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Schlacht bei Riade - Druckversion

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Schlacht bei Riade - Suebe - 05.04.2015 21:33

Es ist bald 50 Jahre her.
Im Musikunterricht sangen wir: "Herr Heinrich sass am Vogelherd, recht froh und wohlgemut..."
Im Geschichtsunterricht hatten wir es von Heinrich I., dem ersten deutschen König.
Der den Ungarn, berechnend wie er war, Tribut zahlte, m de ein paar Jahre fernzuhalten.
In dieser Zeit reorganisierte er sein Heer (wie eigentlch?) baute Burgen zum Schutz des Landes. Als er sich stark genug fühlte, jagde er die Tributoler zum Teufel, und schlug das Straf-Heer der Ungarn bei Riade.

Der Gescictslehrer meinte (damals, vor knapp 50 Jahren) dass man nichtsorichtig wisse, was es sich mit dieser Schlacht auf sich hätte, ob es sich tatsächlich um ein Heer gehandelt hätte, das Heinrichs Heerbann da schlug, oder nur ene kleineStreifschar, dass man auch nicht wüsste wo dieses Riade lag, usw. usf.
Mehr Fragen als Anworten offen wären.
Es auf alle Fälle sicher wäre, dass die Ungarn da knapp 2 Jahrzehnte Ruhe gegeben hätten.

Wie ist heute der Stand der Wissenschaften zu Riade?
Gibt es da neues, belastbares?


RE: Schlacht bei Riade - Sansavoir - 06.04.2015 06:50

Der Ort der Schlacht konnte bisher nicht eindeutig bestimmt werden. Favorisiert wird nach wie vor der im Kyffhäuserkreis liegende Ort Ritteburg, heute ein Ortsteil von Kalbsrieth. Er liegt an der Mündung der Helme in die Unstrut. Als zweiter möglicher Ort wird der Ort Rietghen im Thüringer Becken (Landkreis Sömmerda) genannt. Dort gibt es ein Hunnenfeld, das im Bereich der Mündung der Helbe in die Unstrut liegt. Ebenso gibt es die Annahme das die Schlacht im heutigren Hallenser Stadtteil Radewell an der Mündung der Weißen Elster in die Saale stattfand. Dies würde aber bedeuten, dass sich die Ungarn praktisch bis vor die Haustür der königlichen Pfalz Merseburg gewagt hätten. Für die anderen beiden Orte spricht, dass um 933 Burgen zur Sicherung der Flussübergänge existierten und die Ungarn zwangsläufig da abgefangen werden mussten.

Es ist nicht mal eindeutig geklärt, ob Zoltan der Führer der unterlegenen Ungarn tatsächlich der Arpade war, der 924 mit Heinrich I. den Frieden schloss und dessen Emissäre 932 statt des geforderten Tributes nur einen toten Hund bekamen. Sollte dies tatsächlich so gewesen sein, dann hat Heinrich I. ganz gezielt eine Konfrontation mit den Ungarn gesucht. Da Zoltan trotz der Niederlage von Riade von 933 bis 947 Kende (Großfürst) der Ungarn wurde bzw. blieb, hatte die Niederlage keine weitere Bedeutung für die Ungarn gehabt. Diese Stellung konnte er aber nur halten, weil es ihm gelang, ständig neue, erfolgreiche Raubzüge zu organisieren. Unterstützt wurde er von Hugo von Arles, König von Italien, der ihm den Durchzug durch Norditalien gewährte und somit die Einfälle in das West- und Ostfrankenreich erst ermöglichte. Nach dessen Sturz 946 widersetzte sich Berengar II. von Ivrea, de facto Regent des italienischen Königreichs, dieser Politik und bekämpfte die Ungarn.

