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Zeitalter der Ideologien - Druckversion

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Zeitalter der Ideologien - WernerS - 28.04.2013 23:36

Das neunzehnte Jahrhundert, eine Zeit der Ideologien. Nach 1789, als man merkte, dass das Königtum trotz Gottesgebundenheit nicht stabil ist und pragmatisch genug ist, suchten Staatstheoretiker und Philosophen sowie die Protosoziologen nach geeigneten Formen einen Staat aufzubauen.

Aus diesem Grund entstehen im 19. Jahrhundert die heute gängisten Weltansichten: Klerikalismus (Ultramontanismus), Antiklerikalismus, Sozialismus, Sozialdemokratismus, Nationalismus, Chauvinismus, Modernismus, Pazifizismus, Feminismus, Suffragetismus und viele mehr.

Das offensichtliche daran aber war, dass im langen 19. Jahrhundert nur der schon im Vorjahrhundert entstandene Liberalismus sich gewaltsam durchsetzen wollte. Die Revolutionen im zwischen 1889 und 1849 zeigen genau, dass Europaweit nun der Freiheitsgedanke und Besitzstandswahrung der Mittelklasse durchgesetzt werden sollen. Das Ganze aber lässt sich im 19. Jahrhundert damit bezeichnen, als dass man sagt, es war die Zeit der Entstehung der Ideologien.

Anders das Folgejahrhundert: Nationalismus und Chauvinismus setzten sich um 1910 eher durch und wurde nach und nach auf ungewaltsamen Weg durchgesetzt. Der erste Weltkrieg ist das Weltanschauliche Ergebnis vielerlei ambivalenten nationalisitschen Interessen. So gesehen, ist das Zeitalter der Ideologien also nicht vorbei, es folgen liberale Umbrüche, wie im Deutschen Reich, Österreich, anfangs Russland und plötzlich auch sozialistische/kommunistische Umbrüche. Noch schwerer wird Europa in den 20er Jahren erschüttert. Neben dem bekanntesten Beispiel Deutschland fallen auch Italien schon 1922, Spanien 1934 und einige Osteuropäische Länder in die Hände von Faschisten. Ein totalitäres System soll für die jeweilige Weltanschuung eine Legitimation bieten.

Dennoch verfallen die faschistischen Systeme wieder, doch der Kampf um die beste Weltanschuung geht weiter. Kalter Krieg. So nennt man die größte Auseinandersetzung, die zwischen den beiden Großmächten USA und Russland je erlebt hatte. Kämpften einige Truppen zwar von 1919 bis 1922 in Russlang gegen die "roten" bricht nach gemeinsamen Erfolg gegen das Deutsche Reich der Konflikt zwischen radikal freiheitlicher Mittelstandspolitik gegen einen radikalen Stalinismus, der abweichend vom Sozialismus expansiv und aggresiv vorgeht, offen aus. Aber auch die Phase verging mit Ende des Kalten Krieges spätestens 1991.

Doch auch dieser Konflikt zeigt, wie die modernen Weltanschuungen kommen, mit Gewalt durchgesetzt werden sollen und dann doch verfallen. Inzwischen sind auch Übernationale Bewegungen entstanden, die zumindenst argumentativ bis gewaltsam sich durchsetzen sollen: der heute viel kritisierte Europäismus, die Weltkirche, das pazifistische Konzept hinter den United Nations, Islamismus, Postsozialistische Diktatur und viele mehr.

Auf dem Balkan herrscht bis heute eine Art des Nationalismuses, der bis heute zu einer Spaltung der vielen Ethnien in dem ehemaligen Jugoslawien und Kroatien trennt. Es ist beinahe ein Ethnonationalismus, widerstreben dem Europäismus.

Doch nun kommt die steile These: Die liberale und sozialdemokratische Demokratie scheint sich wohl dauerhaft als Weltkonzept durchzusetzen. Wenn die Welt sich daran gewöhnt hat, besteht die Gefahr (oder die Hoffnung, das lasse ich völlig offen),dass dieses System für mehrere Jarhunderte wie die Monarchien im Mittelalter nicht angetastet werden. Um nicht in den Verdacht zu geraten, eine Ideologielose Ideologie betreiben zu wollen, flüchten sich viele in konforme Konzepte, die mitunter eine Mischung sind aus mehreren Ideologien beispielsweise den deutschen Grünen.

Die große Frage hinter der geschichtlichen Entwicklung: Ist die Zeit der Ideologien bald vorbei oder werden sich in der Geschichte weiter Konzepte gegenüber stehen die durch ihre Träger gewaltsam durchgesetzt werden sollen?

Interessante Disskussion!


RE: Zeitalter der Ideologien - Sansavoir - 29.04.2013 15:03

Momentan sieht es eher nicht danach aus, als ob die Zeit der sich bekämpfenden Ideologien, Religionen und Wirtschaftstheorien vorbei ist.


RE: Zeitalter der Ideologien - Bunbury - 29.04.2013 15:36

Was ist denn bitte das Konzept der Globalisierung anderes als eine Ideologie? Der westliche Kapitalismus ist eine Ideologie, die dem Götzen "Wachstum" huldigt- und die von diversen anderen Ideologien und Religionen bekämpft wird.

nein, ich sehe auch nicht, daß das irgendwie zu Ende gehen würde...


