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Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Druckversion

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RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Sansavoir - 14.11.2012 09:49

Noch ein paar interessante Artikel:

* Kinder auf dem Königsthron (P.M. Online)

* Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter (Buchrezension)


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Maxdorfer - 19.11.2012 11:09

Kinder- und Jugendkaiser des römischen Reiches, Teil I.

Im dynastischen System der frühen Kaiserzeit (zirka 1. Jahrhundert nach Christus) kam es immer wieder vor, dass der Sohn oder ein jüngerer Verwandter eines regierenden Herrschers de facto unbestrittener Kronprinz war und vielleicht sogar offiziell zum Mitkaiser erkoren wurde. Der Grund ist klar: Im römischen Reich galt die eigene Familie viel, und besonders die Oberschicht führte ihre Wurzeln auf möglichst bekannte und geschätzte Helden, wohlmöglich sogar auf Götter zurück. Dementsprechend wollten die meisten Kaiser auch ihrer Familie die Macht erhalten und eine Herrscherdynastie gründen oder fortführen. Dazu war es ein grundlegender erster Schritt, die Nachfolge auf einen Familienangehörigen zu übertragen, wenn man schon keinen Sohn hatte. Offiziell gab es nämlich gar kein Erbkaisertum. Der Imperator musste sich in der Regel der Unterstützung der Armee, des Senates und des Volkes von Rom versichern, dann war er anerkannt. Deswegen war man gezwungen, schon zu Lebzeiten den Thron für seine Familie zu sichern. Das Optimale war natürlich immer ein direkter (männlicher) Nachkomme, doch wenn dies aus irgendeinem Grund nicht gegeben war, tat es auch eine Adoption eines relativ nahen Verwandten. Aber im Gegensatz zu späteren Zeiten waren die Verhältnisse noch ziemlich ruhig. Ein vom verstorbenen Kaiser Adoptierter wurde meistens ohne Probleme akzeptiert.
Ein Prinz lebte mit seinen Brüdern und Schwestern irgendwo in einem Palast. Seine Eltern sah er zwar täglich, doch bei weitem nicht häufig. Die Hauptfiguren in seinem Leben waren Bedienstete, beispielsweise griechische Sklaven oder Freigelassene. Als Kleinkind hatte er eine Amme (nutrix), später einen Erzieher (nutritor). Im weiteren Verlaufe der Jugendjahre kamen Lehrer hinzu, die für das nötige Grundwissen sorgten. Insgesamt waren die Prinzen aber im elterlichen Palast auf dem Palatin eher Nebensache. Sie galten als lästig, zeitraubend und störend, und nur wenn sie schon etwas älter und artig waren, durften sie beim abendlichen Bankett neben Mamas und Papas Liege hocken. Und überhaupt waren sie auch nicht besonders häufig. Es wurde zwar viel adoptiert, aber leibliche und auch noch legitime Kinder hatte ein Kaiser selten. Kinder von der Ehefrau gab es nicht zu oft, schließlich wollte man ja die Kaiserin nicht allzu sehr belasten. Illegitime Kinder wurden wiederum nicht anerkannt, schon allein, weil auch die Gesellschaft dies nie getan hätte. Deswegen lebten die dann irgendwo bei ihrer Mutter. Außerdem waren viele Kaiser schon in einem zu reifen Alter, um minderjährige Söhne zu haben, ihre Nachkommen hatten sich schon etwas abgenabelt und waren nicht mehr auf Eltern angewiesen.
Wenn junge Männer Kaiser wurden, waren es oft solche wie Caligula oder Nero: Ersterer kam an die Macht, weil es sonst keine männlichen Überlebenden der Dynastie gab, die in Frage kamen, letzterer, weil seine Mutter ihren zweiten Ehemann dazu überredete, ihn zu adoptieren, und er nach dessen Tod sich gegen seinen Halbbruder durchsetzen konnte. Hatten Kaiser leibliche Söhne, kamen sie oft durch unglückliche Umstände oder bei irgendwelchen Machtkämpfen ums Leben. Angehörige der kaiserlichen Familie, ob sie nun auf den Thron kamen oder nicht und auch wenn sie nicht direkt Söhne ihres Vorgängers waren, hatten aber allermeistens ein ausgeprägtes Machtbewusstsein, das dann in Richtung Herrschsucht gehen konnte. Von frühester Jugend an waren sie ranghöher als alles, was sie umgab, was keine gute Voraussetzung für die Bildung einer freundlichen und nahbaren Persönlichkeit ist. Bei dem Herrschaftsantritt konnte sich solch ein Charakter durchaus in Tyrannei wandeln, derartige Auswüchse bei Caligula, Nero, Commodus, Domitian oder Caracalla wurden schon viel diskutiert.
Quasi alle Kaiser, die im heutigen Bewusstsein und bei den antiken Schriftstellern negativ dargestellt wurden (was nicht alles falsch sein kann), waren Verwandte von Vorgängern kamen jung an die Macht. Caligula war 25, Nero 17, Domitian 30 und Elegabal 16. Commodus stand kurz vor seinem 19. Geburtstag, Caracalla vor seinem 23. Sie alle waren zumindest gegenüber Senatoren oder anderen Menschen unfreundlich bis unverschämt. Es wird sicher nicht wenig mit ihrem geringen Alter zu tun haben. Eine positive Ausnahme ist Kaiser Titus (79-81), der sich zu Beginn seiner Regierungszeit radikal zum Guten wandelte. Er umgab sich mit fähigen Beratern und änderte sein ausschweifendes Leben. Aber er war auch schon 30, als sein Vater an die Macht kam. Umso besser ging es Rom auch in der Zeit der Adoptivkaiser, als ein alternder Herrscher einen auch schon reifen Nachfolger – der nicht aus der eigenen Familie stammte – auswählte und dann an Sohnes statt annahm. Nach dieser Periode, die grob mit dem 2. Jahrhundert nach Christus übereinstimmt, kam wieder ein Herrscher an die Macht – Septimius Severus (193-211), dem es gelang, eine Dynastie zu gründen. Seine Söhne Geta und Caracalla zerstritten sich nach seinem Tode auch prompt, bis Geta von seinem Bruder ermordet wurde.



RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Maxdorfer - 20.11.2012 20:55

Kinder- und Jugendkaiser des römischen Reiches, Teil II.

Das dritte Jahrhundert bedeutete für Rom eine tiefe Krise, von der es sich nie wieder ganz erholen sollte. Das Kaiseramt verlor auf lange Sicht gesehen immer mehr an Macht an verschiedene andere Institutionen, Gruppen und Personen. Das Heer spielte eine immer größere Rolle bei der Legitimation des Kaisers und bestimmte nicht selten seinen Herrscher. In Provinzen wurden Usurpatoren ausgerufen, die, wenn andere Regionen des Reiches sie unterstützten, legitimiert wurden. Mächtige Männer und Frauen bei Hof beeinflussten die Herrscher. Für diese war es teilweise auch gar nicht schlecht, wenn ein Kind auf dem Thron saß. Es war leicht zu manipulieren und konnte wegen seiner Unmündigkeit auch noch keine eigenen Entscheidungen treffen.
Zuerst zeigte sich dies in der späten severischen Dynastie. In der waren die afrikanischstämmigen Männer mehr oder weniger von ihren machtbewussten syrischen Frauen abhängig. Als dann zwei Generationen (Septimius Severus und Caracalla) innerhalb von 6 Jahren starben, übernahmen sie – nach einem kurzen Intermezzo der Herrschaft des Offiziers Macrinus – die Kontrolle über das römische Weltreich. Sie erhoben den vierzehnjährigen Avitus auf den Thron, der sich nach dem syrischen Sonnengott Heliogobalos oder latinisiert Elegabal nannte. Das Heer war einverstanden, und der Senat musste auf das Heer hören. Doch der junge Kaiser trieb es sehr bunt und verbrachte sein Leben nicht still im Palast, sondern mit Orgien, sexuellen Ausschweifungen und religiösen Affronts. Elegabals Großmutter Julia Maesa, die Schwägerin des Severus und ihre Tochter, Elegabals Mutter Julia Soaemias hatten die faktische Regierungsgewalt inne. Doch nach einer vierjährigen Regierungszeit ermordeten die Soldaten den Kaiser und seine Mutter. Severus Alexander, dessen Cousin 2. Grades hatte schon in den letzten Regierungsjahren einen Teil der Macht erhalten und wurde nun Alleinherrscher. Doch er war auch erst 14 Jahre alt und wurde ebenso wie sein Vorgänger von der gemeinsamen Großmutter Julia Maesa und seiner Mutter Julia Mamaea beherrscht. Er war eigentlich recht beliebt, bis er und seine Mutter im zwölften Regierungsjahr den Soldaten einen Feldzug nach Germanien verweigerten. Da wurde er ermordet.
Die syrischen Frauen verloren die Macht im Staate, die auf die Soldaten überging. Diese erhoben in schneller Abfolge ihren jeweiligen Favoriten auf den Thron. Manche dieser Kaiser wollten Dynastien mit ihren Söhnen gründen, wurden aber nach kurzer Zeit wieder umgebracht. Dies trug zusammen mit der sehr unsicheren und verschwommenen Quellenlage dazu bei, dass wir uns heute nur sehr schwer ein Bild von den Kaisern machen können. Noch ungenauer sind verständlicher Weise auch die Informationen zu den Prinzen, manches weiß man nur von Münzen, die ein Kaiser im Namen seines Sohnes prägen ließ. Eine Episode dieser Zeit ist die Herrschaft Gordians III., die von 238 bis 244 währte. Der Kaiser Maximinus Thrax war infolge einer Rebellion in Afrika umgekommen. Die Usurpatoren Gordian I. und Gordian II. wurden von Senat, Volk und vielen Legionen nach der schweren Zeit unter Maximinus dankend akzeptiert. Doch der Statthalter der Nachbarprovinz von Afrika, Numidiens, war ein alter Anhänger des Maximinus und brachte Gordian II. um, worauf sich Gordian I. das Leben nahm. In Rom übernahmen zwei Senatoren, Balbinus und Pupienus die Macht, die sich aber schon bald zerstritten. Das Volk zwang den Senat dazu, Gordian III., den Enkel Gordians I. und Neffen Gordians II. anzuerkennen. Der erst dreizehnjährige hatte keine machtvolle Mutter, die ihn in seinen Entscheidungen beherrschte. Die Regierung übernahmen Prätorianerpräfekten, deren letzter, Philippus Arabs, ihm nachfolgte, als er nach sechsjähriger Regentschaft verstarb. Diese war geprägt gewesen von den Problemen der damaligen Zeit, der Verteidigung der Grenzen und der Ausschaltung von Usurpatoren.



RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Maxdorfer - 21.11.2012 21:34

Kinder- und Jugendkaiser des römischen Reiches, Teil III.

Der letzte der „Soldatenkaiser“ dieser Zeit war Diokletian (284-305), der das Reich grundlegend reformierte und ein völlig neues Regierungssystem schuf: Die Tetrarchie (Viererherrschaft). Dabei regierte im Osten und im Westen des Imperiums je ein Kaiser, der wiederum einen Unterkaiser ernannte. Wenn dieser nach 20 Jahren abdankte, rückte der dieser nach und ernannte einen neuen Unterkaiser. Die Kinderherrschaft war damit prinzipiell verhindert, und es kamen auch erst wieder jüngere Männer an die Macht, als das System nur ein Jahr nach der Abdankung seines Begründers unterzugehen begann. Konstantin I. (306-337) begründete die Konstantinische Dynastie, in der nach ihm seine drei Söhne gleichzeitig regierten (neuerliche Reichsteilung), bis einer nach dem anderen starb. Nun begann der letzte Akt im Drama des römischen Reiches.
Das Heer erhob Valens (364-378) zum Kaiser, dieser regierte die östlichen Provinzen. Als Herrscher über den Westen ernannte er seinen Bruder Valentinian I. (364-375). Nach dem Tod dieser beiden kamen ihre Söhne auf den jeweiligen Thron. In Westrom der vierjährige Valentinian II. (375-392), dem aufgrund seiner Jugend der immerhin sechzehnjährigen Gratian (375-383), sein Halbbruder, an die Seite gestellt wurde. Valentinian II. war grundsätzlich als Kaiser mündig, wurde aber natürlich beeinflusst und beraten. Neben seiner Mutter Regina und dem Bruder Gratian waren dies außer dem jeweiligen Kaiser des östlichen Reichsteils der Bischof Ambrosius und der Franke Bauto. Der Grund für dieses Kinderkaisertum war, dass die Bedeutung des dynastischen Denkens für die römischen Kaiser seit den Severern zwar gesunken, in jüngerer Zeit aber wieder gestiegen war. So kam es, dass im letzten Jahrhundert des römischen Reiches nicht mehr erfahrene oder zumindest erwachsene und reife Heerführer, sondern immer öfter Jugendliche oder kleine Kinder auf den Thron kamen.
Nach Valentinians II. Tod übernahm Theodosius I., der Nachfolger des Valens im Osten, auch den Westteil und war damit der letzte Herrscher, der das gesamte römische Reich regierte. Doch schon 395 starb auch er und teilte sein Herrschaftsgebiet unter seine beiden Söhne Arcadius (395-408), der von Konstantinopel aus den Osten reagierte, und Honorius (395-423), der die Residenzen des Westens bezog. Arcadius, der ältere, war knapp 18 Jahre alt, stand aber trotzdem unter dem beherrschenden Einfluss des Rufinus; Honorius war 11. Sein wichtigster Berater war Stilchio, der aber später auch abgewechselt wurde. Auch als erwachsener Mann wurde Honorius nie ganz erwachsen, und wenn er auch nicht in der Welt aus Schwelgen im Reichtum und Exzessen lebte wie einige vor ihm, so nahm er doch die Lage nie wirklich ernst. Sein Lieblingshahn „Roma“ bedeutete ihm mehr als die gleichnamige Stadt, die seinen Launen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Als man ihm nach der furchtbaren Plünderung Roms die Schreckensnachricht vom Untergang des „ewigen Rom“ meldete, war er sichtlich erstaunt – er habe Roma doch erst am Morgen höchstpersönlich gefüttert.
Beide Brüder hinterließen nach ihrem (relativ frühen) Tod wieder minderjährige Erben. Honorius Nachfolger war (nach einem Intermezzo durch den Usurpator Johannes, 423-425) Valentinian III., der im Alter von 6 Jahren den Thron bestieg – beim Tod seines Onkels Honorius war er sogar erst 4 gewesen. Neben seiner Mutter Galla Placidia führten der Heermeister Felix und der Herrscher des römischen Afrika Bonifatius die Regierungsgeschäfte. 433 konnte der Heermeister Aetius seine Konkurrenten ausschalten und regierte fortan das Reich. Valentinian III. lebte hinter Palastmauern und mischte sich nur selten in die Politik ein, auch wenn er nicht gänzlich desinteressiert war. Arcadius Sohn und Nachfolger im Ostreich war Theodosius II., der mit sieben Jahren an die Herrschaft kam. Seine Mutter war bereits vier Jahre vorher an einer Fehlgeburt gestorben, sodass der Junge quasi ohne Familie dastand – außer vier Schwestern. Einige Quellen berichten, der Vater habe dem Perserkönig aufgetragen, seinen Sohn zu beschützen. Dieser habe auch tatsächlich einen Vormund nach Konstantinopel entsandt und jedem, der den Kindkaiser bedroht, den Krieg angekündigt. Ob das stimmt, ist fraglich. Belegt ist aber: Es gab mehrere Machtrivalitäten zwischen der Ehefrau und den Schwestern des Theodosius. Dieser selbst interessierte sich zeitlebens nicht sonderlich für die Politik, eher – was ein typisch byzantinischer Wesenszug werden sollte – für philosophische und religiöse Fragen. Nichts desto trotz gab er ein berühmtes Gesetzbuch heraus, den Codex Theodosianus.
Allgemein verbinden die Quellen mit dem Begriff eines Kindkaisers das Bild eines versteckt und eingemummt hinter Palastmauern lebenden und völlig weltfremden Herrschers, „der – politisch ohnmächtig und den Regierten entfremdet – ein Opfer der Günstlings-, Eunuchen- und Weiberregiments sei“ („Kinderkaiser“, Sp. 466 f. in: Der neue Pauly, Bd. 6). In wie weit das stimmt, ist fraglich, denn die Schriftsteller waren Römer, die in einer patriarchalischen, barbarenfeindlichen Welt lebten. Es ist aber zweifellos richtig, dass das Kindkaisertum die Persönlichkeitsbildung des Herrschers massiv beeinträchtigt hat und somit vielleicht verheerende Folgen für die römische Geschichte hatte.


Einzelbiographien zu Kindkaisern werde ich, wie eingangs erwähnt, vielleicht im Laufe der Zeit schreiben und einstellen.


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Sansavoir - 25.11.2012 10:02

Abriss vom Leben der minderjährigen und jugendlichen französischen Königen des Mittelalters

Teil 1

Dieser Artikel behandelt minderjährige und jugendliche Herrscher aus den Dynastien der Kapetinger und der Valois. Es werden die Regentschaften für minderjährige Könige und die ersten Schritte der bereits volljährigen Herrscher untersucht. Dabei handelt es sich um acht (von insgesamt einundzwanzig) Königen, die zwischen 987 und 1498 geherrscht haben. Die Geschichte um Johann I. (*/† 1316) wurde schon in einem früheren Artikel beschrieben und wurde in diesem Artikel nicht berücksichtigt.

Nach dem Zerfall des wiedervereinigten Karolingerreiches im Jahr 887 wechselte im Westfrankreich das Königtum zwischen den rivalisierenden Dynastien der Karolingern und den Robertinern, den späteren Kapetingern. Nach dem Tod des karolingischen Königs Ludwig V. im Jahr 987 entschlossen sich die westfränkischen Magnaten statt des karolingischen Thronanwärters Karl (von Niederlothringen) dessen Konkurrenten Hugo Capet (941–996), Herzog von Franzien, zum neuen König zu krönen. Um die Erbfolge endgültig für seine Familie zu sichern, ließ Hugo noch im Dezember 987 seinen 15-jährigen Sohn Robert II. zum Mitkönig krönen. Daraus ergaben sich für die Zukunft die Optionen, einerseits den Thronfolger noch zu Lebzeiten des alten Königs zu salben und zu krönen, andererseits das Alter für die Volljährigkeit eines Königs von 21 auf 15 Jahre herabzusetzen. Beides waren Maßnahmen, die auf politische Erfahrungen der Jahre von 888 bis 987 begründet waren und die einen reibungslosen Herrscherwechsel, möglichst ohne lange Regentschaften für einen Minderjährigen, garantieren sollten.