Während 933 die Ungarn (Magyaren) von einem gepanzerten (sächsischen) Ritterheer geschlagen wurden, beteiligten sich 955 alle ostfränkischen Herzogtümer an der Schlacht gegen die Ungarn. Ebenso sind nach 933 keine Hinrichtungen des Gegners überliefert worden und das Verhalten der Ungarn änderte sich auch nicht. Otto I. gelang es nur schrittweise den Aktionsradius der Ungarn einzuschränken, so in den 940er Jahren in Böhmen oder seit 951 in Italien. Dagegen wurden im Jahr 955 der dritthöchste Würdenträger Ungarns (Harka Bulcsu), der arpadische Prinz Lel und einige andere hochrangige Ungarn hingerichtet, obwohl die Ungarn bereit waren, diese Adligen auszulösen. Dieses Vorgehen zeigt sehr deutlich den unterschiedlichen Stellenwert den die Schlachten von Riade und auf dem Lechfeld hatten. Natürlich war das auch der geänderten politischen Lage geschuldet, vor allem war Otto nicht mehr bereit, die Ungarnfeldzüge ungestraft zu ertragen.

In Ungarn selbst fand nach 955 eine politische Kursänderung statt. Sie begann mit der Auswechslung der Führung, der Kende Fajsz wurde abgesetzt und der Titel Harka wurde abgeschafft, Bulcsus Nachkommen wurden entmachtet. Der seit 948 herrschende Kende Fajsz war ein Nachkomme des vierten Sohnes Arpads Jute, diese Linie wurde ebenfalls entmachtet. Damit blieben nur noch zwei der ehemaligen sechs Arpad-Linien (Arpads 5 Söhne Levente, Tarhos, Üllo, Jutas, Zoltan und sein Bruder/Neffe Szabolc) an der Macht, die des zweiten Sohnes Tarhos und des jüngsten Sohnes Zoltan. Koppany, ein Nachkomme Tarhos unterlag 998 Istvan (Stephan der Heilige), dem Urenkel Zoltans, dessen Linie sich dann endgültig durchsetzte und von 1000 bis 1301 die ungarischen Könige stellte. Allerdings waren es nach 1046 Nachfahren von Stephans Cousin Vazul, den er einst blenden ließ.

Zoltans Sohn Tarsony konnte 955 die Macht übernehmen. Unter ihm begann eine erzwungene Kehrtwende der ungarischen Außenpolitik. Der byzantinische Kaiser Konstantin VII. zahlte keine Tribute mehr, auch weil er seit 957 der Kiewer Großfürstin Olga Tribute leisten musste und seit der Machtübernahme von Nikephoros Phokas (963) hatte Byzanz sowieso mehr mit inneren Problemen zu kämpfen. Italien und Böhmen als Durchzuggebiete waren bereits weggefallen. Der ungarische Adel war gezwungen, sich neu zu orientieren. Das geschah, in dem man sich dem ehemaligen Gegner Otto I. annäherte und de facto unter Tarsony, Geza und Stephan das ottonische Lehensystem übernahm und zum katholischen Christentum übertrat. Die ungarische Verwaltungseinheit Komitat entsprach einer deutschen Grafschaft in den Herzogtümern. Besonders das bairisch-ungarische Verhältnis entwickelte sich gut, so konnten Ottos I. Neffe Heinrich der Zänker immer mit ungarischer Hilfe rechnen, egal ob sie gegen den König oder gegen Böhmen oder Polen kämpften. Der letzte Ottone Heinrich II. verheiratete sogar seine Schwester Gisela mit dem ungarischen König Stephan I., der Heilige. Des Weiteren setzte sich ein Teil der Verwalter der neu gebildeteten Komitate aus ostfränkischen, oft aus bairischen Rittern zusammen.