RE: Zeitalter der Ideologien - WernerS - 29.04.2013 15:58

[quote] Was ist denn bitte das Konzept der Globalisierung anderes als eine Ideologie? [quote]

Globalisierung ist im Grunde ein Vorgang, der nicht unbedingt forciert werden muss, sondern einfach nur damit zusammenhängt in welchem Überregionalen Umfang Geschäfte getrieben werden und Menschen vernetzt sind. Somit ist Globalisierung also ein Phänomen, das Ideologien hervorruft, aber selbst keine Ideologie sein, weil ein solcher Vorgang gar nicht konzipiert ist.

Ich denke, ich muss die Frage nochmals präzisieren und eingrenzen, da es scheinbar falsch herüber bekommen ist. Nicht dass der Diskurs plötzlich aufhörte und zum erliegen gekommen ist, es entstehen ja keine neuen Konzepte, Kapitalismus ist kein Konzept der letzten paar Jahre. Aber gewaltätige Durchsetzungsversuche und elitäre Staatskrisen wie Kalter Krieg, Faschistische Entwicklungen und so weiter schrumpfen seit den 90er Jahren immer mehr. Und in den meisten Fällen wird die palarmentarische Demokratie durchgesetzt (grundsätzlich mit welcher Färbung auch immer). Also ist es doch momentan zwangsläufig so, dass es diese Unterschiede á la Kalter Krieg an oberster Stelle abnehmen. Durch das vermengen verschiedener Konzepte schwächt sich ja auch der ideologische Unterschied ab. Konsens ist meist ein Mittelweg, dessen Träger ja die Ideologen sein müssen.

Deswegen muss man sich schon fragen, ob die Schnitte, die großen Konflikte um Ideologie in den Hinter- und Untergrund geraten, damit wären sie zwangsläufig dem Verschwinden nahe - ähnlich wie viele geistesgeschichtliche Phänomene.


RE: Zeitalter der Ideologien - Titus Feuerfuchs - 29.04.2013 20:47

(29.04.2013 15:36)Bunbury schrieb:  Was ist denn bitte das Konzept der Globalisierung anderes als eine Ideologie? Der westliche Kapitalismus ist eine Ideologie, die dem Götzen "Wachstum" huldigt- und die von diversen anderen Ideologien und Religionen bekämpft wird.

nein, ich sehe auch nicht, daß das irgendwie zu Ende gehen würde...

Globalisierung ist doch keine IdeologieHuh, sondern ein Selbstläufer, der das Resultat verschiedenster Entwicklungen ist.

Wachstum ist kein Götze, sondern mit unserem globalen Wirtschafts- und Geldsystem inhärent verbunden. Toll ist das nicht unbedingt, weil das irgendwann zwangsläufig an den Plafond stoßen muss.
Findet kein Wachstum statt, können die Kredite nicht mehr bedient werden und der Ofen ist aus, so einfach ist das.


RE: Zeitalter der Ideologien - Titus Feuerfuchs - 29.04.2013 22:04

(28.04.2013 23:36)WernerS schrieb:  Das neunzehnte Jahrhundert, eine Zeit der Ideologien. Nach 1789, als man merkte, dass das Königtum trotz Gottesgebundenheit nicht stabil ist und pragmatisch genug ist, suchten Staatstheoretiker und Philosophen sowie die Protosoziologen nach geeigneten Formen einen Staat aufzubauen.


Aus diesem Grund entstehen im 19. Jahrhundert die heute gängisten Weltansichten: Klerikalismus (Ultramontanismus), Antiklerikalismus, Sozialismus, Sozialdemokratismus, Nationalismus, Chauvinismus, Modernismus, Pazifizismus, Feminismus, Suffragetismus und viele mehr.


Nicht aus diesem Grund, das Ganze ist um einiges vielschichtiger.

Durch die rasante Technische Entwicklung (Eisenbahn, Telegarphen, Zeitungen,...)wurde die Welt kleiner und es entstand eine neue gebildete, aufgeklärte und wohlhabende Schicht: das Bürgertum.
Diese Menschen sind nun mal nicht so gern fremdbestimmt und stehen auch nicht gerne apathisch unter Kuratel eines Herrschers, der sich auf's Gottesgnadentum beruft. Das ist für einen aufgekärten Menschen keine Legitimation.

Der Fortschritt, dh die industrielle Revolution brachte auch eine zweite neue Gesellschaftsschicht hervor, die Arbeiterschaft.

Auf diesen Beiden dem Fortschritt entsprungenen Gesellschaftsschichten fußen die beiden heutigen Großparteien und ihere Ideologien:
-Sozialdemokratie und ihre radikale Form, der Kommunismus, als Vertreter der Arbeiterschaft einerseits und

-Christlich Soziale als Vertreter des Bürgertums andererseits.

Aber auch die dritte große Strömung -der Nationalismus- lässt sich mit dem Fortschritt in Technik und Gesellschaft erklären.
Vor dem Aufkeimen des Nationalismus hatte die politische Landschaft Europas aus ethnisch mehr oder weniger heterogenen Großreichen bestanden.
Die Menschen verbrechten ihr Leben auf sehr kleinem Raum und identifizierten sich nur mit der nächsten Umgebung.

Mit der zunehmenden Alphabetisierung und periodisch erscheinenden Schriften entstand zum einen ein eigenes Sprachbewußtsein (z.B. Tschechien oder Slowenien) und zum anderen eine Hochsprache, die es bis dato oft nicht gegeben hatte.
Das bedingte eine von gebildeteren Menschen getragene Identifikation mit der eigenen Ethnie und daraus erfolgenden Nationalismus. Die Menschen hatten keine Lust mehr, von anderen Ethnien v.a. der Deutschen aber ech z.B. der ungarischen fremdbestimmt zu sein.
Damit läßt sich der Zerfall der Kuk Monarchie erklären.
Aber auch z.T. die Genese der deutschen und italienischen Nation.

Diese Nationalstaatenbildung würfelte dann die Weltordnung durcheinander.



(28.04.2013 23:36)WernerS schrieb:  Anders das Folgejahrhundert: Nationalismus und Chauvinismus setzten sich um 1910 eher durch und wurde nach und nach auf ungewaltsamen Weg durchgesetzt. Der erste Weltkrieg ist das Weltanschauliche Ergebnis vielerlei ambivalenten nationalisitschen Interessen. So gesehen, ist das Zeitalter der Ideologien also nicht vorbei, es folgen liberale Umbrüche, wie im Deutschen Reich, Österreich, anfangs Russland und plötzlich auch sozialistische/kommunistische Umbrüche. [...]

Wo siehst du liberale Umbrüche im zaristischen/kommunistischen Russland?



(28.04.2013 23:36)WernerS schrieb:  Auf dem Balkan herrscht bis heute eine Art des Nationalismuses, der bis heute zu einer Spaltung der vielen Ethnien in dem ehemaligen Jugoslawien und Kroatien trennt. Es ist beinahe ein Ethnonationalismus, widerstreben dem Europäismus.

Nicht nur dort, würde Vergleichbares dem Großteil Osteuropas attestieren.


(28.04.2013 23:36)WernerS schrieb:  Doch nun kommt die steile These: Die liberale und sozialdemokratische Demokratie scheint sich wohl dauerhaft als Weltkonzept durchzusetzen. Wenn die Welt sich daran gewöhnt hat, besteht die Gefahr (oder die Hoffnung, das lasse ich völlig offen),dass dieses System für mehrere Jarhunderte wie die Monarchien im Mittelalter nicht angetastet werden.


Du nimmst Anleihen bei Fukuyama?
http://de.wikipedia.org/wiki/Ende_der_Geschichte

Teile diese Ansicht nicht. Nur der geringste Teil der Weltbevölkerung lebt unter einer Demokatie westlichen Zuschnitts. Eine großartige Ausbreitung derselben ist nicht zu erwarten, da sie mit vielen real existierenden Strukturenvöllig inkompatibel ist (Siehe "Demokratisierung" des Irak, Afghanistan, Arabischer Frühling oder Russland.)

(28.04.2013 23:36)WernerS schrieb:  Um nicht in den Verdacht zu geraten, eine Ideologielose Ideologie betreiben zu wollen, flüchten sich viele in konforme Konzepte, die mitunter eine Mischung sind aus mehreren Ideologien beispielsweise den deutschen Grünen.

...die aber wiederum eine starke eigene Ideologie haben.



(28.04.2013 23:36)WernerS schrieb:  Die große Frage hinter der geschichtlichen Entwicklung: Ist die Zeit der Ideologien bald vorbei oder werden sich in der Geschichte weiter Konzepte gegenüber stehen die durch ihre Träger gewaltsam durchgesetzt werden sollen?

Nein, ist sie nicht, denn dazu ist die Welt viel zu heterogen.


RE: Zeitalter der Ideologien - Bunbury - 29.04.2013 22:32

(29.04.2013 15:58)WernerS schrieb:  Globalisierung ist im Grunde ein Vorgang, der nicht unbedingt forciert werden muss, sondern einfach nur damit zusammenhängt in welchem Überregionalen Umfang Geschäfte getrieben werden und Menschen vernetzt sind. Somit ist Globalisierung also ein Phänomen, das Ideologien hervorruft, aber selbst keine Ideologie sein, weil ein solcher Vorgang gar nicht konzipiert ist.

Für die Anfangszeit hast du natürlich recht. Da war es einfach etwas, das möglich wurde und daher unkritisch gemacht wurde.

Heute aber ist das etwas anderes. Es ist sehr wohl eine Ideologie geworden, möglichst weltumspannend zu denken. Es ist vor allem eine Ideologie,die es geschafft hat, Kosten und Nutzen vollständig voneinander zu trennen. Es gibt keine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft mehr. Dem Global Player bedeuten soziale Systeme nichts- es geht vor allem um Macht, sich möglichst viel Macht zu sichern, um die Regeln im Spiel zu bestimmen. Es geht darum, zu gewinnen und Grenzen verschwinden zu lassen.

Nicht umsonst ist als Gegenbewegung die Ideologie des "Regionalen" entstanden, die sich demgegenüber der nachhaltigkeit, der Erhaltung regionaler Traditionen und Eigenheiten verschrieben hat, die bewahren möchte.

