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Schottlands Referendum - Druckversion

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RE: Schottlands Referendum - Harald - 05.11.2014 14:34

Hörst du etwas davon, daß "London" etwas unternimmt, um die großzügigen Zusagen einzuhalten? Ich nicht. Die Abstimmung ist gelaufen und nun haben die Herren Spitzenpolitker anderes zu tun. Eine zweite Abstimmung werden sie nicht zulassen.


RE: Schottlands Referendum - Bunbury - 05.11.2014 17:01

Nein, alles was ich über meine schottischen Freunde erfahre, ist, daß London eben keine Zusagen einhält.
Ich weiß aber nicht, ob Cameron und sein potentieller Nachfolger ein erneutes referndum tatsächlich aufhalten könnten. Boris (grins) Johnston ist noch londonfixierter als Cameron. Und da letztendlich auf dem Papier, das den Zusammenschluss von Schottland und England regelt, beide Länder gleichberechtigt sind (ich weiß, Papier ist geduldig), kann sich London nicht wirklich gegen ein erneutes Referendum stellen, wenn es in Edinburgh beschlossen wird...


RE: Schottlands Referendum - Arkona - 05.11.2014 17:26

So dumm und kurzsichtig kann London doch nicht handeln. Die Zusagen werden schon noch eingehalten werden, man kann sie schließlich nicht von heute auf morgen umsetzen. Aber wehe wenn nix passiert...


RE: Schottlands Referendum - Bunbury - 05.11.2014 18:09

ja, wahrscheinlich hat David Cameron momentan etwas anderes zu tun. Die EU will von ihm eine satte Nachzahlung, und er ist beschäftigt, sein eigenes Referendum vorzubereiten- 2017 wird im Königreich darüber abgestimmt, ob man in der EU bleiben will.

Jetzt könnte man natürlich spekulieren- wenn Großbritannien aus der EU austritt, was passiert dann mit den Schotten, die ja auch
deswegen in Großbritannien geblieben sind, weil die EU sie alleine erst mal nicht haben wollte... Wink


RE: Schottlands Referendum - Suebe - 10.11.2014 13:12

Das hat mich bisher lediglich am Rande beschäftigt.
Jetzt lese ich gestern einen Artikel über den Deutschen Föderalismus, und da ist zu lesen, dass Schottland deutlich mehr Autonomie-Rechte hätte wie zB eines der deutschen Bundesländer.

Wo genau drückt die Schotten denn dann der Schuh?


RE: Schottlands Referendum - Bunbury - 10.11.2014 15:14

(10.11.2014 13:12)Suebe schrieb:  Das hat mich bisher lediglich am Rande beschäftigt.
Jetzt lese ich gestern einen Artikel über den Deutschen Föderalismus, und da ist zu lesen, dass Schottland deutlich mehr Autonomie-Rechte hätte wie zB eines der deutschen Bundesländer.

Wo genau drückt die Schotten denn dann der Schuh?

Erstens würde ich deutschen Zeitungen in Bzeug auf Schottland nur eingeschränkt Glauben schenken. Wenn ich allen Ernstes zwei Tage vor dem Refrerendum in einem Artikel, der über dpa verkauft wurde, lesen kann, daß die Schotten den Engländern nie verziehen haben, daß sie die von ihnen so heiß geliebte Maria Stuart enthauptet haben, habe ich so meine zweifel daran, daß Deutsche Zeitungen seriös berichten. Die Unabhängigkeitsbestrebungen in den Balkanstaaten waren nach deutscher Lesart gut und deswegen wurde positiv darüber berichtet, wie notwendig sie sieen, die schottischen sind natürlich schlecht... Aber das ist ein andres Thema.

Und zweitens kann man das Deutsche System nicht mit dem Britischen vergleichen. Deutschland hat 16 Bundesländer, die gleichberechtigt sind, aber dem Gesamtstaat als solches untergeordnet sind. Wir haben einen Bundesrat, über den auch die Länderparlamente gesetzgebend mitwirken, womit sichergestellt ist, daß die Länder so mehr oder weniger gleichberechtigt sind. Gut, lassen wir die Bayern mal außen vor...

Schottland und England sollten ein Zusammenschluss zweier gleichberechtigter Staaten sein. Sind sie aber nicht- England dominiert in jeder Beziehung. Zwar hat das schottische Parlament das recht, über inerne Angelegenheit selbst zu entscheiden, aber Das parlament in Westminster kann jede schottische Entscheidung überstimmen- und tut es mit schönster Regelmäßigkeit auch.
Kannst du dir vorstellen, was passieren würde, wenn der Bundestag ein Gestz, das der Seehofer in bayern verabscheidet, für ungültig erklärt?

