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Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Druckversion

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RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Paul - 20.11.2013 04:19

(19.11.2013 15:16)Arkona schrieb:  Die Knochenfunde aus dem fraglichen Zeitraum sprechen Bände. Die Bauern waren im Schnitt 10 cm kleiner und eindeutig rachitisch und mangelernährt. Die damaligen Jäger würden dagegen selbst einen modernen Zahnarzt arbeitslos machen. Aber 10 unterernährte Bauern wurden immer mit einem einzelnen Wildbeuter fertig...

Eine kleinere Körpergröße muß natürlich nicht unbedingt o. nur mit der Ernährung zusammenhängen, wenn es sich bei den Landwirtschaft betreibenden Menschen um Einwanderer aus dem Süden gehandelt haben soll. Südeuropäer sind bis heute noch etwas kleiner als Mitteleuropäer, obwohl sich die genetischen Unterschiede durch die vergangenen Wanderungen schon eingeebnet haben.
Mit den späteren Wanderungen soll die Körpergröße ja dann auch wieder gestiegen sein, obwohl die Menschen bei der Landwirtschaft blieben.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Arkona - 20.11.2013 09:57

Die mittelsteinzeitlichen Anatolier waren Hünen, vergleicht man sie mit ihren Nachfahren. Ansonsten mal bei Akzeleration googeln.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - 913Chris - 20.11.2013 10:27

Und die Mitteleuropäer sind auch erst in den letzten Jahrzehnten statistisch signifikant größer als die Südeuropäer geworden - seit hier die regelmäßigen Hungersnöte passé sind.

VG
Christian


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Paul - 20.11.2013 22:35

Es gibt 3 Hauptfaktoren für die Körpergröße.
- Die genetische Veranlagung. Die Menschen in Schleswig sind wahrscheinlich die größten Menschen der Erde. Sie konkurrieren hier mit den Niederländern und womöglich mit den Menschen in Dschibuti.
- Die Ernährung ist ein wichtiger Faktor, ob die genetischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden können.
- Inzucht macht kleiner. Heterosiseffekt macht größer. Nach dem Krieg wurde die Ernährung in Deutschland verbessert und die Bevölkerung stark durchgemischt. Seit etwa 1980 wurde hier das genetisch mögliche fast erreicht.

http://www.welt.de/wissenschaft/article108698340/Deutschland-waechst-um-15-Zentimeter.html

Die Jäger und Sammler in Mitteleuropa waren sehr groß. Ernährungs- und genetisch bedingt. Die Landwirtschaft brachte durch die Einwanderung von Südeuropäern und durch die schlechtere Ernährung eine erhebliche Verkleinerung der Körpergröße der Bevölkerung. Von der Eisenzeit bis zum Frühmittelalter wuchs die Bevölkerung. Im Mittelalter sank sie wieder, um in der Neuzeit und besonders in der Nachkriegszeit wieder zu wachsen.
Die Römer beschrieben die Kelten und Germanen als erheblich größer als sich selbst.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Arkona - 20.11.2013 22:45

Was einst Tacitus beschrieb, kann man nicht mit heutigen Maßstäben messen. Die Altgermanen waren jedenfalls keine 2-Meter-Recken.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Bunbury - 21.11.2013 18:40

Gerade was die Größe anbetrifft, kann man sich leicht täuschen. Menschen, die eine unglaubliche Präsenz besitzen, werden oft als sehr viel größer wahrgenommen als sie sind.
Von daher kann schon die Angst, die die Kelten seit Brennus unter den Römern verbreiteten, dazu geführt haben, daß man ihnen ein paar Zentimeter mehr zugeschrieben hat als sie hatten- auch wenn es vielleicht vereinzelt wirklich sehr viel größere Menschen gegeben hat-


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Avicenna - 21.11.2013 20:17

Das müssen ja auch keine Riesenunterschiede gewesen sein. Wenn man als durchschnittlicher 1,65 m Römer auf die vielleicht durchschnittlich 1,75 m großen Germanen oder Gallier traf, können diese 10 cm in den Köpfen der etwas kürzer Gewachsenen, kampfpsychologisch schon 'ne Menge ausgemacht haben.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Harald - 21.11.2013 20:58