Interessant finde ich bei dem ganzen nur folgendes- der Global Player wird als progressiv betrachtet, der Regionallist als konservativ.
Hm, wem hängt jetzt bloß welche Partei an? Wink


RE: Zeitalter der Ideologien - Titus Feuerfuchs - 30.04.2013 01:20

(29.04.2013 22:32)Bunbury schrieb:  [...]
Interessant finde ich bei dem ganzen nur folgendes- der Global Player wird als progressiv betrachtet, der Regionallist als konservativ.
Hm, wem hängt jetzt bloß welche Partei an? Wink

Dass die CDU (in D) kaum mehr etwas mit Konservativismus zu tun hat, ist nichts Neues.
Die Grünen, auf die die hier wohl anspielst, sind ev. was das Umweltthema anlangt regional orientiert, ansonsten aber extreme Internationalisten.

Dazu kommt, dass es sich kein Staat und keine Partei leisten kann, sich der Globalisierung zu verschließen. Man muss nur damit umgehen können und z.B. nicht sinnlos Güter um die halbe Welt transportieren.


RE: Zeitalter der Ideologien - WernerS - 30.04.2013 10:41

Zitat:Wo siehst du liberale Umbrüche im zaristischen/kommunistischen Russland?

In der kaum noch bekannten Februarrevolution 1917 in Russland. Sie deuten allerdings nur auf eine Liberalisierung und Republikalisierung hin, sind nicht genuin liberal.

Zitat: Interessant finde ich bei dem ganzen nur folgendes- der Global Player wird als progressiv betrachtet, der Regionallist als konservativ.
Hm, wem hängt jetzt bloß welche Partei an?

Ganz genau, darauf wollte ich u. a. hinaus. Keine genuine ideologische Konzepte durch verwischung und vermengung?


RE: Zeitalter der Ideologien - Bunbury - 30.04.2013 11:16

Letztendlich laufen alle ideologischen Konzepte immer auf eines hinaus- auf den Gegensatz zweier Ideologien, die sich gegenüber stehen- und die sich letztendlich auch darüber definieren, das Gegenteil der anderen zu sein.

Das ist immer ein Prozess, der aus dem Zerbrechen eines alten Ideologienkonfliktes entsteht. Dabei werden Wert- und Moralvorstellungen mehr oder weniger auseinandergerissen, in Einzelteile zerlegt und verteilen oder polarisieren sich um den einen oder anderen Grundpfeiler.

Ich würde sagen, wir befinden uns derzeit in dieser Polarisierungsphase. Noch sind nicht alle Vorstellungen, die aus dem Zerbrechen des Kapitalismus-Kommunismus- Konflikt entstanden sind, neu verteilt, aber die Pole sind schon sichtbar. Wenn die Pole erst mal klar hervortreten, dann wird sich auch der Konflikt verschärfen, bis auch dieses Gegensatzpaar irgendwann zusammenbricht.
Ich bezweifle nur, daß ich das noch erlebe...


RE: Zeitalter der Ideologien - Maxdorfer - 23.05.2013 18:15

(29.04.2013 22:32)Bunbury schrieb:  
(29.04.2013 15:58)WernerS schrieb:  Globalisierung ist im Grunde ein Vorgang, der nicht unbedingt forciert werden muss, sondern einfach nur damit zusammenhängt in welchem Überregionalen Umfang Geschäfte getrieben werden und Menschen vernetzt sind. Somit ist Globalisierung also ein Phänomen, das Ideologien hervorruft, aber selbst keine Ideologie sein, weil ein solcher Vorgang gar nicht konzipiert ist.

Es ist sehr wohl eine Ideologie geworden, möglichst weltumspannend zu denken. Es ist vor allem eine Ideologie,die es geschafft hat, Kosten und Nutzen vollständig voneinander zu trennen. Es gibt keine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft mehr. Dem Global Player bedeuten soziale Systeme nichts- es geht vor allem um Macht, sich möglichst viel Macht zu sichern, um die Regeln im Spiel zu bestimmen. Es geht darum, zu gewinnen und Grenzen verschwinden zu lassen.

Nicht umsonst ist als Gegenbewegung die Ideologie des "Regionalen" entstanden, die sich demgegenüber der nachhaltigkeit, der Erhaltung regionaler Traditionen und Eigenheiten verschrieben hat, die bewahren möchte.

Globalisierung an sich ist keine Ideologie. Die von dir beschriebene Einstellung des Wirtschaftsliberalismus, der Betonung der Macht des Marktes und der Fokussierung auf Wachstum ist schon eher als eine solche anzusehen. Sie geht mit der Globalisierung Hand in Hand - aus dem einen entwickelt sich das andere - aber einen Unterschied gibt es trotzdem.


RE: Zeitalter der Ideologien - Maxdorfer - 23.05.2013 18:30

Ein Ende des Zeitalters der Ideologien?
Schwer vorstellbar.

