es übrigens heute noch und die Südseite des Obelisken in seiner Mitte zeigt heute wie damals Allegorien auf die gute Staatshaushaltung !!!
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
02.06.2013, 16:46
Beitrag: #16
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
(02.04.2013 23:57)zaphodB. schrieb:  Wobei nicht jeder Aufstand dem Fortschritt diente.Man denke nur an den Tiroler Aufstand unter Andreas Hofer, der sehr restaurative um nicht zu sagen reaktionäre Züge hatte.
Ähnlich problematisch ist auch die gesamte Befreiungskriegsthematik zu sehen.

Nicht zuletzt war ja auch das Ziel der revolutionären Bewegungen zur Zeit der Reformation (z. B. Deutscher Bauernkrieg) die Wiederherstellung der alten, "gottgewollten" Ordnung - im Gegensatz zu den gesellschaftlich-politischen Entwicklungen an der Schwelle zur Neuzeit, bei denen die Territorialherrscher an Macht gewannen, was auf Kosten des Kaisertums, aber auch der Bauern ging.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
03.06.2013, 23:15
Beitrag: #17
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
Wobei der Bauernkrieg wohl beides hatte-eine restaurative und eine stärkere revolutionäre Komponente M.E. war der reataurative Slogan der Wiederherstellung der alten, "gottgewollten" Ordnung hier nur ein Legitimationsvorwand um die revolutionären Komponenten zubegünden.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
04.06.2013, 20:05
Beitrag: #18
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
(03.06.2013 23:15)zaphodB. schrieb:  Wobei der Bauernkrieg wohl beides hatte-eine restaurative und eine stärkere revolutionäre Komponente M.E. war der reataurative Slogan der Wiederherstellung der alten, "gottgewollten" Ordnung hier nur ein Legitimationsvorwand um die revolutionären Komponenten zubegünden.

Wenn ich da mal einhaken darf.

Das Königtum des Mittelalters war doch eigentlich eine konstitutionelle Monarchie. Kann man doch so sehen.
So ganz würde ich das deshalb nicht als "Legitimationsvorwand" der Bauern sehen.

Mir fehlen jetzt Detailkenntnisse über die Verhältnisse in anderen Territorien des Reichs.
Vielleicht hat der eine oder andere schon vom Aufstand des "Armen Konrad" gehört, Schwerpunkt im Remstal, Beutelsbach und so. Östlich Stuttgart, ein paar Jahre vor dem Großen Bauernkrieg.
Deputierte der Bauern wurden vom Herzog nach Stuttgart geladen. Wo er sie warten ließ.
Der Herzog war nämlich ein ganz hinterhältiger Hund, er hat gleichzeitig mit den Deputierten der Städte und Klöster in Tübingen verhandelt.
Als er den "Tübinger Vertrag" (der Interessierte möge googlen oder mich fragen) unter Dach und Fach hatte.
Ergo, die Städte usw. auf seiner Seite hatte.
Ging er nach Stuttgart, zeigte den Bauern wo der Zimmermann das Loch gelassen hatte (schmiss sie raus), und wem dies nicht passte hat er den Kopf abhacken lassen.

Und die Bauern (=Landbevölkerung) spielten in der Ständischen Verfassung bis 1817 keine, gar keine Rolle mehr

Ihnen waren die Rechte aus dem "alten Herkommen" genommen worden, und sie bekamen sie "nie" wieder.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
05.06.2013, 02:12
Beitrag: #19
RE: Aufklärung und frühe revolutionäre Bestrebungen im Deutschland des 18.Jhdts
(03.06.2013 23:15)zaphodB. schrieb:  Wobei der Bauernkrieg wohl beides hatte-eine restaurative und eine stärkere revolutionäre Komponente M.E. war der reataurative Slogan der Wiederherstellung der alten, "gottgewollten" Ordnung hier nur ein Legitimationsvorwand um die revolutionären Komponenten zubegünden.

Das sehe ich auch so. Thomas Müntzer orientierte sich in seinen Denken an die deutschen Mystiker um Meister Eckard, Johannes Tauler oder Heinrich Seuse. 1524 radikalisierte er während seiner Reise nach Franken seine Ansichten. Seiner Meinung nach, trugen die Adligen nicht "ihr Kreuz", sie wälzten ihre gesellschaftliche Verantwortung auf die Bauern ab. Erst nach dieser Erkenntnis entschloss sich Müntzer, mit Luther zu brechen und die mitteldeutschen Bauern gegen die Obrigkeit zu führen.

Weiterhin muss man beachten, dass am Bauernaufstand viele Angehörige der Dorfobrigkeit teilnahmen. Es waren Wirte, Müller oder Schmiede, die aufgrund ihres Berufs eine Sonderstellung genossen, oft den Dorfschulzen stellten, und ihre Stellung im Laufe der Jahrhunderte so ausbauten, dass sie praktisch das Geschick des Dorfes bzw. der Bauern bestimmten. Diese Schicht verlor ihren Einfluss schleichend an Amtmänner des Territorialfürsten. Die Territorialfürsten bauten ihre Macht zulasten des Königtums, aber auch autarker Einheiten auf dem Land aus. Verlierer waren die Reichsritter und die Bauern. Dass sich beide nicht gegen den Territorialherren verbündeten, hing mit ihrem jahrhundertalten Antagonismus zusammen. Ausnahmen wie Florian Geyer ändern da nichts am Sachverhalt. Götz von Berlichingen oder Wilhelm von Grumbach sind ja dubiose Figuren gewesen, die letztlich die Bauern nur verar... haben. (Sorry). Aber auch Bauernführer wie der blutrünstige Jäcklein Rohrbach haben den aufständischen Bauern am Ende nur Schaden gebracht.

Dagegen sehe ich in den Tiroler Bauernführer Michael Gaismair eine sehr interessante, leider zuwenig gewürdigte historische Person.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds