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Murano Glaskunst/Handel - Druckversion

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Murano Glaskunst/Handel - Aurora - 11.11.2016 12:17

Murano-Glas

Bevor ich auf die Glasherstellung eingehe, möchte ich etwas zu dieser Inselgruppe, die sich nordöstlich von Venedig befindet, erwähnen:

Die Insel Murano in der Lagune ist für ihre Glaskunst weltberühmt. Die Geschichte lässt sich bis in die Spätantike zurück verfolgen. Im 5. und 6. Jh. wuchs die Bevölkerung durch zahlreiche Flüchtlinge aus Altinum, die vor den Hunnen und Langobarden flohen und hier in diesem Gebiet Schutz suchten. Konzentriert wurde die Glasproduktion Ende des 13. Jh., die sich aber gegen Ende der Republik Venedig im Niedergang befand.

Ein Rückblick zu der antiken Glasherstellung im Römischen Reich fand duch die Völkerwanderung eine Unterbrechung. Es wird vermutet, das über den Handel mit den Glaswaren mit Byzanz erfolgte, wo die Technik nicht verloren ging. Die spezielle Glasherstellung kam aber über Venedig über Mitteleuropa zurück.

Am Ende des 13, Jh. wurden alle Glasöfen von Venedig aus Brandschutzgründen auf Murano verlegt. Vorallem diente diese Maßnahme dazu, das streng gehütete Geheimnis der Glasherstellung geheim zu halten. Die Glasbläser, die für ihre Kunst hoch bezahlt wurden, war unter Androhung der Todesstrafe verboten, ihr Wissen zu verbreiten.
Der Glasbläser Giogio Ballarin aber stahl dem Erfinder die verschiedenen Farbmethoden, einige Rezepturen und verriet sie seinem angehenden Schwiegervater Ballarin, der darauf einer der erfolgreichsten Glashersteller auf Murano wurde.

Seit dem 13. Jh. besaßen die Glasmacher Statuten, die 1441 reformiert und zusätzlich in Volgare (Referenzen und weiterführende Informationen) übertragen wurden. Diese Statuten werden Mariegole genannt.

In der Renaissance fand eine Blütezeit der kunstvollen Glasprodukte ihren Höhepunkt – eine Haupteinnahme der Bevölkerung. Aus dieser Zeit sind nur noch wenige Kunststücke erhalten. Die Formen/Dekore sind mehr an Darstellungen des Stillebens angelehnt.
Trotz der strengen Geheimhaltung dieser kunstvollen Glasproduktion mit der Glasveredelung gelang es Ende des 16. sowie im 17. Jh. einigen Glasbläsern nördlich der Alpen zu imigrieren und dort Glashütten zu gründen. Entscheidend hierbei waren die Abwerbeversuche Ludwig XIV, der seinen Traum eines Spiegelsaales im venezianischen Stil erfüllen konnte. Dieser Stil „lebte“ in Deutschland, in den Niederlanden und in Flandern weiter. Es sind in diesem Stil noch weitere vielseitige Sammlungen erhalten.
Erst im 18. Jh. wurde dieser venezianische Stil durch barocken Schnittglases gebrochen; denn diese in Böhmen/Schlesien auch in anderen Orten Deutschlands beheimatete Technik beherrschten nicht die Venezianer..

[Bild: pedrosa-murano-2003-01-400.jpg]

[Bild: 872dffd0dd57c23efe5e40ed13a6cf74.jpg]


RE: Murano Glaskunst/Handel - Sansavoir - 11.11.2016 21:23

Du hast aber schöne Gläser. Smile

Ernste Frage: Gibt es eine Linie Murano-Glas zu den Glasbläsern in Lauscha?


RE: Murano Glaskunst/Handel - Aurora - 11.11.2016 22:13

Nein, ich glaube nicht^^

Meines Wissens hat die Glashütte Lauscha ihre eigene Technik der Glasherstellung, die sich von dem Muranoglas unterscheidet. Ob es da mal eine Linie gab, ist mir nicht bekannt.