Das "Zeitalter der Ideologien", wie du es nennst, ist ein Fortschritt gegenüber der vorausgehenden Epoche, da es daraus resultiert, dass eine große Anzahl Menschen sich mit mehr Dingen beschäftigen können als nur dem puren Überleben und/oder einemm seit Jahrhunderten bestehenden, tief verwurzelten und weiter eingehämmerten Glauben an die Gottgewoltheit jeglicher Situation.
Ein Ende dieses momentanen Zustands in dem Sinne, dass der mittelalterliche Zustand wieder eintritt, also ein Rückschritt, ist unwahrscheinlich.
Ein Ende des Zeitalters der Ideologien in dem Sinne, dass jeder Mensch unabhängig von irgendwelchen Dogmen, Grundeinstellungen etc. seine eigene Meinung für jeden Sachverhalt formuliert, wäre einerseits eine Utopie (=ein aufklärerisches Ideal, eine Zielvorstellung), andererseits eben eine Utopie (=genauso unwahrscheinlich wie der Rückschritt ins Mittelalter). Rein menschlich gesehen passt das auch gar nicht zur Psyche des Menschen, die in Kategorien einteilt, Dinge klar nach zuzustimmend oder abzulehnend bewertet.

Ob ein Zeitalter nach den Ideologien irgendwann eintreffen wird? Die Antwort hängt davon ab, ob man Optimist, Pessimist oder Realist ist. Momentan sieht es jedenfalls nicht danach aus.


RE: Zeitalter der Ideologien - Bunbury - 23.05.2013 18:32

(23.05.2013 18:15)Maxdorfer schrieb:  
(29.04.2013 22:32)Bunbury schrieb:  Es ist sehr wohl eine Ideologie geworden, möglichst weltumspannend zu denken. Es ist vor allem eine Ideologie,die es geschafft hat, Kosten und Nutzen vollständig voneinander zu trennen. Es gibt keine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft mehr. Dem Global Player bedeuten soziale Systeme nichts- es geht vor allem um Macht, sich möglichst viel Macht zu sichern, um die Regeln im Spiel zu bestimmen. Es geht darum, zu gewinnen und Grenzen verschwinden zu lassen.

Nicht umsonst ist als Gegenbewegung die Ideologie des "Regionalen" entstanden, die sich demgegenüber der nachhaltigkeit, der Erhaltung regionaler Traditionen und Eigenheiten verschrieben hat, die bewahren möchte.

Globalisierung an sich ist keine Ideologie. Die von dir beschriebene Einstellung des Wirtschaftsliberalismus, der Betonung der Macht des Marktes und der Fokussierung auf Wachstum ist schon eher als eine solche anzusehen. Sie geht mit der Globalisierung Hand in Hand - aus dem einen entwickelt sich das andere - aber einen Unterschied gibt es trotzdem.

Nämlich?


RE: Zeitalter der Ideologien - Maxdorfer - 25.05.2013 08:41

(23.05.2013 18:32)Bunbury schrieb:  
(23.05.2013 18:15)Maxdorfer schrieb:  Globalisierung an sich ist keine Ideologie. Die von dir beschriebene Einstellung des Wirtschaftsliberalismus, der Betonung der Macht des Marktes und der Fokussierung auf Wachstum ist schon eher als eine solche anzusehen. Sie geht mit der Globalisierung Hand in Hand - aus dem einen entwickelt sich das andere - aber einen Unterschied gibt es trotzdem.

Nämlich?

Globalisierung ist ein Fakt, die Entwicklung, dass es immer mehr Handels- und Wirtschaftsverbindungen über die gesamte Welt gibt und dass diese immer mehr vernetzt wird. Das kann man nicht glauben, das ist auch keine Meinung, das ist eine Entwicklung wie die Klimaerwärmung oder die Inflation.

Die Ideologie, von der du schreibst, würde ich nicht mit "Globalisierung" bezeichnen. Es ist wie gesagt die Ideologie "des Wirtschaftsliberalismus, der Betonung der Macht des Marktes und der Fokussierung auf Wachstum" und nicht das Wachstum selber.


RE: Zeitalter der Ideologien - Bunbury - 25.05.2013 10:24

(25.05.2013 08:41)Maxdorfer schrieb:  Globalisierung ist ein Fakt, die Entwicklung, dass es immer mehr Handels- und Wirtschaftsverbindungen über die gesamte Welt gibt und dass diese immer mehr vernetzt wird. Das kann man nicht glauben, das ist auch keine Meinung, das ist eine Entwicklung wie die Klimaerwärmung oder die Inflation.

Kapitalismus ist auch ein Fakt, und dennoch steht eine Ideologie dahinter. Kommunismus war in Fakt, aber auch dahinter stand eine Ideologie.

So verhält es sich auch mit der Globalisierung. Am Anfang war es die schlichte Möglichkeit, weltweite Netze aufbauen zu können. Damals war es noch keine Ideologie, sondern einfach eine Idee, eine Möglichkeit.

Aus der Möglichkeit,so etwas tun zu können, wurde aber mittlerweile der Zwang, sich "globalisieren" zu müssen. Nationale Grenzen müssen verschwinden, müssen aufgeweicht werden. Jedes Land geht verflechtungen mit unzähligen anderen Ländern ein. Es geht hier nicht um reine Wirtschaftsinteressen, obwohl es oft große Wirtschaftsunternehmen sind, die die Kräfte treiben. Es geht um macht, es geht darum, wie die Welt von morgen gestaltet wird.
Und da ist die Marschrichtung doch eindeutig. Immer größere "Global Player" verschaffen sich über die Wirtschaft immer mehr Macht, um den nationalen Regierungen ihre Bedingungen diktieren zu können, zu denen man gnädigerweise in dem land noch zu arbeiten bereit ist.
Dabei geht es nicht um Geld udn Wirtschaft, sondern um Macht. Denn natürlich haben die unterschiedlichen Global Player unterscheidliche Intressen und bekämpfen sich dabei.