Doch zurück zu Riade: Die Quellenlage ist auch heute noch sehr dürftig. Fakt ist jedoch, dass in den 890er Jahren Leo VI., Kaiser von Byzanz die ungarischen Reiter im Kampf gegen die Bulgaren einsetzte und dass der ostfränkische König Arnulf von Kärnten mit ungarischer Hilfe das Großmährische Reich besiegte. 896 erfolgte laut ungarischer Geschichtsschreibung die offizielle Landnahme von Pannonien und einigen anliegenden Gebieten. Arpad war genau genommen nicht, Stammesfürst sondern nur Heerfürst (Gyula), der seine Macht mit einem Sakral- oder Friedensfürsten (Kende) und einem Richter (Harka) teilen musste. Die Ämter blieben mehr oder weniger im Familienbesitz, die Träger wurden aber gewählt und waren von ihrer Gefolgschaft abhängig. Ein Erbfolgerecht des ältesten Sohnes oder nach dem Senioratsprinzip bestand nicht. Der Enkel konnte nach dem (frühen) Tod seines Vaters nicht den Großvater beerben und war auf die Gnade seiner väterlichen Verwandtschaft angewiesen.

Nach der 893 erfolgten Niederlage der Ungarn gegen die mit Bulgarien verbündeten Petschenegen, die auch erst wenige Jahre in Osteuropa siedelten, wurde Arpad als Nachfolger seines Vaters Almos in das Amt des Heerfürsten (Gyula) gewählt. Sein Vater Almos war bereits zum Freitod gezwungen worden, weil er das damalige Siedlungsgebiet „Etelköz“ nicht gegen die Petschenegen verteidigen konnte. Die geografische Bestimmung von Etelköz ist strittig, der Name bedeutete „zwischen den Strömen“ oder „Zweistromland“, sehr wahrscheinlich sind Gebiete zwischen den Flussmündungen von Dnepr und Donau am Schwarzen Meer von den Ungarn besiedelt worden. 895 wurden die Ungarn als byzantinische Verbündete von den Bulgaren und Petschenegen erneut besiegt, die Überlebenden flüchteten über das heutige Siebenbürgen nach Pannonien. Da die Neuankömmlinge Arnulf von Kärnten gegen das Großmährische Reich unterstützten, erkannte der ostfränkische König die Landnahme an. Was blieb ihm auch anderes übrig?

Der neue König Ludwig das Kind bzw. der Regent Hatto von Mainz akzeptierten jedoch nicht diese Landnahme, deswegen befanden sich die Ostfranken bis 913 im Krieg gegen die Ungarn, deren Hauptlast von den Baiern getragen wurde. 904 wurde der Friedensfürst Kurszan nach Baiern zu einem Friedensmahl eingeladen, wo er samt seiner Gefolgschaft niedergemetzelt wurde. In der ungarischen heidnischen Glaubenswelt wurde dies als Unglück betrachtet, Kurszans Familie wurde deswegen entmachtet. Erst zu diesem Zeitpunkt kann man Arpad als Kende oder Großfürsten bezeichnen. Er besiegte dann 907 in der Schlacht bei Pressburg die Baiern, deren Herzog Luitpold fiel. Dessen Sohn Arnulf der Böse besiegte die Ungarn 913 am Inn und schloss Frieden mit ihm. Er konnte sogar nach seiner Niederlage gegen den ostfränkischen König Konrad I. nach Ungarn flüchten und 917 mit deren Hilfe wieder nach Baiern zurückkehren.

Nach der Schlacht von Pressburg war praktisch die Landnahme vollzogen. Arpad starb aber noch im Jahr 907. Sein ältester und als Erbe vorgesehener Sohn Levente fiel bei Pressburg, so dass die Nachfolge Tarhos, dem zweiten Sohn zustand. Dies ist nicht gesichert, es wird auch angenommen, dass die Macht auf Arpads jüngeren Bruder bzw. Neffen Szabolc überging. Das ist bisher nicht geklärt. Fakt ist aber, dass durch den Schlachtentod von Levente (des ältesten Sohnes) dessen Nachkommen entmachtet worden sind, ebenso die des dritten Sohnes Üllo, der ebenfalls vor seinem Vater starb. Übrig blieben nur noch Tarhos, Jutas, Zoltan und Szabolcs aus dem Hause Arpad und einige andere Großen. Einer Familie, wahrscheinlich die Nachkommen des ehemaligen Harkas Teteny, gelang es sich als Gyula von Siebenbürgen zu behaupten, andere Ungarn plünderten gemeinsam mit anderen Stämmen, so 906 in Sachsen.