Edit:
Diese Gläser befinden sich nicht in meinem Besitz. Ich habe einige Murano-Gegenstände in Italien zwar bewundern können, aber dieses Glas zu kaufen, hätte mein Geld wohl nicht ganz gereicht Wink


RE: Murano Glaskunst/Handel - Mashenka - 17.11.2016 21:28

(11.11.2016 12:17)Aurora schrieb:  Ein Rückblick zu der antiken Glasherstellung im Römischen Reich fand duch die Völkerwanderung eine Unterbrechung. Es wird vermutet, das über den Handel mit den Glaswaren mit Byzanz erfolgte, wo die Technik nicht verloren ging. Die spezielle Glasherstellung kam aber über Venedig über Mitteleuropa zurück.

Ein sehr interessantes Thema, Aurora! Die kurze Angabe zur Glasherstellung im MA ist jedoch nicht ganz richtig: die Glasherstellung wurde im MA weitergeführt, nachdem Glashütten in römischen Provinzen entstanden waren.

Mit der speziellen Glasherstellung möglicherweise aus Byzanz, hast Du aber möglicherweise Wink recht. Das farblose Glas, genaugenommen das Kristallglas, soll jedoch das Ergebnis der Alchemie in Venedig gewesen sein, ebenso manche der Methoden zur Herstellung bunter Gläser, die wie Mineralien (Achat, oder Chalzedon) anmuten.

Die äußerst filigranen Gläser der Venezianer wurden übrigens wegen ihrer Pracht und Zerbrechlichkeit auch als Symbol der Vergänglichkeit verstanden, insbesondere von Reichtum und Macht.


RE: Murano Glaskunst/Handel - Paul - 18.11.2016 01:01

Die Glasherstellung wurde von der Dünsbergstadt nach Köln verlagert und wurde auch in der Völkerwanderungszeit nicht eingestellt, anders als man das manchmal lesen kann.
Spätestens mit der Zerstörung der Dünsbergstadt endete dort die Glasproduktion. Köln hatte auch in der härtesten Zeit mindestens 15000 Einwohner, darunter viele Handwerker. Möglicherweise wurde auch in Trier und im Taunus im Mittelalter weiter Glas produziert.

http://www.spp-haefen.de/de/die-projekte/der-rhein-als-europaeische-verkehrsachse/die-teilprojekte/der-fruehmittelalterliche-hafen-koelns-produktionsstaette-und-exporthafen-fuer-glaeser/


RE: Murano Glaskunst/Handel - Aurora - 18.11.2016 10:25

(17.11.2016 21:28)Mashenka schrieb:  
(11.11.2016 12:17)Aurora schrieb:  Ein Rückblick zu der antiken Glasherstellung im Römischen Reich fand duch die Völkerwanderung eine Unterbrechung. Es wird vermutet, das über den Handel mit den Glaswaren mit Byzanz erfolgte, wo die Technik nicht verloren ging. Die spezielle Glasherstellung kam aber über Venedig über Mitteleuropa zurück.

Ein sehr interessantes Thema, Aurora! Die kurze Angabe zur Glasherstellung im MA ist jedoch nicht ganz richtig: die Glasherstellung wurde im MA weitergeführt, nachdem Glashütten in römischen Provinzen entstanden waren.

Mit der speziellen Glasherstellung möglicherweise aus Byzanz, hast Du aber möglicherweise Wink recht. Das farblose Glas, genaugenommen das Kristallglas, soll jedoch das Ergebnis der Alchemie in Venedig gewesen sein, ebenso manche der Methoden zur Herstellung bunter Gläser, die wie Mineralien (Achat, oder Chalzedon) anmuten.

Die äußerst filigranen Gläser der Venezianer wurden übrigens wegen ihrer Pracht und Zerbrechlichkeit auch als Symbol der Vergänglichkeit verstanden, insbesondere von Reichtum und Macht.

Danke Mashenka für deinen Text. Ich habe ja auch die Mariegole erwähnt. Aber soviel ich weiß, hatten verschiedene Glasbläserstätten ihre eigene Technik entwickelt. Könnte ja auch gut sein, dass sich einiges an der Murano-Glaskunst im Laufe der Zeit angelehnt hat ?