Die Römer waren sicherlich in der Lage, zu unterscheiden, ob Kelten und Germanen größer waren als sie.
Sie hatten auch keinen Anlaß, sie größer zu machen.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Bunbury - 22.11.2013 13:02

Natürlich hatten sie Grund, sie größer zu machen.
Brennus hatte den Römern ordentlich auf die Mütze gegeben, also kam es der römischen Propaganda sicherlich entgegen, ihn und seine Leute als etwas größer darzustellen als sie waren. Schließlich muß der Sieg solcher Barbaren irgendwie zu rechtfertigen sein.
Caesar wollte Gallien ausplündern, also lag auch ihm daran, die gefährlichkeit der gallier für Rom zu unterstreichen.
Das gleiche gilt für die Germanen. Die ließen sich nicht so leicht erobern- und da die Römer ja kulturell und auch sonst in jeder Weise überlgen waren (nach römischer Propaganda) müssen die körperlich einfach stärker gewesen sein...

10 cm betrug der Unterschied im Durchschnitt allerdings mit Sicherheit nicht.
Wenn Ernährung ein wichtiger Faktor bei der Ausbildung von Größe ist, ist nicht wirklich davon auszugehen, daß der durchschnittliche Germane 10 cm größer war als der durchschnittliche Römer. Auch wenn sich das Klima gewandelt haben mag, dürfte es weiter im Süden die reicheren und vielseitigeren Ernten gegeben haben als im Norden (um wieder in die Nähe des Ackerbaus zu kommen)...


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Suebe - 22.11.2013 13:11

(22.11.2013 13:02)Bunbury schrieb:  Natürlich hatten sie Grund, sie größer zu machen.
Brennus hatte den Römern ordentlich auf die Mütze gegeben, also kam es der römischen Propaganda sicherlich entgegen, ihn und seine Leute als etwas größer darzustellen als sie waren. Schließlich muß der Sieg solcher Barbaren irgendwie zu rechtfertigen sein.
Caesar wollte Gallien ausplündern, also lag auch ihm daran, die gefährlichkeit der gallier für Rom zu unterstreichen.
Das gleiche gilt für die Germanen. Die ließen sich nicht so leicht erobern- und da die Römer ja kulturell und auch sonst in jeder Weise überlgen waren (nach römischer Propaganda) müssen die körperlich einfach stärker gewesen sein...

10 cm betrug der Unterschied im Durchschnitt allerdings mit Sicherheit nicht.
Wenn Ernährung ein wichtiger Faktor bei der Ausbildung von Größe ist, ist nicht wirklich davon auszugehen, daß der durchschnittliche Germane 10 cm größer war als der durchschnittliche Römer. Auch wenn sich das Klima gewandelt haben mag, dürfte es weiter im Süden die reicheren und vielseitigeren Ernten gegeben haben als im Norden (um wieder in die Nähe des Ackerbaus zu kommen)...



Was mir gerade im Kopf herumgeht.
Als Ende der 50er Anfangs der 60er Südländer, in dem Fall vorwiegend Italiener als Gastarbeiter kamen, waren die in aller Regel kleiner als die Deutschen.
Die Kinder, die sie zum Teil auch mit Italienerinnen zeugten, (bei den deutschen Fräuleins hatten sie durchaus das Geriss) sind aber mindestens so groß wie die gleichaltrigen Deutschen.
Ich vermute stark, dass da die Ernährung eine große Rolle spielt.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Arkona - 22.11.2013 13:39

(22.11.2013 13:11)Suebe schrieb:  Als Ende der 50er Anfangs der 60er Südländer, in dem Fall vorwiegend Italiener als Gastarbeiter kamen, waren die in aller Regel kleiner als die Deutschen.
Die Kinder, die sie zum Teil auch mit Italienerinnen zeugten, (bei den deutschen Fräuleins hatten sie durchaus das Geriss) sind aber mindestens so groß wie die gleichaltrigen Deutschen.
Ich vermute stark, dass da die Ernährung eine große Rolle spielt.
Sicher, aber nicht ausschließlich. Mailänder unterscheiden sich doch recht deutlich von Sizilianern. Cavalli-Sforza fand da deutliche Unterschiede. Im Norden hinterließen die Bewohner Mitteleuropas ihre Spuren, von den Kimbern bis zu Frundsbergs Landsknechten.
Dagegen haben die Römer schon halb Vorderasien nach Sizilien verschleppt (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Sklavenaufst%C3%A4nde_im_R%C3%B6mischen_Reich) und später saßen dort jahrhundertelang Araber.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Suebe - 22.11.2013 14:03

