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Demokratie - Definition in der DDR - Druckversion

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Demokratie - Definition in der DDR - Suebe - 13.12.2017 21:05

"Alle" reden von Demokratie
nur versteht man recht unterschiedliches darunter.

In der Deutschen Demokratischen Republik galt dies:
"Demokratie ist eine Organisation zur systematischen Gewaltanwendung einer Klasse gegen die andere.
Die Diktatur des Proletariats ist ein qualitativ neuer Typ der Demokratie.
Das demokratische Wesen der Herrschaft der Arbeiterklasse erfordert, dass dieselbe Herrschaft der Arbeiterklasse gegenüber den Feinden des Sozialismus Diktatur ist, und ihnen gegenüber gegebenenfalls diktatorische Maßnahmen anwendet."
aus "Philosophisches Wörterbuch Band 1, 7. Auflage Leipzig 1970 Seite 225


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Arkona - 13.12.2017 22:06

Ach, lohnt es sich noch diesen Quatsch zu diskutieren?
"...Die Zeitungen müssen Organe der verschiedenen Parteiorganisationen werden. Die Literaten müssen unbedingt Parteiorganisationen angehören. Verlage und Lager, Läden und Leseräume, Bibliotheken und Buchvertriebe – alles dies muß der Partei unterstehen und ihr rechenschaftspflichtig sein"....(Lenin 1905, es soll also niemand sich herausreden, wenn der 1917 wirklich an die Macht kam).


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Arkona - 13.12.2017 22:16

Genauso wurden uns in der DDR der Begriff "freie Wahlen" eingebimst, damals schon immer herrlich für bierselige Parodien im Freundeskreis: "Freie Wahlen sind Wahlen, die wahrhaftig frei von jeglicher konterrevolutionärer und bürgerlicher Einflussnahme sind...".
So elegant es zu lösen, da muss man schon bei den Jakobinern 150 Jahre zuvor suchen.


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Sansavoir - 13.12.2017 23:04

Ich erinnere mich noch an die Argumentation, dass die Diktatur des Proletariats bzw. der Arbeiter und Bauern die Diktatur der Mehrheit wäre und somit die wahre Herrschaft des Volkes verkörpert. Dieses Konstrukt wurde Volksdemokratie genannt. Als Arbeiter galt nicht nur der Arbeiter in der Industrie oder der Handwerker in einem volkseigenen Betrieb, sondern auch alle Berufssoldaten, Polizisten, Zöllner u.a. staatliche Angestellte, also auch der hauptamtliche Mitarbeiter der Stasi.

Als Lenin und die Bolschewiki 1917 die Macht übernahmen, waren die meisten Menschen Bauern. Als Industriearbeiter konnte man maximal 5 % der Bevölkerung bezeichnen, damit war diese Gruppe kleiner als der Adel. Den Adel im Zarenreich darf man aber nicht mit dem im Deutschen Reich vergleichen und nicht nur auf die Romanows beschränken. Oft waren diese Adlige nur Beamte oder Offiziere, die keinen Grundbesitz besaßen und unter bescheidenen Verhältnissen lebte. Puschkin und Tolstoi gehörten diesem Adel an und die "Intelligenzia" stammte häufig aus dem Adel, wie z.B. Lenin selbst, dessen Vater in den Adel erhoben wurde. Während der Stalinzeit verleugneten viele Angehörige des ehemaligen Adels ihre Herkunft, sie gaben dann als Klassenzugehörigkeit "Arbeiter" an, wie z.B. der sowjetische Schriftsteller Konstantin Simonow.


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Titus Feuerfuchs - 14.12.2017 01:46

(13.12.2017 23:04)Sansavoir schrieb:  Ich erinnere mich noch an die Argumentation, dass die Diktatur des Proletariats bzw. der Arbeiter und Bauern die Diktatur der Mehrheit wäre und somit die wahre Herrschaft des Volkes verkörpert. [...]

Es entbehrt nicht einem unfreiwilligem Anflug von Komik, Diktatur und Demokratie unter einen Hut bringen zu wollen.

Aber selbst wenn man diser grotesken Argumentation folgen will: Bekanntermaßen sind niemals die Kommunisten per Volksentscheid zu einer Einparteiendiktatur gewählt worden.

Ich frage mich oft, wie viele der führenden Kommunisten -egal ob in der DDR oder sonstwo- diese realsatirischen Aussagen der kommunistischen Ideologie tatsächlich geglaubt haben.
Wie viele haben sich wider besseres Wissens aus Opportunismus zum Werkzeug der kommunistischen Ideologie gemacht?