RE: Murano Glaskunst/Handel - Mashenka - 18.11.2016 17:36

(18.11.2016 10:25)Aurora schrieb:  Aber soviel ich weiß, hatten verschiedene Glasbläserstätten ihre eigene Technik entwickelt. Könnte ja auch gut sein, dass sich einiges an der Murano-Glaskunst im Laufe der Zeit angelehnt hat ?

Klar wurden Methoden geklaut; je gehüteter, umso interessanter. Dodgy Hab noch das hier zum Thema gefunden:
Jutta-Annette Page u. Ignasi Doménech, Beyond Venice: Glass in Venetian Style, 1500-1750, Hudson Hills, 2004.
Leider nur auf englisch, aber bei Google Books eingescannt und z.T. kostenlos einsehbar (unter Introduction steht bereits recht viel zur Herkunft und Verbreitung von venezianischem Glas).


RE: Murano Glaskunst/Handel - Aurora - 18.11.2016 18:31

Danke Mashenka, schau ich mir mal an. ♥


RE: Murano Glaskunst/Handel - Suebe - 20.11.2016 13:23

Ich habe mal in den Vocke geschaut, Geschichte der Handwerksberufe.
Glasmacher undd Glasbläser
zu Murano natürlich nicht viel,
insgesamt aber sehr informativ.

Die Entwicklung der Glasherstellung, Kunst und Gebrauch, hat dem nach sehr sehr viele Facetten.
Und die Geheimhaltung nicht nur in Murano gepflegt worden zu sein.


RE: Murano Glaskunst/Handel - Aurora - 20.11.2016 14:23

Dann lag ich doch nicht so verkehrt mit meinem Wissen.. Smile


RE: Murano Glaskunst/Handel - Mashenka - 20.11.2016 15:59

(20.11.2016 14:23)Aurora schrieb:  Dann lag ich doch nicht so verkehrt mit meinem Wissen.. Smile

Hab ich ja nicht behauptet… nur etwas an der Formulierung gemeckert. Angel

Etwas skeptisch las ich auch die Story vom selbstlosen Giorgio Ballarin, der die Rezepturen mir nichts, dir nichts dem Schwiegervater gegeben haben soll. Soll ja vorkommen, hab dann dennoch nachgegoogelt und dazu im Buch von Pamela Long, Openness, Secrecy, Authorship: Technical Arts and the Culture of Knowledge from Antiquity to the Renaissance, paar Angaben gefunden:
Da Ballarin kein Venezianer war, durfte er keine eigene Werkstatt eröffnen. Zum Glück kannte er aber einen Glasbläser, der eine Tochter zu vergeben hatte, sodass er die abgeschriebenen Rezepturen nutzte, um nicht nur dessen Tochter, sondern auch die Zulassung für eine eigene Werkstatt zu erhalten. Schließlich soll er sich selber zum einen der führenden Glasproduzenten Venedigs emporgearbeitet haben. Inwiefern Schwiegerpapa vom Deal profitierte, und wie der überhaupt hieß (eher nicht »Ballarin«, würd ich vermuten), konnte ich nicht erfahren. Überliefert einzig von einem Mönch, namens Gian Antonio.

Sei aber auch nur erwähnt, falls Du die Angaben weiterverwenden willst.
lg
Mashenka


RE: Murano Glaskunst/Handel - Suebe - 05.09.2017 19:14

Ein Aufsatz in Archaelogie Online über die Wiedereinführung des Glasmachens im mittelalterlichen Europa

http://www.archaeologie-online.de/magazin/fundpunkt/forschung/2016/glashandwerker-im-fruehmittelalter/


RE: Murano Glaskunst/Handel - Paul - 07.09.2017 00:55

(05.09.2017 19:14)Suebe schrieb:  Ein Aufsatz in Archaelogie Online über die Wiedereinführung des Glasmachens im mittelalterlichen Europa

http://www.archaeologie-online.de/magazin/fundpunkt/forschung/2016/glashandwerker-im-fruehmittelalter/

Auch in diesem Artikel wurde festgehalten, das im Rheinland die Glasmacherei kontinuierlich betrieben wurde und nicht wieder eingeführt werden mußte. Dies könnte auch für den Taunus gelten.