Letztendlich dürfen die Schotten also nur das autonom regeln, was London ihnen erlaubt. Die "Autonomie" besthet vor allem, daß die Schotten ihre verwaltung selbst regeln dürfen- aber wie gesagt, London kann jederzeit eingreifen und etwas anderes anordnen.
Die britischen Atomwaffen lagern nicht allzuweit entfernt von Glasgow- die Schotten wollten sie nicht, haben aber keine Chance, wenn London das so entscheidet.
Die Schotten dürfen keine Steuern erheben, um ein Sozialsystem zu finanzieren, wie es ihnen vorschwebt. Sie dürfen über Teile ihres Gesundheitssystems und ihr Bildungssystem bestimmen, mehr nicht. Die Haltung der britischen Regierung zur EU gefällt ihnen nicht, aber auch hier werden sie aus London regelmäßig überstimmt..
Und nicht zu vegessen- in Schottland bekommt Labour rund 70% der Stimmen. regiert werden sie seit Jahren von Tories.
Man hat also in Schottland immer das Gefühl, nur 2. Klasse zu sein.

In Deutschland funktioniert es einigermaßen, weil mit vielleicht Ausnahme der Bayern allen eines gemeinsam ist- ob Hessen, Schwaben oder Sachsen- in erster Linie sind sie Deutsche.
Die Schotten haben versucht, sich als Briten zu sehen. Die Engländer dagegen nur sehr vereinzelt. Sie waren immer Engländer. Und da liegt letztendlich der Kernpunkt des Problems. Gleichberechtigte Partner waren sie nie.

Wenn London ein zweites Referendum verhindern will, dann müssen sie den Schotten vor allem zugestehen, ein Stück weit mehr über ihr Land bestimmen zu dürfen.
Man stelle sich vor, Niedersachen würde entscheiden, in Bayern ein Atomkraftwerk zu bauen und die Bayern könnten nichts dagegen tun....


RE: Schottlands Referendum - Suebe - 10.11.2014 15:56

Kein Zeitungsartikel
daraus:
http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/35763/foederalismus-in-deutschland-vom-fuerstenbund-zur-bundesrepublik

ich bin ein Fan der Bücher der bpb, sind sehr günstig und kein Schrott.

Was heißen würde, die Briten leben in einem Staatenbund, kein Bundesstaat wie bei uns.
Wobei, Gorleben, der Bund bestimmt bei uns manches, was den Ländern so gar nicht passt.
Der Bundesrat nivelliert vieles, das ist richtig, wir haben im Prinzip ja seit 1969 eine Allparteienregierung, mit ganz wenigen Jahren Ausnahme gab es im Bundesrat immer andere Mehrheiten als im Bundestag.
Aber die Länder haben seit 1949 kontinuierlich an Autonomie verloren.
Aber OK, hier natürlich nicht Thema.


RE: Schottlands Referendum - Bunbury - 10.11.2014 16:54

Ja, eingentlich ist Großbritannien ein Staatenbund.
Die schottische Autonomie besteht, wenn ich das richtig verstanden habe- manchmal verstehe ich das Englische ein bißchen falsch....- vor allem auf der Verwaltungsebene, nicht aber auf der gesetzgebenden Ebene und wird deswegen nicht als wirkliche Autonomie wahrgenommen.

Ich denke, auch darauf kommt es immer ein Stück weit an. Juristisch gesehen kann hier eine starke Autonomie vorliegen, aber wenn das nur Anwälte verstehen, der Durchschnittsbürger sich aber gegängelt fühlt, weil ein Gesetz, daß in Schottland mit der Mehrheit der Bürger verabschiedet würde, in London gekippt wird, weil es englischen Interessen zuwderläuft, wird er es nicht als Autonomie wahrnehmen.

edit: Deine Quelle scheint in der Tat seriöser zu sein als der Durchschnittsjournalist eines Regionalblattes... Aber wirklich vertrauenswürdig... Hm, ich bin mir nicht sicher. irgendwie hat mein Vertrauen auch in den Staat abgenommen, was politische Neutralität angeht...


RE: Schottlands Referendum - Suebe - 10.11.2014 20:04

(10.11.2014 16:54)Bunbury schrieb:  edit: Deine Quelle scheint in der Tat seriöser zu sein als der Durchschnittsjournalist eines Regionalblattes... Aber wirklich vertrauenswürdig... Hm, ich bin mir nicht sicher. irgendwie hat mein Vertrauen auch in den Staat abgenommen, was politische Neutralität angeht...