Da bisher nicht geklärt werden konnte, wer zwischen 907 und 933 tatsächlich ungarischer Kende war oder wie sich der Aufstieg Bulcsus (oder dessen Vater bzw. älterer Verwandter) vollzogen hat, deutet alles darauf hin, dass es in diesem Zeitraum einige miteinander konkurrierende Führungspersönlichkeiten gegeben hat, die ihre Macht ihren Gefolgschaften verdankten. Deren Loyalität konnte aber nur durch die Überlassung von materiellen Gütern, also Gebrauchsgegenstände und Luxusgüter, erhalten werden. Aus diesem Grund fanden die Raubzüge statt und sie festigten die Macht einer ungarischen Oligarchie. Dies änderte sich nicht nach Riade, Zoltan konnte 933 sogar Kende werden. Das bedeutet, entweder unterlag ein anderer Zoltan in Riade oder das Ereignis wurde von den Ungarn als Gemetzel angesehen, dass nicht den Gesamterfolg (ergo die reiche Beute) des Feldzuges beeinträchtigte. Und Heinrich I. schlachtete das Ereignis propagandistisch aus, um seine Politik seit 924 zu rechtfertigen. Dazu gehört nicht nur der Ausbau des Saale-Unstrut –Gebietes bzw. Thüringens mit Burgen, sondern auch die Eroberung des Gebietes zwischen Saale und Elbe 928/29, das bis dato als Pufferzone zu Böhmen galt. Schließlich wurde 929 der böhmische Herrscher Wenzel der Heilige gezwungen, Heinrich I. als Oberherrn anzuerkennen. Dies muss man nicht nur als Unterordnung sehen, sondern auch als klare Warnung an die Elbslawen betrachten. Die Ermordung Wenzel des Heiligen durch seinen Bruder Boleslaw den Grausamen 929 oder 935 ist auch als Fanal zu sehen, sich gegen Heinrichs I. Politik zu stellen.

Für die ungarische Führung bedeutete die erzwungene Einschränkung der Raubzüge einen enormen politischen und wirtschaftlichen Machtverlust. Dies wurde von Bulcsu klar erkannt, der als Harka (Richter) nominell das dritthöchste Amt besaß, tatsächlich mit der Kombination als Oberbefehlshaber des Heeres seit 948 der mächtigste Mann der Ungarn war. Bulcsu ließ sich von der Ostkirche taufen und schloss einen Bündnis- und Freundschaftsvertrag mit Byzanz, das ihm jährliche Tribute zusicherte. Ähnliches schwebte ihm mit dem ostfränkischen Reich vor. Es sollte den Ungarn tributpflichtig werden. Diese Idee wurde begünstigt durch die Aufstände Ludolfs von Schwaben 953 oder Konrads des Roten 954, Sohn bzw. Schwiegersohn von Otto I. Außerdem rechneten die Ungarn mit der Illoyalität von Ottos Bruder Heinrich, Herzog von Bayern. Bulcsu hätte sich als Sieger über ein tributpflichtiges Reich gegen seine Konkurrenten als Alleinherrscher der Ungarn durchgesetzt. Diese Motivation muss man ihm unterstellen, da er auch nach dem Abfall seiner möglichen Verbündeten für die Schlacht (als eine Art Gottesurteil) entschied.

Fazit: Da sich nach der Schlacht von Riode sich nichts Wesentliches in der ungarischen und in der ostfränkischen Politik änderte, wurde sie von den Zeitgenossen wohl auch nicht als entscheidend angesehen. Sie war eine von vielen Schlachten und hatte nicht die nachhaltigen Entwicklungen, die der Schlacht auf dem Lechfeld von 955, sowohl in Ungarn, als auch im ostfränkischen Reich folgten.