(22.11.2013 13:39)Arkona schrieb:  
(22.11.2013 13:11)Suebe schrieb:  Als Ende der 50er Anfangs der 60er Südländer, in dem Fall vorwiegend Italiener als Gastarbeiter kamen, waren die in aller Regel kleiner als die Deutschen.
Die Kinder, die sie zum Teil auch mit Italienerinnen zeugten, (bei den deutschen Fräuleins hatten sie durchaus das Geriss) sind aber mindestens so groß wie die gleichaltrigen Deutschen.
Ich vermute stark, dass da die Ernährung eine große Rolle spielt.
Sicher, aber nicht ausschließlich. Mailänder unterscheiden sich doch recht deutlich von Sizilianern. Cavalli-Sforza fand da deutliche Unterschiede. Im Norden hinterließen die Bewohner Mitteleuropas ihre Spuren, von den Kimbern bis zu Frundsbergs Landsknechten.
Dagegen haben die Römer schon halb Vorderasien nach Sizilien verschleppt (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Sklavenaufst%C3%A4nde_im_R%C3%B6mischen_Reich) und später saßen dort jahrhundertelang Araber.


Hast Du sicher mehr Ahnung als ich.

Ich habe mal gelesen, dass sich in Sizilien die Gene derart durcheinander gemischt hätten, dass oft ganz erhebliche Unterschiede in aussehen und Grösse unter Brüdern zu finden wären.
Empirisch würde ich dies bestätigen Cool


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Andy386 - 13.08.2015 16:10

Wow. was für eine spannende Diskussion. Ich wärm' mal etwas auf...

Was mir gar nicht in den Sinn will, ist die zeitliche Gleichsetzung von Domestizierung und Landwirtschaft. Ist es absolut unvorstellbar dass bspw. eine Gruppe, die 2-3 Mal im Jahr umzieht, eine Herde besitzt? Die Tiere sollten ja i.A. mobil genug sein Big Grin

Das die Menschen früher laktoseintolerant waren vermutet man derzeit nur aufgrund der Ötzi-Laborwerte, oder? Für mich klingt es nicht plausibel, dass sich die Muation der Laktoseverträglichkeit so schnell verbreiten kann. Und dann soll die Ausbreitung im Norden (bspw. Skandinavien) stärker sein wie an dem Ort, wo Tiere zuerst gezüchtet wurden (-> Anatolien)?


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Arkona - 14.08.2015 12:25

1) Es gab (und gibt) Nomaden, die ausschließlich von der Tierhaltung leben. Dazu eignen sich natürlich Schafe, Rinder und Pferde - nicht aber Schweine und Federvieh. Das ist aber eine vergleichbar junge Lebensform, die erst in der Bronzezeit aufkam. Vorher trieb man auch in den eurasischen Steppen (Flußtäler, Oasen) Ackerbau, der wurde wieder aufgegeben.

2) Eine Mutation, die einen deutlichen Selektionsvorteil bietet, breitet sich sehr schnell aus, da genügen ein paar Jahrhunderte. Und gerade im Norden war dieser Vorteil enorm, wo andere Nahrungsquellen besonders im Winter nicht in der erwünschten Vielfalt zur Verfügung stehen.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Paul - 15.08.2015 22:14

(22.11.2013 13:11)Suebe schrieb:  Was mir gerade im Kopf herumgeht.
Als Ende der 50er Anfangs der 60er Südländer, in dem Fall vorwiegend Italiener als Gastarbeiter kamen, waren die in aller Regel kleiner als die Deutschen.
Die Kinder, die sie zum Teil auch mit Italienerinnen zeugten, (bei den deutschen Fräuleins hatten sie durchaus das Geriss) sind aber mindestens so groß wie die gleichaltrigen Deutschen.
Ich vermute stark, dass da die Ernährung eine große Rolle spielt.