Jetzt komm, Star
alles kann man nun doch nicht in Frage stellen.

Natürlich ist die bpb politisch nicht neutral, an der Überwachung sind aber doch alle Parteien im Parlament beteiligt.
Es ist unter demokratischen Grundsätzen kaum möglich neurtralere Rahmenbedingungen zu schaffen.


RE: Schottlands Referendum - Harald - 10.11.2014 22:05

Es ist nicht nötig, daß der Bundestag ein bayerisches Landesgesetz aufhebt. Ein Grundsatz, ich glaube es ist ein Grundgesetzartikel, lautet: Bundesrecht bricht Landesrecht. Ein Artikel der hessischen Verfassung verstaatlicht die Grundstoffindustrie. Da er aber dem Grundgesetz widerspricht ist er still und ergreifend gegenstandslos ohne daß er offiziell aufgehoben wurde.


RE: Schottlands Referendum - Suebe - 11.11.2014 08:42

Wie die Todesstrafen die noch sehr lange in Landesverfassungen schlummerten


RE: Schottlands Referendum - Avicenna - 11.11.2014 10:38

Welche Hürden gäbe es zu nehmen, wenn bei uns ein Bundesland die Bundesrepublik verlassen wollte.
Besteht diese Option eigentlich für alle Länder oder nur für bestimmte z.B. die Freistaaten ...?


RE: Schottlands Referendum - Suebe - 11.11.2014 12:22

(11.11.2014 10:38)Avicenna schrieb:  Welche Hürden gäbe es zu nehmen, wenn bei uns ein Bundesland die Bundesrepublik verlassen wollte.
Besteht diese Option eigentlich für alle Länder oder nur für bestimmte z.B. die Freistaaten ...?

Es gibt keine Möglichkeit. Der Bund ist unauflöslich.
So wird auch der Haupt-Unterschied zwischen dem Bundesstaat und dem Staatenbund definiert.
Aus dem Staatenbund, Beispiel EU, kann man austreten, aus dem Bundesstaat nicht.

OT, aber historisch:
Der langjährige württ. Minister Mittnacht, hat in den 1880er Jahren gegenüber Berlin auf der "Auflöslichkeit" des Bundesstaates "Deutsches Reich" bestehen wollen, aber natürlich erfolglos. Disclaimer: Er wollte nicht ernsthaft austreten, nur die Möglichkeit betonen.


RE: Schottlands Referendum - Suebe - 11.11.2014 12:26

Das bekannteste Beispiel, dass Staaten aus einem Bundesstaat austreten wollten, ist der Amerikanische Bürgerkrieg.
Aber es gab in Europa 15 Jahre früher etwas, politisch, vergleichbares.
Der Schweizer Sonderbundskrieg.


RE: Schottlands Referendum - Bunbury - 11.11.2014 12:34

(11.11.2014 12:26)Suebe schrieb:  Das bekannteste Beispiel, dass Staaten aus einem Bundesstaat austreten wollten, ist der Amerikanische Bürgerkrieg.

Ob das wirklich das bekannteste ist? Das ehemalige Jugoslawien liegt näher und kürzer zurück... Der Zerfall des Staatenbundes begann mit dem Austritt Sloweniens.


RE: Schottlands Referendum - Suebe - 11.11.2014 12:44

(11.11.2014 12:34)Bunbury schrieb:  
(11.11.2014 12:26)Suebe schrieb:  Das bekannteste Beispiel, dass Staaten aus einem Bundesstaat austreten wollten, ist der Amerikanische Bürgerkrieg.

Ob das wirklich das bekannteste ist? Das ehemalige Jugoslawien liegt näher und kürzer zurück... Der Zerfall des Staatenbundes begann mit dem Austritt Sloweniens.


Du hast natürlich recht, ich hätte schreiben müssen, "mir bekannteste"

Jugoslawien war doch ein Staatenbund? Mindestens laut Verfassung der 60er Jahre - mit dem Recht des Austritts?

Die Sowjetunion? Ein "föderativer Einheitsstaat" die Folgekonstruktion GUS dann ein Staatenbund.

Man sieht es mal wieder. Alle Definitionen sind Konstrukte, die Historie - das Leben, schreiben immer andere und neue "Geschichten"


RE: Schottlands Referendum - Bunbury - 11.11.2014 12:49

(10.11.2014 20:04)Suebe schrieb:  
(10.11.2014 16:54)Bunbury schrieb:  edit: Deine Quelle scheint in der Tat seriöser zu sein als der Durchschnittsjournalist eines Regionalblattes... Aber wirklich vertrauenswürdig... Hm, ich bin mir nicht sicher. irgendwie hat mein Vertrauen auch in den Staat abgenommen, was politische Neutralität angeht...