1. Korrekte Regentschaften

Eine Herrschaft eines Minderjährigen stellte immer eine Gefahr für den Staat dar. Umso wichtiger war es, einen fähigen Regenten einzusetzen, der einerseits die Interessen des minderjährigen Königs durchsetzte, andererseits loyal genug war, ihm beim Erreichen der Volljährigkeit die Herrschaft zu überlassen und sich danach entweder auf beratende Funktionen zu begrenzen oder sich zurückzuziehen. Dies geschah während der Jahre von 987 bis 1498 nur zweimal.

1.1 Ludwig IX. (* 1214, König von 1226 bis 1270)

Ludwig IX. war der älteste Sohn von Ludwig VIII. (* 1187, König von 1223 bis 1226) und dessen Frau Blanche (Blanca) von Kastilien (1188–1252), die eine Enkelin der Eleonore von Aquitanien war. Trotz des frühen, unerwarteten Todes von Ludwig VIII. am 8. November 1226 gestaltete sich die Nachfolgeregelung problemlos, bereits drei Wochen später wurde Ludwig IX. zum König gekrönt. Grundlage dafür waren die von Ludwig VIII. vorsorglich in seinem Testament festgelegten Verfügungen, die er seiner Frau Blanche noch erläutern konnte. Ludwig IX. erhielt am Tage seiner Krönung auch seine Schwertleite, so dass er als volljährige Person der adligen Gesellschaft galt.

Das Testament Ludwigs VIII. bestimmte Blanche von Kastilien zur Regentin. Sie versprach im Gegenzug ihrem sterbenden Mann, die Regentschaft für Ludwig IX. und die Schutzaufsicht für ihn, seine fünf Geschwister und das noch posthum geborene Kind (Karl von Anjou 1227–1285) zu übernehmen. Diese und weitere kluge Maßnahmen verhinderten die Regentschaft bzw. den politischen Einfluss von Ludwigs VIII. Halbbruder Philippe Hurepel († 1234), der als nächster männlicher Verwandter Ansprüche auf die Regentschaft gehabt hätte, den Ludwig VIII. jedoch als politisch unzuverlässig einschätzte. Inwieweit Ludwig tatsächlich so vorausplanend gedacht hatte oder Blanche diese Vorausplanung nur geschickt propagierte, um ihre eigene Stellung zu behaupten, ist strittig.

Fakt ist, die Regelung, die Königinmutter als Regentin und Vormund einzusetzen, garantierte den Verbleib der Macht bei den alten Herrschaftsträgern des Königtums. Trotzdem versuchten ehrgeizige Grafen, wie Theobald IV. von der Champagne, Hugo Lusignan, Graf von La Marche oder Pierre Mauclerc, Graf der Bretagne, die alle vom englischen König Heinrich III. unterstützt wurden, gegen die Königinmutter zu opponieren. Blanche von Kastilien gelang es jedoch, durch geschickte Verträge die französischen Magnaten zu bändigen. Des Weiteren konnte sie die bereits unter Ludwig VIII. ausgehandelten Apanagen für ihre jüngeren Söhne sichern. So konnten diese mit dem Erreichen der Volljährigkeit ihre Herrschaften in Artois (1237), Poitou (1241) und Anjou (1246) antreten.

Ein genaues Datum über den Rückzug Blanches aus der Politik lässt sich nicht ermitteln, da ihr Ausscheiden in kleinen Schritten geschah. Fest steht, dass sie maßgeblichen Anteil an der Friedenpolitik Ludwigs IX., an dessen Aussöhnung mit Raimund VII., Graf von Toulouse und am Waffenstillstand mit England (1243) hatte. So ist es ihr zu verdanken, dass die erste Phase von Ludwigs Königtum friedlich blieb. Während der Abwesenheit Ludwigs aufgrund des 6. Kreuzzugs von 1248 bis 1254 führte Blanche erneut die Regentschaft. Nach dem Tod ihres Sohnes Robert von Artois (1216–1250) begann sie allerdings die Regierungsgeschäfte ihrem vom Kreuzzug heimgekehrten Sohn Karl von Anjou (1227–1285) zu überlassen.

1.2 Karl VIII. (* 1470, König von 1483 bis 1498)

Karl VIII. war der einzig überlebende Sohn von Ludwig XI. (* 1423, König von 1461 bis 1483) und dessen Ehefrau Charlotte von Savoyen († 1483). Er war der letzte, unmittelbar auf dem Vater folgende Herrscher der Hauptlinie der Valois und ist heute vor allem durch seinen 1494 begonnenen Italienfeldzug, der die bis 1559 andauernden Italienischen Kriege einleitete, in Erinnerung geblieben.

Ludwig XI. erlitt im März 1481 einen schweren Schlaganfall, so dass es voraussehbar war, dass Karl seinem Vater noch als Minderjähriger folgen wird. Belegt ist, dass der alte, kranke, aber immer noch gefürchtete König im September 1482 seinem zwölfjährigen Sohn die Prinzipien des Regierens zu erklären versuchte. Karl musste geloben, diese Ratschläge, die im Oktober 1482 von einem königlichen Rat gebilligt wurden, zu befolgen. Nach einem erneuten Schlaganfall am 25. August 1483 übergab schließlich Ludwig seinem Sohn das königliche Siegel, ehe er ein paar Tage später starb. Ein Versuch Ludwigs, sich mit seinen stärksten außenpolitischen Gegner, dem Regenten von Burgund, Erzherzog Maximilian (1459–1519), auszusöhnen, gelang nicht. Zwar unterschrieben Maximilian und Ludwig im Dezember 1482 einen Friedensvertrag, in dem u.a. festgelegt wurde, dass Karl sich mit Maximilians zweijähriger Tochter Margarethe (1480–1530) verloben wird. Allerdings war dies bereits die zweite Verlobung für den zwölfjährigen Karl. Die Verlobung mit Elisabeth (1466–1503), der Tochter Eduards IV. von England wurde aufgelöst. Interessant ist auch, dass Ludwig XI. bereits vor und vor allem noch im Jahr 1477 versuchte, seinen Sohn Karl mit der um dreizehn Jahre älteren Maria von Burgund (1457–1482), Erbin seines politischen Konkurrenten Karl des Kühnen (1433–1477), zu verloben und nun keine Skrupel hatte, die Tochter der inzwischen Verstorbenen mit seinem Sohn zu verloben.

Eine kluge Entscheidung Ludwigs XI. war, die Regentschaft de facto seiner Tochter Anne (1461–1522) und deren Ehemann Pierre de Beaujeu (1437–1503) zu übergeben. Pierre de Beaujeu war ein jüngerer Bruder des Herzogs von Bourbon, der sich in Ludwigs letzten Lebensjahren als verlässliche Stütze des Königs bewährte. Rechtlich war die Regentschaft der Beaujeus nicht gesichert, aber sie verfügten auf Anordnung Ludwigs über die Person des Königs. Diese willkürliche Festlegung führte zur Opposition von Karls zweiten, von der Macht verdrängten Schwager Ludwig von Orleans (1462–1515), der mit Karls Schwester Johanna (1464–1505) verheiratet war. Ludwig war ein Angehöriger der Valois-Orleans und nach Karl der nächste Anwärter auf den Thron. 1498 folgte er ihn auch als Ludwig XII., doch dies war 1483 nicht voraussehbar.

Um die Legitimität ihrer Regentschaft abzusichern, riefen die Beaujeus für Januar 1484 eine Generalständeversammlung ein. Sie waren klug genug, einen neuen Wahlmodus zu gestatten, der dazu führte, dass Vertreter des dritten Standes zur dominierenden Gruppe wurde. Diese Vertreter des dritten Standes unterstützten die Beaujeus, da sie einerseits an einer Kontinuität des Königtums interessiert waren, andererseits nicht an einer Stärkung diverser Adelsgruppen interessiert waren. Indem die Beaujeus zusätzlich den Steuerumfang für die Jahre 1484 und 1485 stark reduzierten, sicherten sie sich die Loyalität der Vertreter des dritten Standes. Nachdem Karl VIII. im Juni 1484 in Reims zum König gekrönt wurde, bemühte er sich mit dem inzwischen gefangen gesetzten Ludwig sich zu versöhnen. Er gestattete ihm sogar die Leitung des königlichen Rates. Trotz dieser Eigenmächtigkeit des jungen Königs blieben Ludwig und sein Anhang machtlos. Die Beaujeus behaupteten ihre Machtstellung.

1485 versuchte Ludwig von Orleans erfolglos die Generalstände einzuberufen, mit dem Ziel, Karl aus der Aufsicht der Beaujeus zu befreien. Danach versuchte er mit Hilfe von Maximilian von Burgund, dem späteren Kaiser Maximilian I. und Franz II., dem Herzog der Bretagne militärisch gegen die Regenten vorzugehen. Dieser „unsinnige Krieg“ („guerre folle“) endete am 28. Juli 1488 mit dem Sieg der Königlichen bei Saint-Aubin-du-Cormier. Ludwig von Orleans geriet in Gefangenschaft, aus der erst 1491 entlassen wurde.

Eine Folge des Sieges der königlichen Armee war, dass die Bretagne ihre Unabhängigkeit verlor. Im Vertrag von Verger vom 21. August 1488 musste der bretonische Herzog einer Vermählung seiner Erbtochter Anne (1477–1514) mit dem französischen König zustimmen, womit die Inbesitznahme der bis dato selbständigen Bretagne durch Frankreich möglich wurde. Allerdings erschwerten sich die Bedingungen, nachdem wenig später Franz II. verstarb und ihm seine elfjährige Tochter Anne folgte. Dieses recht resolute Mädchen widersetzte sich, unterstützt von den bretonischen Ständen und ihren Räten, den oben genannten Vertrag. Anfang 1489 kam es erneut zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Bretagne und Frankreich. Deshalb entschloss sich die junge Herzogin, sich mit Maximilian zu verbünden. Im Dezember 1490 kam es zur Eheschließung zwischen Anne und Maximilian, die dieser durch einen Bevollmächtigten in Rennes schließen ließ.

Diese Heirat betrachteten die Franzosen als Affront. Sie begannen die Bretagne anzugreifen und deren Hauptstadt Rennes zu belagern. Maximilian unterstützte die Bretonen nicht, die schließlich am 15. November 1491 den, von den Franzosen vorgelegten, Friedensvertrag zustimmten. Anne willigte nun in eine Heirat mit Karl ein. Damit war das „bretonische Problem“ für Frankreich, trotz komplizierter Erbschaftsregelungen, gelöst. Anne wurde im Fall ihrer Witwenschaft nur eine erneute Ehe mit dem nachfolgenden Träger der Krone gestattet. Dies geschah dann auch 1499 mit ihrer Eheschließung mit Ludwig XII.

Am 6. Dezember 1491 heirateten Anne und Karl. Die Regentschaft der Beaujeus endete damit offiziell. Während die Lösung Karls von Margarethe relativ fair verlief, beide mochten sich und Margarethe kehrte erst 1493 nach Flandern zurück, führte die Scheidung zwischen Anne und Maximilian zu langjährigen Rechtsstreiten. Kirchenrechtlich fand Karl VIII. in Papst Alexander VI. einen Verbündeten, der wegen eigenen weltlichen Machtansprüchen bereit war, Karls bzw. Annes vorherige Ehen zu annullieren. Maximilians Umfeld verbreitete daraufhin die Mär, dass Anne von bewaffneten, französischen Soldaten zur Ehe mit Karl gezwungen wurde. Dieser angebliche „französische Brautraub“ vergiftete schließlich die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich.

Seit seiner Eheschließung regierte Karl VIII. selbständig. Als eine seiner ersten Maßnahmen ließ er den immer noch inhaftierten Ludwig von Orleans frei, der sich in Zukunft als Stütze des Königs erweisen sollte. Die Ehe mit Anne verlief glücklich, sie war seine wichtigste Beraterin. Allerdings warfen das Sterben ihrer vier Kinder und das damit verbundene Ausbleiben eines Thronfolgers einen Schatten auf ihre Ehe.

Anne und Pierre de Beaujeu beeinflussten seit 1491 Karl VIII. nicht mehr. Zentraler Punkt ihres Lebens wurde das Sichern des Erbes ihrer einziger Tochter Suzanne von Bourbon-Beaujeu (1491–1521), die 1505 mit Karl (1490–1527), dem späteren Connétabel von Bourbon, verheiratet wurde.

Literatur

* Ehlers / Müller / Schneidmüller (Herausgeber), Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888–1498, Verlag C.H. Beck München, 1996, ISBN 3-406-40446-4

- Ende des 1. Teils -


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Sansavoir - 30.11.2012 15:18

Abriss vom Leben der minderjährigen und jugendlichen französischen Königen des Mittelalters

Teil 2

2. Verhängnisvolle Regentschaften

Unter verhängnisvolle Regentschaften verstehe ich Regierungen, die wider den Interessen des Königtums als Institution regiert haben. Dies geschah im Zeitraum zwischen 987 und 1498 dreimal.

2.1 Philipp I. (* 1052, König von 1060 bis 1108)

Philipp I. wurde als ältester Sohn von Heinrich I. (*1009/10, König von 1031 bis 1060) und dessen dritter Frau Anna von Kiew (* um 1030; † 1075/89), einer Tochter des Großfürsten Jaroslaw von Kiew, geboren. Er wurde 1059 zum Mitkönig seines Vaters gewählt und geweiht. Ein Jahr später folgte er seinem Vater als jüngster französischer König des Mittelalters. Die Regentschaft wurde noch vom alten König auf Balduin V. von Flandern (1012–1067), der mit Adele (1009/14–1079), einer Schwester Heinrichs bzw. Tante Philipps verheiratet war, übertragen. Ihm zur Seite wurde die Mutter des jungen Königs gestellt, die aufgrund ihrer zweiten Ehe mit Rudolf IV., Graf von Valois noch im Jahr 1061 aus der Regentschaft ausscheiden musste. Tatsächliche Macht übte der französische König (oder der ihm vertretende Regent) nur in dem Gebiet von Paris bis Orleans, der so genannten Krondomäne, und den sie umfassenden Ring kirchlicher Provinzen der Erzbischöfe von Reims und Sens aus. In der älteren deutschen Literatur werden diese Stammländer der Kapetinger als Franzien bezeichnet, das wiederum fast identisch mit der heutigen Region Ile de France ist. Das heißt, etwa zwei Drittel des ehemaligen westfränkischen Reiches wurden von faktisch unanhängigen Herzögen oder Grafen beherrscht. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass zu Philipps Krönung in Reims nur Herzog Wilhelm VIII. von Aquitanien persönlich erschien. Einige der Magnaten entsandten Vertreter, die meisten, so auch Wilhelm von der Normandie, ignorierten das Ereignis und blieben den Krönungszeremonien fern.

Balduin V. von Flandern beherrschte eines der damals größten Fürstentümer. Er war einerseits für das so genannte „Kronflandern“ Lehensmann des französischen Königs, andererseits für „Reichsflandern“ Lehensmann des Kaisers bzw. des deutschen Königs. Durch geschicktes Lavieren zwischen den beiden Mächten erreichte der Graf von Flandern eine de facto Unabhängigkeit. Zusätzlich wurde diese Stellung durch Balduins Heiratspolitik gesichert. So war er selbst Schwager des französischen Königs Heinrich I. und Schwiegervater von Wilhelm, Herzog der Normandie. Während seiner Tätigkeit als Regent für den minderjährigen Philipp war Balduin V., Graf von Flandern, begünstigt durch die zeitgleiche Minderjährigkeit des deutschen Königs Heinrich IV., einer der mächtigsten Männer Westeuropas.

Balduin V. schaltete zuerst die ihm beigeordnete Königinmutter als Regentin aus. Anna von Kiew galt wegen ihrer bereits im Jahr 1061 geschlossene Ehe mit Rudolf IV. von Valois als potentielle Rivalin um die Macht. Ihre neue Ehe war für Philipp und Balduin nicht ungefährlich, denn die Gebiete des Grafen von Valois grenzten im Westen und Norden an Gebieten der Krone. Außerdem bestand die Gefahr, dass Rudolf die Verbindung zwischen Flandern und dem Kronland abschnitt oder zumindest kontrollierte. Dass Rudolf ein zu allen entschlossener, vor nichts zurück schreckender Politiker war, beweist, dass er, um eine Ehe mit Anna führen zu können, seine damalige Ehefrau verstoßen hatte und nachdem dies geschah, trotz Exkommunikation durch den Papst bis zu seinem Tod im Jahr 1074 ein unberechenbarer und gefährlicher Gegner des jungen Königs blieb.

Das schwerwiegendste Ereignis während Philipps Minderjährigkeit war jedoch die Eroberung Englands durch seinen Vasallen Wilhelm von der Normandie im Jahr 1066. Warum Balduin dies nicht zu verhindern versuchte, ist noch nicht eindeutig geklärt, vor allem weil dieser erhebliche Machtzuwachs der Normannen auch seinen eigenen Einfluss einschränkte. Eine Meinung dazu ist, dass der Realpolitiker Balduin seine Grenzen erkannte und so auch zulassen musste, dass viele seiner flämischen Vasallen sich den Normannen nach England anschlossen. Möglich ist auch, dass die päpstliche Unterstützung für Wilhelm den Grafen von Flandern abhielt, die Interessen seines Mündels zu vertreten. Fest steht, dass die Auseinandersetzungen mit dem Normannenherzog und dessen Erben zu einem zentralen Punkt in der Politik der französischen Könige wurde. Das Vasallentum der englischen Könige für französische Herrschaften sorgte für die nächsten Jahrhunderte für genügend Konfliktpotential zwischen Frankreich und England, das erst mit dem Ende des Hundertjährigen Krieges (1453) bzw. mit der Rückgabe von Calais (1559) beigelegt wurde.

Nach dem Tod Balduins übernahm Philipp 1067 selbst die Regierung. Eine Auseinandersetzung mit dem Herzog der Normandie wagte der Fünfzehnjährige noch nicht. 1068 gelang es ihm, erfolgreich in den Erbfolgestreitigkeiten im Anjou einzugreifen. So unterstützte Philipp den Anwärter Fulko „den Griesgram“ gegen dessen Kontrahenten, den seit 1060 herrschenden Gottfried „den Bärtigen“ . Die Hilfe war nicht uneigennützig, Fulko musste nach seinem Sieg Philipp Gebiete, wie das Gatinais, überlassen. Interessant ist auch, dass der Sieg Fulkos nicht nur auf die Unterstützung des Königs, sondern auch auf die Hilfe von Papst Alexander II. und der gegen Gottfried opponierenden Adligen begründet war.

Des Weiteren agierte Philipp im flandrischen Thronfolgestreit, der 1070 nach dem Tod Balduins VI. ausbrach. Hier kämpften Balduins minderjähriger Sohn Arnulf der Unglückliche (1055–1071) und dessen Onkel Robert der Friese (1033–1093) um die Macht. In dieser für ihren Sohn prekären Situation war Arnulfs Mutter Richilde von Hennegau († 1087) sogar bereit, den Truchsess Wilhelms des Eroberers, William FitzOsbern (1020–1071) zu heiraten, der im Übrigen ein Sohn des im Jahr 1040 ermordeten Haushofmeisters Osborn war. Zusätzlich wandte sich Richilde an den französischen König, dem sie für seine zu leistende Hilfe die Abtei Corbie in der Picardie versprach. Daraufhin entschloss sich Philipp, der Partei Arnulfs zu helfen. In der entscheidenden Schlacht von Cassel bei Dünkirchen am 22. Februar 1071 besiegte Robert der Friese die Verbündeten, der jugendliche Arnulf und sein Stiefvater William FitzOsborn fielen, Richilde geriet in Gefangenschaft und Philipp flüchtete mit seinen Truppen vom Schlachtfeld. Robert der Friese und Philipp schlossen daraufhin Frieden, wobei Philipp im Besitz des reichen Klosters Corbie belassen wurde. Um das neue Bündnis zu festigen, heiratete Philipp schließlich Roberts Stieftochter Bertha von Holland (1055–1093/94). Richilde konnte dagegen ihre Herrschaft für ihren zweiten Sohn Balduin II. (1056–1098) in der Grafschaft Hennegau mit Hilfe Wilhelms des Eroberers sichern.

Nach dem Ableben des zweiten Gatten († 1074) seiner Mutter Anna von Kiew gelang es Philipp das westliche oder französische Vexin zu erwerben. Rudolfs Sohn Simon entsagte 1077 seiner Herrschaft, damit zerfiel das von seinem Vater aufgebaute Herrschaftsgebiet. Philipp gelang es daraufhin das gesamte, also auch das normannische Vexin einzunehmen. Dies und die 1079 erfolgte Entsetzung der von Normannen belagerten, bretonischen Festung Dol waren die größten militärischen Niederlagen Wilhelms des Eroberers. Philipp erkannte jedoch die Grenzen seiner militärischen Mittel und verzichtete deswegen bis zum Tod Wilhelms († 1087) auf weitere militärische Auseinandersetzungen mit ihm. Stattdessen gelang es ihm, dessen Familie mit diplomatischen Mitteln zu entzweien und Wilhelms ältesten Sohn Robert Kurzhose (1054–1134) auf seine Seite zu ziehen.

Philipp konnte bereits in jungen seine Stellung als König festigen. Seine weitere Herrschaft war jedoch mit vielfältigen Kämpfen verbunden, so auch gegen die Päpste Gregor VII., Urban II. oder Paschalis II. Erschwerend dazu kamen persönliche Verfehlungen Philipps, so der Verstoß seiner Ehefrau Bertha im Jahr 1092 und der darauf folgende Raub der Bertrada, die damals mit dem Grafen von Anjou verheiratet war. Dieses Verhalten brachte ihm die Exkommunikation durch den Papst ein. In vielen Dingen ähnelte das Leben Philipps dem seines Zeitgenossen Kaiser Heinrich IV., die sich gegenseitig als Leidensbrüder betrachteten.

Zusammenfassend stelle ich fest, dass Philipps Herrschaft eine Krise des französischen Königtums darstellte, die zum Teil mit den Ereignissen während seiner Minderjährigkeit, zum anderen Teil aber auch durch eigene politische Fehler begründet war. Ähnlich wie bei Heinrich IV. (1050–1106) war Philipps Herrschaft geprägt von den Auseinandersetzungen mit dem wieder erstarkten Papsttum, von der Reformbewegung der Kirche (Cluny) und vom Ersten Kreuzzug.

Literatur

* Ehlers / Müller / Schneidmüller (Herausgeber), Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888–1498, Verlag C.H. Beck München, 1996, ISBN 3-406-40446-4

* Joachim Ehlers, Die Kapetinger, Urban-Taschenbücher Band 471, W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Berlin Köln, 2000, ISBN 3-17-014233-X

- Ende des 2. Teiles -


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - WDPG - 01.12.2012 13:16

(20.11.2012 20:55)Maxdorfer schrieb:  Der Kaiser Maximinus Thrax war infolge einer Rebellion in Afrika umgekommen. Die Usurpatoren Gordian I. und Gordian II. wurden von Senat, Volk und vielen Legionen nach der schweren Zeit unter Maximinus dankend akzeptiert....

Wobei ich persönlich finde das Maximinus Thrax zu negativ dargestellt wird (nicht von dir sondern allgemien), er dürfte gar nicht so ein unfähiger oder gar grausamer Kaiser gewesen sein.

Aber es wurden (wie man bei Maximinus Thrax Nachfolgern sieht) eben die Zeiten schwerer und er hatte anscheinend nur das Heer als Machtbasis, in Senat usw. war er wohl sehr unbeliebt.


Ergänzung zu Gordian III - WDPG - 01.12.2012 14:12

(20.11.2012 20:55)Maxdorfer schrieb:  Das Volk zwang den Senat dazu, Gordian III., den Enkel Gordians I. und Neffen Gordians II. anzuerkennen. Der erst dreizehnjährige hatte keine machtvolle Mutter, die ihn in seinen Entscheidungen beherrschte. Die Regierung übernahmen Prätorianerpräfekten, deren letzter, Philippus Arabs, ihm nachfolgte, als er nach sechsjähriger Regentschaft verstarb. Diese war geprägt gewesen von den Problemen der damaligen Zeit, der Verteidigung der Grenzen und der Ausschaltung von Usurpatoren. [/size]

Ein Mann der in der Regierungszeit von Gordian III eine große Rolle spielte, die wahre Macht hatte und sich als sehr fähig erwies war Prätorianerprefekt Timesitheus. Diesem gelang es en einen oder anderen Usurpator auszuschalten, die Grenze zumindest für eine Zeit lang stabil zu halten und innenpolitisch zu schauen, das die Institutionen hinter dem Kaiser standen. Die Probleme der Zeit wirklich lösen konnte auch er nicht (das konnte so aber wohl niemand). Er starb auf einem Feldzug gegen die Sassaniden. Sein Nachfolger als Prätorianerprefäkt war der von Maxdorfer beschriebene Philippus Arabs, der schließlich auch dem minderjährigen Kaiser Gordian nachfolgte.

Das neben dem Volk auch die Prätorianergarde dafür sorgte das Gordian III auf den Thron kam, könnte ich mir gut vorstellen.

Finde die Geschichte von Timesitheus auch deshalb interessant, weil sie ein Beispiel dafür ist, das es in dieser Zeit in Rom sehr wohl Männer gab, die fähig waren. Nur die Probleme die Rom hatte konnten auch diese nicht lösen.


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - WDPG - 01.12.2012 14:23

(21.11.2012 21:34)Maxdorfer schrieb:  Honorius war 11. Sein wichtigster Berater war Stilchio, der aber später auch abgewechselt wurde. Auch als erwachsener Mann wurde Honorius nie ganz erwachsen, und wenn er auch nicht in der Welt aus Schwelgen im Reichtum und Exzessen lebte wie einige vor ihm, so nahm er doch die Lage nie wirklich ernst. Sein Lieblingshahn „Roma“ bedeutete ihm mehr als die gleichnamige Stadt, die seinen Launen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Als man ihm nach der furchtbaren Plünderung Roms die Schreckensnachricht vom Untergang des „ewigen Rom“ meldete, war er sichtlich erstaunt – er habe Roma doch erst am Morgen höchstpersönlich gefüttert.