Da kamen ja die bessere Ernährung und die bessere Vermischung(Heterosiseffekt) zusammen.
Auch bei Belgiern, ursprünglichen Helvetiern und Ubiern trafen eine gute Ernährung auf Erbanlagen, die eine große Körpergröße ermöglichte. Hier könnten 15 bis 20 cm mehr, als die frühen Römer wahrscheinlich gewesen sein. Bei den nördlichen Germanen eher nur 10 cm.
Die nördlichen Germanen hatten Erbanlagen für eine größere Körpergröße, aber eine schlechtere Ernährung.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Suebe - 17.08.2015 15:29

Ich habe es hier vermutlich schon mal geschrieben, trotzdem nochmals.

Die Grundlegende Innovation des Ackerbaus war der Wendepflug.
Eine germanisch-slawische Erfindung, die sich ganz anders als sonst "üblich"
von Ost nach West und von Nord nach Süd ausgebreitet hat.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Paul - 17.08.2015 17:13

(17.08.2015 15:29)Suebe schrieb:  Ich habe es hier vermutlich schon mal geschrieben, trotzdem nochmals.

Die Grundlegende Innovation des Ackerbaus war der Wendepflug.
Eine germanisch-slawische Erfindung, die sich ganz anders als sonst "üblich"
von Ost nach West und von Nord nach Süd ausgebreitet hat.

Ich habe in verschiedenen Quellen gefunden, das der Wendepflug, in der Eisenzeit der Hallstattkultur entwickelt wurde, also von Kelten, südlichen Germanen und Rätern. Die Vandalen gaben diese Kulturtechnik im Osten an die Slawen und nördliche Germanen weiter. Die Franken übernahmen diese Technik von den Ubiern. So konnten sich Wendepflug und Fruchtwechselanbau gleichzeitig ausbreiten.

http://www.deutsches-museum.de/fileadmin/Content/data/Insel/Information/KT/heftarchiv/1995/19-3-30.pdf

Bei Wikipedia steht allerdings, das der Hakenpflug im Osten erst im Mittelalter durch den Wendepflug ersetzt wurde.

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Ostsiedlung


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Arkona - 17.08.2015 19:42

Das stimmt. Dreifelderwirtschaft und Wendepflug wurden im Slawengebiet erst mit der Ostkolonisation durch deutsche und holländische Siedler eingeführt. Nicht umsonst wurde deren Ansiedlung im Osten um 1200 massiv gefördert, die konnte man nach Ablauf gewisser Vergünstigungen um so mehr schröpfen. Höhere Erträge = mehr Geld in der Kasse des Grundherren. Die Slawen selbst kratzten vorher noch mit dem jungsteinzeitlichen Hakenpflug, nur in der Bewaffnung unterschied man sich nicht grundsätzlich.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Suebe - 18.08.2015 08:50

In der Prophyläen Technikgeschichte Band befasst sich Hörmann auf den Seiten 282 bis 296 mit der Entwicklung des Pflugs.
Die ersten Nachweise für den Wendepflug stammen dem nach aus dem Nordsee-Elbe-gebiet aus dem 1. Jahrhundert vChr.
Für die nachchristlichen Jahrhunderte bis zum 6., gibt es Nachweise für einen breiten nördlichen Streifen von der Ukraine bis nach England.

Er weist explizit darauf hin, dass es beim Pflug weder eine Übernahme aus den "Alten Kulturen" geben würde, noch eine später so häufige West-Ost-Übernahme.


RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa - Paul - 18.08.2015 09:46

Die Vandalen haben sich ja spätestens mit den Goten auch in die heutige Ukraine ausgebreitet. Möglichereise waren die Kenntnisse und vereinzelte Pflüge vorhanden, aber kein Geld für den massenhaften Einsatz eiserner Pflüge. Das 1. Jh. nach Chr. liegt natürlich lange nach der Hallstattzeit.
Pflüge und Fruchtwechselwirtschaft haben sich also hauptsächlich von Thüringen und Franken in die nördlicheren germanischen Gebiete und dann auch zu den Slawen ausgebreitet.
In Ubien war das Eisen so billig, das die Bauern auf Eisenschuhe für ihrer Pflüge verzichten konnten.