Jetzt komm, Star
alles kann man nun doch nicht in Frage stellen.

Warum nicht?


(10.11.2014 20:04)Suebe schrieb:  Natürlich ist die bpb politisch nicht neutral, an der Überwachung sind aber doch alle Parteien im Parlament beteiligt.
Es ist unter demokratischen Grundsätzen kaum möglich neurtralere Rahmenbedingungen zu schaffen.

Bei den derzeitigen parlamentarischen Verhältnissen glaube ich nicht daran, daß die Demokratie wirklich geschützt wird. Völlig unbeachtet wurden von unterschiedlichen staatlichen Gremien in der letzten Zeit Entscheidungen getroffen, die sich langfristig wahrscheinlich eher demokratieschädigend auswirken.

Das wäre aber ein eigenes Thema wert, das ich aber ganz sicher nicht eröffnen werde.Wink


RE: Schottlands Referendum - Suebe - 11.11.2014 13:09

(11.11.2014 12:49)Bunbury schrieb:  ./.

Bei den derzeitigen parlamentarischen Verhältnissen glaube ich nicht daran, daß die Demokratie wirklich geschützt wird. Völlig unbeachtet wurden von unterschiedlichen staatlichen Gremien in der letzten Zeit Entscheidungen getroffen, die sich langfristig wahrscheinlich eher demokratieschädigend auswirken.

./.

Sagen wir mal so, es ist bei der "Demokratie" wie so häufig:

Der Weg ist das Ziel
.

Die jeweils Herrschenden suchen natürlich nach einer "kommoderen" Art der Ausübung ihrer Herrschaft und dem Erhalt ihrer Herrschaft - so ist der Mensch.
Und, muss man sich immer vor Augen halten, die Bequemlichkeit ist halt gleichzeitig auch der Motor und Auslöser allen Fortschritts.

In der Demokratie wird der Bürger und Steuerzahler alle paar Jahre aufs neue gefragt, und da muss er SEINE unbestrittenen "Autonomierechte" halt immer aufs neue so ausüben, dass die Herrschenden andere werden, oder einen gewaltigen Denkzettel mitbekommen.

So funktioniert Demokratie, nicht anders
.


RE: Schottlands Referendum - Avicenna - 11.11.2014 13:27

(11.11.2014 12:22)Suebe schrieb:  Es gibt keine Möglichkeit. Der Bund ist unauflöslich.
So wird auch der Haupt-Unterschied zwischen dem Bundesstaat und dem Staatenbund definiert.

Danke erstmal.

Aber wenn es ein Bundesland unbedingt wollte. Dieses Bundesland selbst auch per Volksentscheid darüber abstimmen lassen würde, mit dem Votum, dass die Mehrzahl der Bürger dem zustimmt und ein souveräner Staat angestrebt wird.

Der Bund könnte dagegen vorgehen und es nicht zulassen, er wäre per GG dazu autorisiert, so habe ich das verstanden - würde er es aber auch tun, also mit aller Konsequenz?


RE: Schottlands Referendum - Bunbury - 11.11.2014 14:14

(11.11.2014 13:09)Suebe schrieb:  Sagen wir mal so, es ist bei der "Demokratie" wie so häufig:

Der Weg ist das Ziel
.

Die jeweils Herrschenden suchen natürlich nach einer "kommoderen" Art der Ausübung ihrer Herrschaft und dem Erhalt ihrer Herrschaft - so ist der Mensch.
Und, muss man sich immer vor Augen halten, die Bequemlichkeit ist halt gleichzeitig auch der Motor und Auslöser allen Fortschritts.

In der Demokratie wird der Bürger und Steuerzahler alle paar Jahre aufs neue gefragt, und da muss er SEINE unbestrittenen "Autonomierechte" halt immer aufs neue so ausüben, dass die Herrschenden andere werden, oder einen gewaltigen Denkzettel mitbekommen.

So funktioniert Demokratie, nicht anders
.

Theoretisch hast du vollkommen recht. Problematisch wird es dann, wenn ein Klima geschaffen wird, in dem es enorm erleichtert wird, auf die Autonomierechte zu verzichten und die Wahrnehmung selbiger erschwert wird.

Deswegen darf man auch nie aufhören, Dinge in Frage zu stellen....