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Suebe - 14.12.2017 16:09

"Früher mal", gab es vermutlich in der BRD mehr Anfänger des Sozialismus als in der DDR.
Auch ich gehörte dazu.
Nächtelang wurden die Vorzüge des Sozialismus bei Diskussionen in den Himmel gehoben, unterschiedlicher Meinung war man lediglich in Details.
Und irgendwann so ca. nach dem 5. Bier, hat man dann seine (heimliche) Überzeugung "publiziert", dass auch das alles überspannter Mist wäre, die einzig wahre Staatsform ganz klar und eindeutig die Anarchie ist. Die überwiegende Masse der Anwesenden (insbesondere die Weiblichkeit) hat einem zugestimmt, und alle waren überaus überrascht, dass die anderen "gesellschaftlich auch schon so weit" waren.
Irgendwann ist mir dann jenes "Filosofische Wörterbuch" in die Finger geraten, und von da an ist der Sozialismus lenin-stalinscher Prägung in einem längeren "Paulus-Prozess" aus meinen Hirnwindungen entfleucht.

Und als ich vor kurzem vom Unterschied zwischen "Liberalen und Sozialisten gelesen hab, die beide die Demokratie wollten...." sind mir die Zeilen aus jenem offiziösen DDR-Werk wieder eingefallen.
Da liegt nämlich der Unterschied und nicht in irgendwelchem "Mehrwert" und dem "Eigentum an Produktionsmitteln"
im Verständnis darüber was mit Demokratie gemeint ist.


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Suebe - 15.12.2017 17:11

Was man nicht vergessen darf,
die schönsten Worte über Demokratie sind das Papier nicht Wert, auf dem sie stehen, wenn nicht die Grundrechte gewährleistet sind.


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Arkona - 15.12.2017 17:47

@Suebe, es gab seinerzeit im Westen jede Menge Salonkommunisten, die ihre Diskussionen führten, während sie Dom Perignon schlürften. Warst du etwa auch so einer Wink? Vom Mann meiner Cousine, der aus dem Allgäu stammt, weiß ich das...


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Flora_Sommerfeld - 15.12.2017 18:10

(14.12.2017 01:46)Titus Feuerfuchs schrieb:  Ich frage mich oft, wie viele der führenden Kommunisten -egal ob in der DDR oder sonstwo- diese realsatirischen Aussagen der kommunistischen Ideologie tatsächlich geglaubt haben.
Wie viele haben sich wider besseres Wissens aus Opportunismus zum Werkzeug der kommunistischen Ideologie gemacht?

Na wenn du dich das fragst, warum hinterfragst du dein Interesse nicht.
In der DDR gab es weder Sozialismus noch Kommunismus, in der DDR gab es eine Diktatur der Machtbesessenen und das Recht der Besatzungsmacht.

Aber auch wenn du so Grundsätzlich den wahren kommunistischen Gedanken verteufelst, der Ursprung ist mit der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts gewachsen und ohne diese Gedanken für ein gerechteres Dasein der neuen Arbeiterklasse, den neuen Sklaven der Industrialisierung, könntest du heute nicht in so einer freien, liberalen und vor allem Freizeitgesellschaft leben und deine rückwärtsgewandte Meinung gegen jede Haustür im www. nageln.


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Titus Feuerfuchs - 16.12.2017 04:54

(15.12.2017 18:10)Flora_Sommerfeld schrieb:  
(14.12.2017 01:46)Titus Feuerfuchs schrieb:  Ich frage mich oft, wie viele der führenden Kommunisten -egal ob in der DDR oder sonstwo- diese realsatirischen Aussagen der kommunistischen Ideologie tatsächlich geglaubt haben.
Wie viele haben sich wider besseres Wissens aus Opportunismus zum Werkzeug der kommunistischen Ideologie gemacht?

Na wenn du dich das fragst, warum hinterfragst du dein Interesse nicht.
In der DDR gab es weder Sozialismus noch Kommunismus, in der DDR gab es eine Diktatur der Machtbesessenen und das Recht der Besatzungsmacht.

Aber auch wenn du so Grundsätzlich den wahren kommunistischen Gedanken verteufelst, der Ursprung ist mit der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts gewachsen und ohne diese Gedanken für ein gerechteres Dasein der neuen Arbeiterklasse, den neuen Sklaven der Industrialisierung, könntest du heute nicht in so einer freien, liberalen und vor allem Freizeitgesellschaft leben und deine rückwärtsgewandte Meinung gegen jede Haustür im www. nageln.

Willst du mir erzählen, ich verdanke meine relative Freiheit den Kummunisten? Danke für diesen Lacher.Lol


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Sansavoir - 16.12.2017 11:09

Du verdankst aber deine heutige relative Freiheit auch den Austro-Marxisten wie Otto Bauer oder Max Adler.


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Suebe - 16.12.2017 12:06

(15.12.2017 17:47)Arkona schrieb:  @Suebe, es gab seinerzeit im Westen jede Menge Salonkommunisten, die ihre Diskussionen führten, während sie Dom Perignon schlürften. Warst du etwa auch so einer Wink? Vom Mann meiner Cousine, der aus dem Allgäu stammt, weiß ich das...