Wenn wir nicht aufpassen, wird es irgendwann darauf hinauslaufen, daß eine Handvoll globaler Konzerne letztendlich die Welt beherrschen. Wenn es nicht schon längst soweit ist...

Von daher steckt dahinter schon eine Ideologie- eine menschenverachtende, zynische Ideologie...


RE: Zeitalter der Ideologien - WernerS - 04.06.2013 10:44

Ich denke, dass wir gerade gewaltig aneinender vorbei schreiben. Möchte deswegen eine eigene Definition von "Ideologie" wagen, und dann nochmals erläutern, was die Fragestellung eigentlich meint.

Eine Ideologie [Weltanschauung] ist von Menschen gewollte, von einer bis mehreren verschiedenen Gruppen getragenen Idee. Diese Idee erfüllt in dem Sinne folgende Punkte: Geschichtstelos, also die Vollendung in einer optimalen Gesellschaft am Ende einer Transformation oder Revolution, einen Voluntarismus, also die den unbedingten Willen den Telos zu erreichen, den Zukunftsoptimismus, dass der Telos erreicht wird und meist alles Leid auszurotten, eine Inkonfomität der Trägerschicht auf aktuell herrschende pragmatische Verhältnisse und eine philosphisch - vordenkerische Schule.

Darum ist Globalsierung keine Ideologie in diesem Sinne, Kapitalismus ist dann eine, obwohl ich dazu geneigt bin, zu sagen, dass Globalisierung zwangsläufige Folge des Kapitalismuses ist.

Aber wenn wir ehrlich sind: die größten Gegensätze scheinen sich in den 90ern Jahren aufgelöst zu haben, da heute Sozialismus sehr viele Anleihen aus dem Liberalismus genommen hat, sich auch ein bisschen aus der Marxistischen und Babouef'schen Traditionslinie gelöst hat. Es gibt heute zwar Globalisierungsgegner und "Occupy" und "Blockuppy" aber das sind innerhalb der großen Masse doch nur wenige und es steht sogar in Frage, ob diese nur tatsächlich Weltanschauliche Ziele verfolgen. Es ist nicht mehr so, dass ein über 1/3 in "sozialistischen" Staaten leben, weil man eine Transformation hin zu einer kommunistischen Gesellschaft anstrebt. Dafür haben wir mehr und mehr Strukturen, die eher aus sehen als "pragmatische Diktaturen" wie beispielswiese Russland und China. Beide haben sich von ihrem sozialistischen Erbe gelöst nur einige Relikte deuten auf die Vergangenheit an. Aber längst wurde der Telos und der Optimismus über Bord geworfen und beide wissen, dass es mit der Vernichtung der westlichen Welt keine kommunistische Weltengemeinschaft geben wird.

Andere Phänomene weißen auch auf das Ende des Zeitalters der Ideologien hin: im 19. Jahrhundert entstanden die meisten, die sich durch ihre Radikalität auszeichneten. Und vom Liberalismus bis hin zum Nationalsozialismus (welcher ein Pseydosozialis war; eher ausgeprägter Nationalismus mit einigen populären Elemete der 1880er) alles schon bei nun bestehenden Staaten ausprobiert. Aber irgendwie entwickelten sie sich dahingehend und mehr und mehr überwiegend, dass sie programmatisch in das bestehende System jeweils einpassen. Und auch dazu führen, dass es oft Land für Land für eine Ideologie völlig unterschiedliche programmatische Ansätze gibt. Dieser Trend zeigt dann eher ein Pragmatismus, der sich auf höchster Ebene mit allem deckt, was sonst zu Konkurrenz steht und nur in unteren Ebenen noch Unterschiede in Detailfragen aufzeigt.

Zitat: Ein Ende dieses momentanen Zustands in dem Sinne, dass der mittelalterliche Zustand wieder eintritt, also ein Rückschritt, ist unwahrscheinlich.

Nein, hier ist nicht von mittelalterlichem Rückschritt die Rede, sondern eine momentane Tendenz sich mit der Lage abzufinden, dass man jede Ansicht innerhalb eines Systems anpassen kann. Der große Unterschied ist, dass die Gesellschaft heute viel pluralisierter ist, als beispielsweise um 1500. Es ist ja keine Frage, ob es keine Meinung oder so gibt, sondern gerade der umgekehrte Fall lässt sich ja beobachten: ein immer sensibleres Gespür, dass sich in verschiedenen Phänomenen der Gesellschaft manifestiert. Teilweise - aber eben nur teilweise - sehr umstritten. Aber genau diese Sensiblität zeigt doch ideengeschichtlich genau worauf es ankommt: das man mit einer Weltanschauung und gemeinsamen Telos herrschen kann, gibt es nicht mehr in dem Maße, wie es sie im 19. Jahrhundert gab. Heute gehen in demokratischen Systemen eher Ideen ein, die nicht mehr genuin links, rechts, sozialistisch, konservativ, liberal, klerikal etc sind. Und schon alleine diese systematische Konsenzfähigkeit zeigt - oder auch nicht, genau das ist die Frage - dass Ideologien an sich keine Vorherrschaft mehr zeigt und gar nicht mehr den Anspruch auf totale Transformation oder Revolution haben.