RE: Murano Glaskunst/Handel - Suebe - 07.09.2017 08:52

(07.09.2017 00:55)Paul schrieb:  
(05.09.2017 19:14)Suebe schrieb:  Ein Aufsatz in Archaelogie Online über die Wiedereinführung des Glasmachens im mittelalterlichen Europa

http://www.archaeologie-online.de/magazin/fundpunkt/forschung/2016/glashandwerker-im-fruehmittelalter/

Auch in diesem Artikel wurde festgehalten, das im Rheinland die Glasmacherei kontinuierlich betrieben wurde und nicht wieder eingeführt werden mußte. Dies könnte auch für den Taunus gelten.


jein
in dem Artikel, gleich auf Seite 1, wird festgehalten, dass bis ins ausgehende 8. Jahrhundert, erstmals nachgewiesen in der Pfalz Paderborn 777 nChr., die Glasherstellung in Mitteleuropa nicht möglich war.
Das aus dem östl. Mittelmeerraum anglieferte Glas lediglich weiterverarbeitet wurde.


RE: Murano Glaskunst/Handel - Rainer - 25.09.2018 11:55

Ich möchte mal auf drei Bücher zur Glasgeschichte weit vor Murano hinweisen:

1. Frühes Glas der alten Welt 1600 v. Chr. -50 n. Chr.
Katalog der Sammlung Ernesto Wolf
von E. Marianne Stern u. Birgit Schlick-Nolte
2. Antikes Glas
Handbuch der Archäologie
von Axel v. Saldern
3. Antike Glastöpferei - ein vergessenes Kapitel der Glasgeschichte
von Rosemarie Lierke
In allen drei Büchern geht es um die Erfindung des Glases.
Bei Axel v. Saldern kommen die ersten schriftlichen Nachrichten über Glasgefäße in Mesopotamien in der Ur-III-Dynastie vor und sind ca. 500 Jahre älter als tatsächlich ausgegrabene Glasgefäße. In dieser Keilschriftnachricht wird der Terminus anzahhu-Glas verwandt - für A. v. Saldern ein Begriff, der noch kein richtiges Glas meinen kann aufgrund der Datierung. Dieser Begriff taucht -14 Jh. und in der Bibliothek von Assurbanipal -7. Jh.( Ninive) nochmalsa auf. In Ninive heist anzahhu-Glas - mit Antimon milchig weiss gefärbtes Glas. In der Keilschrift-Tafel vom -21. Jh ist noch die Rede von einem Gewicht von 55 Schekel des anzahhu-Glasgefässes. Schekel ist nach moneypedia althebräisch und nicht vor dem -14. bzw. -13. Jh. entstanden. In Ägypten kommt ausgegrabenes Glas ab ca. -15 Jh. auf - es gibt aber keine schriftlichen Nachrichten. Bei R. Lierke geht es u. a. um die Erfindung des Glases, welche die Version nach Plinius zu stützen scheint. Damit wären aber alle bisherigen Datierungen Makulatur.


RE: Murano Glaskunst/Handel - Rainer - 25.09.2018 18:32

Das älteste in Ägypten aus gesichertem Fundzusammenhang ausgegrabene Glasgefäß ist die Flasche des Haherpra - kobaltblaues Glas mit weißen Wellenlinien um 1490 BC.
Leider bin ich wieder mal zu doof, hier ein Bild einzufügen. Ich finde die Funktion z.Z. hier nicht.

Zurück zu Murano: In meiner Umgebung gibt es übrigens Sagen zu den Venediger-Männlein, welche sich für Erzlagerstätten interesierten. Das Märchen von den 7 Zwergen gibt einen leichten Abglaz zu diesem Problem. Ihr ständiger Umgang mit Schwermetallen soll zu Wuchsstörungen --> Zwerge - geführt haben. Die Zipfelmützen waren oben ausgepolstert als Kopfschutz untertage. Es gibt aber auch lokale Sagen zu den Erzschürfern aus Venedig. Sie brachten geheime Zeichen an den Kirchengebäuden an, um Nachfolgern die Suche zu erleichtern: Zinn, Antimon, Kobalt. Alles Elemente, die in der Schwemmlandlagune nicht zu finden waren.