OT:
Nix mit Salon,
Club Voltaire, Republikanischer Club und so hießen die Lokale und gesoffen wurde Bier, Gin und Chianti. Doch keine Plutokraten-Soße.

TT
Zurück zum Thema, außer den von Sansa genannten erinnere ich hier auch noch an zB Bernstein pp, die IMMER auf demokratischer Basis blieben. Aber Demokratie nicht was Lenin darunter verstand.


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Arkona - 16.12.2017 13:11

Für Lenin gab es eh keine Demokratie. Er hielt den Pöbel für zu dumm, seine Segnungen und Visionen zu begreifen. Dann wurde halt einfach enteignet, mit dem stärksten Argument der Bolschewiki: Der vorgehaltenen Pistole.


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Titus Feuerfuchs - 16.12.2017 17:48

(16.12.2017 11:09)Sansavoir schrieb:  Du verdankst aber deine heutige relative Freiheit auch den Austro-Marxisten wie Otto Bauer oder Max Adler.


Wenn, dann verdanke ich sie Karl Renner. Der war aber bestimmt kein Kommunist. Im Gegenteil, der grenzte die Sozialdemokratie strikt von den Kommunisten ab. Ich will auch gar nicht leugnen, dass die Sozialdemokratie der Wegbereiter für viele der heute selbstverständlichen Errungenschaften war.

Aber dass der Marxismus - der das Gegenteil von Freiheit (sowohl positiver als auch negtiver) verkörpert!- nicht ursächlich für das relativ hohe Maß an Freiheit ist, das wir heute in der westlichen Welt genießen, zeigen die USA und andere angelsächsische Länder, in denen marxistische Parteien nie eine Rolle spielten.

Im Übrigen haben die Sozialisten nicht das Monopol für soziale Politik gepachtet. Es gibt schließlich auch die katholische Soziallehre.


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Titus Feuerfuchs - 16.12.2017 17:50

(16.12.2017 13:11)Arkona schrieb:  Für Lenin gab es eh keine Demokratie. Er hielt den Pöbel für zu dumm, seine Segnungen und Visionen zu begreifen. Dann wurde halt einfach enteignet, mit dem stärksten Argument der Bolschewiki: Der vorgehaltenen Pistole.

Eher die abgeschossene Pistole. Den bei Drohungen blieb es ja nicht, wie die Millionen Todesopfer zeigen.


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Suebe - 16.12.2017 19:22

(16.12.2017 17:48)Titus Feuerfuchs schrieb:  
(16.12.2017 11:09)Sansavoir schrieb:  Du verdankst aber deine heutige relative Freiheit auch den Austro-Marxisten wie Otto Bauer oder Max Adler.


Wenn, dann verdanke ich sie Karl Renner. Der war aber bestimmt kein Kommunist. Im Gegenteil, der grenzte die Sozialdemokratie strikt von den Kommunisten ab. Ich will auch gar nicht leugnen, dass die Sozialdemokratie der Wegebereiter für viele der heute selbstverständlichen Errungenschaften war.

Aber dass der Marxismus - der das Gegenteil von Freiheit (sowohl positiver als auch negtiver) verkörpert!- nicht ursächlich für das relativ hohe Maß an Freiheit ist, das wir heute in der westlichen Welt genießen, zeigen die USA und andere angelsächsischen Länder, in denen marxistische Parteien nie eine Rolle spielten.

Im Übrigen haben die Sozialisten nicht das Monopol für soziale Politik gepachtet. Es gibt schließlich auch die katholische Soziallehre.


Hmmmm,
und die Labour Party, deutlich "linker" und damit marxistischer (ohne Marx zu nennen) wie die deutsche Sozialdemokratie
zB die Verstaatlichungen, "Sozialisierung" nennt man das dort treffend, waren bis vor wenigen Jahren zentrale Forderungen der Labour Party.

Die katholische Soziallehre gibt es natürlich auch, ein guter Hinweis. Den ich mit der evangelischen ergänzen will. zB Bruderhaus, Gustav Werner Stiftung, Diasporahaus und hunderte andere.
Man nannte mir mal die "fehlende soziale Komponente" der Ostkirche als wichtigen Grund, dass sich in Russland der Lenin-stalinsche Kommunismus durchsetzen konnte.
Also nicht nur der Tschekist mit der Nagant, auch der Pope der sich nicht für den Menschen sondern nur für dessen Seele interessierte.


RE: Demokratie - Definition in der DDR - Arkona - 16.12.2017 19:31

(16.12.2017 17:50)Titus Feuerfuchs schrieb:  Eher die abgeschossene Pistole. Den bei Drohungen blieb es ja nicht, wie die Millionen Todesopfer zeigen.

"...du hast das Wort, rede Genosse Mauser..." (Majakowski)