RE: Zeitalter der Ideologien - Bunbury - 04.06.2013 12:24

(04.06.2013 10:44)WernerS schrieb:  Ich denke, dass wir gerade gewaltig aneinender vorbei schreiben. Möchte deswegen eine eigene Definition von "Ideologie" wagen, und dann nochmals erläutern, was die Fragestellung eigentlich meint.

Eine Ideologie [Weltanschauung] ist von Menschen gewollte, von einer bis mehreren verschiedenen Gruppen getragenen Idee. Diese Idee erfüllt in dem Sinne folgende Punkte: Geschichtstelos, also die Vollendung in einer optimalen Gesellschaft am Ende einer Transformation oder Revolution, einen Voluntarismus, also die den unbedingten Willen den Telos zu erreichen, den Zukunftsoptimismus, dass der Telos erreicht wird und meist alles Leid auszurotten, eine Inkonfomität der Trägerschicht auf aktuell herrschende pragmatische Verhältnisse und eine philosphisch - vordenkerische Schule.

Natürlich folgen wir einer Ideologie- der, daß die Wirtschaft quantitativ wachsen muss. Darauf fußt unserer gesamte Gesellschaft, unser gesamtes politisches System. Das ist die "Vision" der westlichen Welt, der alles andere untergeordnet wird. Fast alle Bedingungen, die du hier aufzählst, sind dabei erfüllt. Auch hier gibt es das Heilsversprechen, daß es allen gut gehen wird, wenn es nur genügend Wachstum gibt. Diese Weltanschauung wird von einer Gruppe getragen.

Nur, weil dieses System momentan nur wenige stürzen wollen, heißt das noch lange nicht, daß dahinter keine grundsätzliche Ideologie steckt. Nicht jese Ideologie muss die bestehende Ordnung stürzen wollen- vor allem dann nicht, wenn die bestehende Ordnung dieser Ideologie untergeordnet ist.

Ideologien werden oft erst im nachhinein als solche erkannt- erst wenn man sich bewußt ist, daß es eine Idee und keine Gesetzmäßigkeit ist, kann man ihr zustimmen oder sie ablehnen.

Was ich auf gar keinen fall für erforderlich halte, ist, daß einer Ideologie ein philosophisches Konzept zugrunde liegen muss. Auch einfache Botschaften taugen als Ideologie.

Für mich bestehen die Hauptkennzeichen einer Ideologie darin, daß sich alle gesellschaftlichen Erfordernisse an einer einzigen Idee orientieren, daß alles auf diese eine einzige idee hin ausgerichtet wird. Und das liegt hier vor. Es gab durchaus eine Revolution einiger weniger. Aber die hat halt keiner bemerkt, weil sie nicht mit Waffen erfolgte...

Eine Gesellschaft kann ohne eine ihr zugrundeliegende Idee gar nicht existieren. Alles, was über den Familien- oder Sippenverband hinausgeht, braucht eine Grundidee, um einen minimalen Konsens zwischen den einzelnen Mitgliedern der gemeinschaft herstellen zu können. Nach dem diese Funktion jahrhundertelang die religion inne hatte, sind es nun wirtschaftliche Konzepte.

Irgendwann wird sich die Menschheit daran mit dem gleichen Grausen erinnern, wie sie sich jetzt an das Zeitalter der Religionen erinnert. Hoffe ich zumindest. Die Alternative wäre "Matrix"...


RE: Zeitalter der Ideologien - Sansavoir - 05.06.2013 01:24

Ideologien sind Weltanschauungen. Sie können als Grundlage komplizierte philosophische Gedanken haben, aber auch auf der Grundlage simpler Verhaltensmuster basieren. Solange die Ideologie nicht gesellschaftlich relevant wurde, bleibt sie eine Utopie, die vom wirtschaftlichen Dingen unbeeinflusst bleiben kann. Sollte die Ideologie Eingang in die Gesellschaft finden oder gar die herrschende Doktrin werden, muss die Wirtschaft beachtet werden. In diesem Fall kann man Wirtschaft und Ideologie nicht mehr trennen. Vor allem in einer Zeit, die von der Wirtschaft dominiert wird.

In China herrscht z.B. eine Ideologie, die das gesamte gesellschaftliche Leben beherrscht. Das ist nicht mehr der Maoismus der 1960-/1970-er Jahre. Es ist eher ein Versuch bestimmte chinesische Traditionen wie den Konfuzianismus mit dem globalisierten Kapitalismus, aber auch mit dem Maoismus in Einklang zu bringen. Was daraus am Ende entstehen wird, muss man abwarten. Eindeutig ist dagegen, dass die KP-Führung in China nicht gewillt ist, europäische Vorstellungen von Demokratie, Aufklärung oder Humanität umzusetzen. Da die KP-Führung mit ihrem derzeitigen ideologischen und wirtschaftlichen Konzept erfolgreich ist, ist sie auch nicht genötigt, dies zu ändern. Die derzeitige Ideologie wird sich in China festigen, vor allem wenn viele Menschen zum Wohlstand gelangen.

Ebenso darf man den Islamismus nicht nur als radikale und puritanische Weltanschauung sehen. Der Islamismus stellt sich nicht nur gegen die westliche Lebensweise, es werden islamische Wirtschaftsmodelle als Alternative angeboten.