Das mit seinem Huhn kenne ich zwar, aber es erscheint mir wie ein übertriebener Vergleich, der zeigt wie wenig sich Honorius um Rom kümmerte. Das er sein Leben lang unter dem Einfluss von Beratern stammt, stimmt. Stilicho war ein sehr fähiger Berater, Honorius war aber leider so dumm ihn ermorden zu lassen. Diejenigen die jetzt kamen waren alles andere als fähig, hatten auch den Fall Roms 410 zu verantworten. Erst Constantius III war wieder ein fähiger Berater und Mitkaiser. Teilweise wundert es mich das Honorius nicht irgendwann einmal gestürtzt wurde-es war wohl sein großer Vorteil das er der als legitim angesehenen Herrscherdynastie angehörte.


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - WDPG - 01.12.2012 14:30

(21.11.2012 21:34)Maxdorfer schrieb:  Valentinian III. lebte hinter Palastmauern und mischte sich nur selten in die Politik ein, auch wenn er nicht gänzlich desinteressiert war.

Vielleicht wäre es besser gewesen, er wäre vollkommen desinteressiert an Politik gewesen. Einer seiner seltenen Eingriffe in diese war es unter den Einfluss falscher Berater Flavius Aethius zu ermorden. Dieser war ihm verständlicherweise zu mächtig geworden. Doch schon bald nach dessen Ende wurde dann Valentinian III als Rache für Aethius ermordet. Das Reich begann nun endgültig im Chaos zu versinken.


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - WDPG - 01.12.2012 14:32

(21.11.2012 21:34)Maxdorfer schrieb:  Einzelbiographien zu Kindkaisern werde ich, wie eingangs erwähnt, vielleicht im Laufe der Zeit schreiben und einstellen.

Ups das lese ich erst jetzt, ich hoffe dir das mit meinen Ergänzungen nicht verdorben zu haben.


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Maxdorfer - 01.12.2012 18:47

(01.12.2012 13:16)WDPG schrieb:  Wobei ich persönlich finde das Maximinus Thrax zu negativ dargestellt wird (nicht von dir sondern allgemien), er dürfte gar nicht so ein unfähiger oder gar grausamer Kaiser gewesen sein. Aber es wurden (wie man bei Maximinus Thrax Nachfolgern sieht) eben die Zeiten schwerer und er hatte anscheinend nur das Heer als Machtbasis, in Senat usw. war er wohl sehr unbeliebt.

In der Zeit hatte man ein echtes Problem, wenn die Soldaten einen zum Kaiser ausriefen.

(01.12.2012 14:32)WDPG schrieb:  
(21.11.2012 21:34)Maxdorfer schrieb:  Einzelbiographien zu Kindkaisern werde ich, wie eingangs erwähnt, vielleicht im Laufe der Zeit schreiben und einstellen.

Ups das lese ich erst jetzt, ich hoffe dir das mit meinen Ergänzungen nicht verdorben zu haben.

Nein nein, ich muss eh noch schauen, wie ich das zeitlich mache.


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Sansavoir - 11.01.2013 03:30

Abriss vom Leben der minderjährigen und jugendlichen französischen Königen des Mittelalters

Teil 3

2. Verhängnisvolle Regentschaften

2.2 Karl VI. (* 1368, König von 1380 bis 1422) und Karl VII. (* 1403, König von 1422 bis 1461)

Die Regierungszeit Karls VI. stellt in ihrer Gesamtheit eine der größten Staatskrisen Frankreichs dar. Karl VI. war der älteste Sohn von Karl V. (* 1338, König von 1364 bis 1380) und dessen Ehefrau Johanna von Bourbon (1338–1378). Aufgrund einer psychischen Erkrankung konnte Karl VI., den die ältere deutsche Literatur auch „den Wahnsinnigen“ nennt, nur in den Jahren von 1388 bis 1392 selbstständig regieren. Der Ausfall des Königs führte dazu, dass sich rivalisierende Adelsblöcke bildeten, die sich heftig bekämpften. Höhepunkt war der zwischen 1410 und 1413 stattfindende Bürgerkrieg zwischen den „Bourguignons“ und den „Armagnacs“ . In der Schlacht von Azincourt 1415 unterlag ein französisches Ritterheer englischen Bogenschützen. Dies führte dazu, dass in den Folgejahren Frankreich von englischen oder dessen verbündeten burgundischen Truppen beherrscht wurde. Nur der frühe Tod des englischen Königs Heinrich V. (1387–1422) verhinderte die Ersetzung der Dynastie Valois durch das Haus Lancaster.

Ein sehr interessanter Punkt ist, dass um 1400 unbeliebte und unfähige Könige wie der englische König Richard II. (1367–1400) oder der deutsche König Wenzel (1361–1419) einfach abgesetzt wurden und durch einen fähigeren Kandidaten ersetzt wurden. In Frankreich stand dagegen die Absetzung des Königs nie auf der Tagesordnung. Dies lag einerseits daran, dass Karl während seiner vier tatsächlichen Herrschaftsjahre sehr beliebt war. Andererseits propagierten viele Gelehrte und Dichter die Unantastbarkeit des gesalbten Königs. Damit wurde die Institution des Königtums propagierend gefördert und gefestigt. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Person des Königs trotz seiner Regierungsunfähigkeit und trotz der bis dahin größten Staatskrise Frankreichs in der Bevölkerung akzeptiert war.

2.2.1 Die Minderjährigkeit Karls VI.

Karl VI. wurde 1380 als Zwölfjähriger zum König gekrönt. Er hatte das Pech gehabt, dass es seinem seit 1378 verwitweten Vater Karl V. nicht gelungen war, einen fähigen und loyalen Regenten zu finden. Die Frage der Regentschaft war ungeklärt geblieben. Dies führte dazu, dass Karls Onkel die Macht an sich rissen. Dies waren die Brüder seines Vaters - Ludwig I. von Anjou (1339–1384), Johann von Berry (1340–1416) und Philipp von Burgund (1342–1404) - sowie der Bruder seiner Mutter – Ludwig II. von Bourbon (1337–1410). Noch bevor der junge König gekrönt wurde, beraubte ihn Ludwig von Anjou, um seine Anwartschaft auf das Erbe der Königin Johanna I. von Neapel (1326–1382) zu finanzieren. Nicht weniger skrupellos waren die anderen Herzöge, so dass das Erbe des umsichtig wirtschaftenden Karls V. bereits nach zwei Jahren aufgebraucht war. Unsinnige Maßnahmen der Herzöge, wie drastische Steuersenkungen, denen wiederum noch drastischerer Steuererhebungen folgten, führten zu zuerst lokal begrenzten Aufständen von Kaufleuten und Handwerkern, die sich schließlich über das ganze Land ausbreiteten. Schließlich sahen die Angehörigen der Pariser Stadtarmut ihre Chance für Raub, Plünderung und Mord.

Dies führte schließlich dazu, dass die Regenten im Januar 1383 begannen, das Land mit äußerst brutalen Mitteln zu befrieden. Steuerrecht und Gewalt der Krone waren wieder durchgesetzt. Gleichzeitig gelang es Herzog Philipp von Burgund und seinen Schwiegervater Ludwig von Flandern einen Aufstand der flandrischen Städte Gent und Brügge blutig zu unterdrücken. 1384 konnte Philipp unangefochten sein flandrisches Erbe übernehmen. Damit entstand ein für den König gefährlicher Machtblock im Osten Frankreichs. Der Herzog von Berry konnte dagegen als Gouverneur des Languedocs einen vom Grafen von Foix unterstützten Partisanenkrieg nicht erfolgreich beenden.

Seit 1385 setzte sich Philipp von Burgund als dominierende Persönlichkeit des Regentschaftsrates durch. In der Folgezeit wurden die königliche und burgundische Politik abgestimmt. Dies geschah nicht zum Nachteil der Krone, da zu dieser Zeit noch eine Interessenidentität zwischen König und Herzog bestand. Am 12. April 1385 heiratete der burgundische Erbe Johann (1371–1419) - später Johann Ohnefurcht genannt - die Wittelsbacherin Margarethe von Bayern-Straubing-Holland und seine jüngere Schwester Margarethe (1374–1441) ehelichte Herzog Wilhelm von Bayern-Straubing-Holland (1365–1417). Gemäß dieser burgundischen Politik vermählte sich Karl nur wenige Wochen nach der Doppelhochzeit von Cambrai mit Elisabeth von Bayern-Ingolstadt (1372–1435), die in der Geschichte unter dem Namen Isabeau de Bavière bekannt und (nicht ganz zu Unrecht) verleumdet wurde. Fairerweise muss man Isabeau zugestehen, dass sie weder auf die politische Aufgabe einer Regentin, noch auf den Umgang mit einem wahrscheinlich an Schizophrenie leidenden Ehemann vorbereitet wurde. Ungünstige Eigenschaften, wie ihre Leichtlebigkeit und Verschwendungssucht oder das Fehlen einer eigenen Meinung runden das negative Image der Königin ab.

Am 3. November 1388 verkündete der inzwischen zwanzigjährige König den Beginn seiner selbständigen Regierung. Der aus seinen Onkels bestehende Regentschaftsrat wurde aufgelöst. Als Berater dienten ihm so genannte „Marmousets“ , dies waren Leute aus dem niederen Adel oder dem Bürgertum, die dem König geeignet erschienen, bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Damit folgte er dem Regierungsstil seines Vaters. Diese Marmousets, der Begriff galt ursprünglich als Schimpfname, waren die Vorläufer des späteren französischen Robenadels. Karl VI. konnte als eigenständiger König politische Erfolge, wie die Aussöhnung mit dem Grafen von Foix verzeichnen. Außerdem fungierte er sehr sorgsam für sein Mündel Karl von Tarent (1380–1404), dem jüngsten Sohn seines Onkels Ludwig I. von Anjou.

2.2.2 Der regierungsunfähige König

Dieser Abschnitt behandelt die Regierungsunfähigkeit Karls VI. aufgrund seiner psychischen Krankheit. Komplexe Themen wie der Bürgerkrieg zwischen Anhängern des Hauses Burgund und des Grafen von Armagnac sowie das Fortsetzen des Hundertjährigen Krieges seit 1415 werden nur kurz dargestellt.

Erstmals trat Karls Erkrankung am 5. August 1392 auf, als Karl völlig unerwartet seine Umgebung bedrohte und seinen Bruder Ludwig von Orleans erdolchen wollte. Insgesamt musste der König 43 Schübe seiner Krankheit erdulden. Karl litt wahrscheinlich an einer mit Verfolgungswahn verbundene Schizophrenie. Perioden der Klarheit wechselten mit aggressiven oder depressiven Phasen, wobei Karl in den ersten Jahren das Ausmaß seiner Krankheit erfasste. Die aggressiven und depressiven Phasen gingen mit völligen Realitäts- und Identitätsverlust einher, der König wurde von Todesvorstellungen gepeinigt und war nicht mehr gewillt, Nahrung aufzunehmen und Körperpflege zu betreiben. Von 1415 bis zu seinem Tod im Jahr 1422 dämmerte der König nur noch dahin. Ihm zur Seite wurde die robuste und aufopferungsvolle Odette de Chamdivers gestellt, die einerseits die gesteigerten sexuellen Bedürfnisse des Königs zu befriedigen hatte (!), andererseits für dessen Pflege und Versorgung verantwortlich war. Diese „petite reine“ (kleine Königin) war über viele Jahre die einzige Person, die Zugang zum König während dessen aggressiven und depressiven Phasen fand. Sie gebar ihm auch seine einzige uneheliche Tochter.

Die Aufgaben einer Regentin übernahm Isabeau de Bavière. Ihr zur Seite wurde ein Regentschaftsrat gestellt, dem sowohl Karls Onkels Philipp von Burgund und Johann von Berry als auch Karls Bruder Ludwig von Orleans (1372–1407) angehörten. Ein schwer zu lösendes Problem der Regenten war der Umgang mit dem König während seiner klaren Perioden. Ludwig von Orleans überredete schließlich die Königin dazu, bei ihrem Ehemann zu bleiben, um ihn gezielt von seinen politischen Aufgaben als König abzuhalten. So lebte während seiner lichten Momente der König als Privatier mit seiner Frau zusammen, während Ludwig die Regierungsgeschäfte führte. Die Folge des trauten Beieinander war, dass die Königin sieben ihrer insgesamt zwölf Kinder zwischen 1392 und 1407 gebar, darunter die beiden Dauphins Ludwig (1396–1415) und Johann (1398–1417), die spätere englische Königin und Stammmutter der Tudors Katharina (1401–1437) und den späteren König Karl VII. (1403–1461).

Da Ludwig von Orleans, seine Frau Valentina Visconti (1368–1408), ihre vier gemeinsamen Kinder, darunter Karl (Charles) von Orleans (1394–1465), der zwischen 1415 und 1440 als Gefangener im Londoner Tower lebte und Ludwigs unehelicher Sohn Johann (Jean), Graf von Dunois (1402–1468) oft mit der Königsfamilie zusammenlebten, nährte dies viele Gerüchte. Eins der vielen Gerüchte besagte, dass die Italienerin Valentina Visconti den König verhext hätte, ein anderes Gerücht behauptete, dass Ludwig von Orleans der Vater von Isabeaus jüngeren Kindern wäre. Außerdem beschrieben die Quellen Isabeau als schlechte Mutter, die die Versorgung und Erziehung ihrer Kinder ihrer Schwägerin überließ, während sie sich nur ihren Vergnügungen widmete.

Die von Ludwig von Orleans betriebene Isolation des Königs wurde besonders vom Burgunder Herzog Philipp und seinem Sohn Johann Ohnefurcht beargwöhnt. Zu einem offenen Ausbruch der Feindseligkeiten kam es jedoch erst nach dem Tod des alten Herzogs von Burgund, vor allem nachdem Ludwig begann, mehrere Herrschaften aufzukaufen. Er erwarb sich damit Rechte auf das Herzogtum Luxemburg, womit er den Burgundern versagte oder zumindest erschwerte, ihre oberen (Herzogtum und Freigrafschaft Burgund u.a.) und niederen Lande (de facto das heutige Belgien und die Niederlande) zu vereinigen. Die seit ca. 1402 erfolgte alleinige Kontrolle der königlichen Finanzen durch Ludwig von Orleans führte ebenfalls zum Verdruss der Burgunder, denen sich schließlich unzufriedene Pariser Bürgerstände, wie z.B. die sehr einflussreiche Zunft der Metzger anschlossen.

Am 23. November 1407 ließ Johann Ohnefurcht seinen verhassten Rivalen Ludwig von Orleans in Paris umbringen. Da Johann seinen Gegner (nicht zu Unrecht) beschuldigte, gemeinsam mit der Königin die Staatskasse geplündert zu haben, ließ er dem Leichnam die rechte Hand abhacken. Dies war bis dahin in Frankreich unüblich, es wird angenommen, dass Johann diesen türkischen Brauch während seiner Teilnahme am Kreuzzug gegen die Türken von 1396 kennen gelernt hatte.

Die Ermordung Ludwigs von Orleans führte zu einer wesentlichen Änderung der politischen Ausrichtung. Die politisch isolierte Isabeau verband sich kurz entschlossen mit ihrem bisherigen Gegner, der damit begann, politische Gegner aus den Reihen der Marmousets zu beseitigen. So wurde u. a. der Finanzfachmann Jean Montaigu öffentlich hingerichtet. Die Machtergreifung Johanns von Burgund führte zum Wechsel der adligen Bündnisse. Im Süden formierte sich das Bündnis zwischen Anhängern des Hauses Orleans, an deren Spitze formal der minderjährige Sohn Ludwig - Karl von Orleans (1394–1465) - tatsächlich aber dessen Schwiegervater Bernard VII., Graf von Armagnac (1360–1418) stand, der auch Schwiegersohn des Herzogs von Berry war. Da der Graf von Armagnac sich zuerst als militärischer, ab 1410 – nachdem die Friedensbemühungen des Herzogs von Berry gescheitert waren - auch als politischer Führer dieser Gruppierung behauptete, nennt man diese nach ihm „Armagnacs“ . Diese Gruppierung führte von 1410 bis 1413 den Bürgerkrieg gegen die Fraktion der Burgunder, seit 1415 kämpfte sie gegen Engländer und Burgunder, denen sie 1418 unterlagen.

Herzog Johann Ohnefurcht kontrollierte das Leben von Isabeau und Karl VI., den er der Pariser Bevölkerung öfters zeigte. Da das Volk Anteilnahme am Schicksal und der Krankheit des Königs nahm, wurde Karl bis ca. 1415 relativ häufig der Öffentlichkeit präsentiert. So rief Karl VI. 1413 aus Geldnot die Generalstände ein, die dann der Herzog von Burgund in seinem Interesse manipulierte. Seit 1415 verschlechterte sich die Gesundheit des Königs und seine drei jüngeren Söhne traten mehr in den politischen Vordergrund, worüber ich im nächsten Abschnitt schreiben werde.

Literatur

* Ehlers / Müller / Schneidmüller (Herausgeber), Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888–1498, Verlag C.H. Beck München, 1996, ISBN 3-406-40446-4

* Jean Markale; Isabeau de Bavière. Die Wittelsbacherin auf Frankreichs Thron, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München, Ungekürzte Ausgabe, August 1997, ISBN 3-423-30633-5

Ende des 3. Teils


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Maxdorfer - 19.01.2013 13:17

Ein anderer Herrscher, der sehr früh auf den Thron gelangte, war Otto III. (Link zu Wikipedia). Die Vormundschaft während seiner Minderjährigkeit führten seine Großmutter Adelheid und seine Mutter Theophanu.

Gespräch mit Prof. Horst Fuhrmann über Theophanu und Otto III. (Youtube)

Dokumentation über Adelheid (Youtube)

Dokumentation über Theophanu (Youtube)


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Harald1 - 19.01.2013 13:48

Vielleicht glaubten die damals auch schon an die Genetik zur Begründung der Erbfolge durch den Sohn des verstorbenen Herrschers.


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Maxdorfer - 19.01.2013 19:51

(19.01.2013 13:48)Harald1 schrieb:  Vielleicht glaubten die damals auch schon an die Genetik zur Begründung der Erbfolge durch den Sohn des verstorbenen Herrschers.

Siehe "Königsheil" im Mittelalter.

Lies mal die Beiträge ab Beitrag 9 in diesem Thread Smile


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Maxdorfer - 27.01.2013 12:27

Ptolemaios V. Epiphanes Eucharistos war von 205 bis 180 Pharao Ägyptens und der fünfte Ptolemäer (alle Jahreszahlen im Artikel meinen die Jahre vor Christus).