In den USA ist es nach wie vor wichtig, dass der Glaube am "American Way" erhalten bleibt. Solange Amerikaner glauben, dass jedem der Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär offen steht oder im umgekehrten Fall, sich Amerikaner trotz Bankenkrise usw. persönlich als Verlierer sehen, wenn sie Job, Haus und Familie verloren haben, werden sich gesellschaftliche Zustände in den USA nicht ändern.

Dies waren nur einige Beispiele. Lässt sich aber noch weiterführen.


RE: Zeitalter der Ideologien - WernerS - 06.06.2013 20:13

Zitat: Was ich auf gar keinen fall für erforderlich halte, ist, daß einer Ideologie ein philosophisches Konzept zugrunde liegen muss. Auch einfache Botschaften taugen als Ideologie.

Ist aber erforderlich, sonst funktioniert die Tradierung nicht. Und eine Ideologie die nicht überliefert wird, fällt dann raus, weil sie keine Trägergruppe hat. Ich habe auch nicht davon gesprochen, dass ein Konzept zu Grunde liegen muss, sondern sie im weiteren Sinne schonmals vorgedacht werden muss. Denn das philosophische Konzept ist die Ideologie -und gleich wie komplex oder eben nicht - ja selbst. Mir ist keine Ideologie bekannt, die einfach vom Himmel gefallen ist und keine - wirklich keine Traditionslinien hat. Also die aus dem Nirvanakommende Ideologie kann ich nirgends nachvollziehen. Wenn ihr Beispiele dafür haben solltet, dann her damit! Wink

Zitat:Eine Gesellschaft kann ohne eine ihr zugrundeliegende Idee gar nicht existieren. Alles, was über den Familien- oder Sippenverband hinausgeht, braucht eine Grundidee, um einen minimalen Konsens zwischen den einzelnen Mitgliedern der gemeinschaft herstellen zu können.

Das stimmt, aber da kann man wieder an die Fragestellung anknüpfen: Ist es nicht so, dass bestehende Ideologien in Sachfragen meinst nur deswegen Einklang finden, dass man sie mittels Mehrheitssystem findet, hier bei uns. Und letzlich ja vorgeschrieben ist, dass man sich gefälligst Systeminharent die Ideologie einbringt. Ich denke hier vor allem an das Theorem von Böckenförde, das besagt, das Staat an sich kein Menschenbild und keine Werte an sich hat sondern sich letztlich durch verschiedene Trägergruppen einschlägt. Wenn das aber so ist, sehe ich mich wieder am Anfang der Frage, braucht es dann noch "neue Ideologien". Also einen Bruch zum 19. Jahrhundert, die Frühzeit des Ideologiepluralismus in Entstehung und das 20. Jhd. bei der Erprobung und mittlerweile bei Vermischung? Ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich, dass es noch viele Mölichkeiten gibt, neue genuine Ideologien zu schaffen, die keine Anleihen und Schnittpunkte mit bestehenden oder anderen Ideologien haben.

Zitat:Fast alle Bedingungen, die du hier aufzählst, sind dabei erfüllt. Auch hier gibt es das Heilsversprechen, daß es allen gut gehen wird, wenn es nur genügend Wachstum gibt. Diese Weltanschauung wird von einer Gruppe getragen.

Genau, es erfüllt alle Bedingungen, allerdings habe ich so den Eindruck mit dem "Heilsoptimismus" ist es nicht so weit her, immerhin erleidet das geschaffene System ja natürliche Krisen und die sind schon recht Existenzbedrohend. Und sicher ist auch, dass bloßes Wachstum alleine ja nicht nur die einzige Bedingungen sind. Und da man das weiß, sagen ja schon viele, das hat bisher funktioniert, aber wollen wir das weiter, sehen wir uns mit den bedingten Problemen konfrontiert, die das System an sich mitbringt. Nur da stellt sich dann die Frage, ob nicht jede Idee irgendwo einen Haken hat. Und ob man bereit ist, Risiken einzugehen.

[/quote] Nach dem diese Funktion jahrhundertelang die religion inne hatte, sind es nun wirtschaftliche Konzepte. [/quote]

Das ist an sich recht zwiespaltig. Für meine Begriffe ist Religion an sich nicht vollständig funktional genug um das leisten zu können. Für Europa mag das im Zuge der Inkulturation stimmen aber viele Gesellschaften und Religionen, die beispielsweise keinen öffentlichen oder gemeinsamen Kult haben geht das schon nicht mehr. Natürlich sehe ich aber gerade Religionsgemeinschaften - und damit auch pluralisierte - als Träger von Ideologie.

Zitat:Ebenso darf man den Islamismus nicht nur als radikale und puritanische Weltanschauung sehen. Der Islamismus stellt sich nicht nur gegen die westliche Lebensweise, es werden islamische Wirtschaftsmodelle als Alternative angeboten.

Die da wären?


RE: Zeitalter der Ideologien - Sansavoir - 06.06.2013 23:28

Hier einige Artikel zu islamischen Wirtschaftsmodellen:

http://www.kas.de/wf/doc/kas_21079-544-1-30.pdf?101110141605

http://www.kas.de/wf/doc/kas_21924-544-1-30.pdf?110524093809