Ptolemaios wurde am 6. Oktober 210 als Sohn des Pharaos Ptolemaios IV. Philopator I. geboren (da manche Beinamen bei den Ptolemäern mehrfach verwendet wurden, werden die Namen mit zwei Ordnungszahlen angegeben – die erste bezieht sich auf den Namen Ptolemaios, die zweite auf den Beinamen – hier Philopator). Bereits drei Tage nach seiner Geburt, am 9. Oktober wurde er zum Mitregenten seines Vaters ernannt, der damit seine Nachfolge sichern wollte.
Unter der Regierung Ptolemaios IV. ging die Blütezeit des ägyptischen Reiches der Ptolemäer zu Ende. Die Fassade der Vorherrschaft im Osten des Mittelmeeres konnte Philopator I. aufrecht erhalten, doch die faktische Macht war verschwunden. Durch kostspielige Kriege – die nicht immer siegreich endeten – und Aufstände (Rebellionen in Nordägypten, „Pharaonenstaat von Theben“) wurde auch die wirtschaftliche Lage bedeutend verschlechtert. Gleichwohl nahm Ägypten immer noch eine bedeutende Rolle allein im Handel ein, denn so mancher Kaufmann zog die Seeroute über Alexandria und das Rote Meer nach Indien der unsicheren Seidenstraße vor.

Dies war die Situation, als der kulturliebende, aber sonst nicht sonderlich fähige Ptolemaios IV. in den Sommermonaten des Jahres 205 starb. Für den nicht ganz fünfjährigen Sohn hätte nach dem Wunsch des Verstorbenen sicherlich seine Witwe und Schwester Arsinoë III. die Regentschaft führen sollen. Doch dies missfiel den zwei mächtigsten Männern des Ptolemäerreiches, Sosibios und Agathokles, die schon unter dem untätigen eben verstorbenen Vorgänger die Fäden gesponnen hatten. Sie ließen Arsinoë kurzerhand ermorden. Es gibt aber auch Berichte, nach denen Ptolemaios IV. seine Schwestergemahlin noch zu Lebzeiten selbst umgebracht habe und dies lange Zeit verheimlicht worden sei (er war völlig seiner Mätresse Agathokleia ergeben gewesen und interessierte sich nicht für Arsinoë) oder aber dass diese bei einem durch Brandstiftung entstandenen Feuer ums Leben gekommen sei. Doch diese Überlieferungen werden von den Historikern meist abgelehnt, vermutlich wurden sie von den Verschwörern in die Welt gesetzt.
Sosibios, ein ehemaliger Sportler, und Agathokles, der in seiner Jugend Mundschenk und Geliebter Ptolemaios IV. gewesen sein soll, übernahmen jetzt die Machtpositionen. Sie besorgten zwei Urnen mit der angeblichen Asche der Toten. In denen soll sich aber dem griechischen Schriftsteller Polybios zufolge nur etwas Gewürz befunden haben. Außerdem fälschten die beiden ein Testament des toten Ptolemäers, laut dem sie die Vormünder Ptolemaios V. sein sollten und mit dem sie sich der Staatsgewalt bemächtigen konnten. Mit diesen Utensilien beriefen sie die Palastwache, die Leibgarde und die Offiziere der Armee zusammen und verkündeten einen natürlichen Tod des Herrscherpaares. Anschließend wurde dem kleinen Kind das Diadem aufs Haupt gesetzt und es zum König ernannt.

Die Versorgung des Kindes übernahm die ehemalige Mätresse Agathokleia (die die Schwester des Agathokles war) und deren Mutter Oinanthe. Doch im Laufe der Zeit kam die Wahrheit über die Testamentsfälschung ans Licht und verärgerte das Volk in Alexandria. Während Sosibios schon sehr schnell (anscheinend eines natürlichen Todes) starb, führte Agathokles noch eine ganze Weile die Regierungsgeschäfte. Potentielle Rivalen seiner Person schickte er mit diplomatischen Aufträgen auf möglichst weite Reisen. Er versuchte damit, seine Stellung zu sichern, gleichzeitig sollten die Fortgeschickten gegen Eroberungen der Nachbarländer protestieren, die die in Ausnutzung der Regierungskrise in Ägypten und auf dessen Kosten Feldzüge durchführten. Aber großen Erfolg hatten die nach Makedonien und zu den Seleukiden geschickten Männer nicht. Im Gegenteil, in einem Geheimvertrag kamen Makedonen und Seleukiden überein, die Außenbesitzungen der Ptolemäer unter sich aufzuteilen.
Auch machte Agathokles sich sehr schnell unbeliebt. Unter Tlepolemos, dem Strategen von Pelusion, bildete sich eine starke Opposition gegen seine Herrschaft heraus. Bei den nun folgenden Machtkämpfen, deren exakter Ablauf nicht weiter bekannt ist, spielten die makedonischen Soldaten, die die Palastwache bildeten, eine bedeutende Rolle, da von ihrer Gunst ein großer Teil politischen Erfolges abhing. Im Herbst 203 schließlich gelang es, Agathokles zu stürzen. Vom aufgebrachten Mob verfolgt, floh er mit seiner Familie ins Stadion, wo er schließlich erschlagen wurde. Mit ihm und mit Sosibios starben zwei Paradebeispiele für den Typus des intelligenten, aber kaltblütigen, hinterlistigen und intriganten Machtmenschen der hellenistischen Zeit. Oinanthe, die in einen Tempel geflohen war, wurde dort herausgezerrt, nackt auf ein Pferd gesetzt und im Stadion auf brutalste Weise abgeschlachtet. Der Sensationslust des Volkes kam solch ein Ereignis gerade recht.
In den Wochen der Ermordung des Agathokles kehrte auch Philammon (der Mörder Arsinoës) in die Hauptstadt Ägyptens zurück. Einige Frauen, die früher Freundinnen der umgebrachten Königin gewesen waren, töteten ihn und seine Familie.


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Maxdorfer - 27.01.2013 15:24

Der sechsjährige Ptolemaios stand nun ganz allein dar, was vor allem der Tatsache geschuldet war, dass um ihre Macht besorgte Vorgänger fast alle Familienmitglieder abgeschlachtet hatten. Tlepolemos setzte sich nun an die Staatsspitze und führte die Regierungsgeschäfte ab da an. Der Sohn des Sosibios, Sosibios der Jüngere, durfte anfangs noch an der Macht teilhaben (warum, weiß ich nicht), wurde schließlich aber abgesetzt. Doch auch Tlepolemos war kein sonderlich beliebter Mann, und auch er hatte bald eine Menge Feinde. 201 wurde auch er entmachtet und Aristomenes, ein ehemaliger Anhänger des Agathokles, setzte sich an seine Stelle. Was aus dem abgesetzten Regierungschef wurde, ist unbekannt.

Im den frühen Sommermonaten 202 eröffnete der Seleukide Antiochos III. den fünften Syrischen Krieg und konnte weite Teile Palästinas und Syriens (unter anderem Damaskus) erobern. Ptolemaios, der Stadthalter in Palästina, war von den Machtkämpfen in Alexandria verunsichert und wechselte aus diesem Grund "sicherheitshalber" auf die seleukidische Seite, auf der er auch seine Machtposition behielt. Der ägyptische Feldherr Skopas konnte in einem Gegenschlag fast alle verlorenen Gebiete zurückerobern, musste aber einige Monate später, als ein endgültiger Erfolg ausblieb und die Offiziere Antiochos’ weitere Offensiven starteten, kapitulieren und zog sich zurück. Skopas sollte nun Ägypten selber gegen ein Eindringen der seleukidischen Armee verteidigen. Doch diese plante noch gar keine Invasion, da erst das neu eroberte Gebiet gesichert werden musste. Bedeutende Umbrüche fanden im Zuge des Herrscherwechsels in Palästina und Syrien nicht statt, selbst der Statthalter blieb der gleiche.
Das Königreich Makedonien konnte ebenfalls einige ptolemäische Gebiete im östlichen Mittelmeerraum erobern. Doch die Beschwerde einiger gleichsam eroberter griechischer Städte vor dem römischen Senat lösten den Zweiten Makedonischen Krieg aus, in dessen Folge die meisten der Gebiete wieder an Ägypten zurückkehrten. Aber auch auf die ptolemäische Seite stellten sich die römischen Gesandten nicht endgültig, was wiederum den Seleukiden die Möglichkeit gab, ägyptische Besitzungen in Kleinasien zu erobern. Man sieht also, dass die außenpolitische Lage Ägyptens nicht gerade die beste war.

Und so empfand man auch in Alexandria diese lähmende Situation. Man drängte nach einem wirklichen Herrscher. Es gab zwar keinen besonderen Grund, warum Ptolemaios V. es besser machen sollte als seine Regenten, aber in ihm hatte er eine prestigeträchtige Identifikationsfigur mit bedeutenden Vorfahren, auf den man alle Hoffnungen setzte. Am 3. Dezember 197 wurde Ptolemaios V. deshalb dreizehnjährig offiziell zum Pharao gekrönt. Polykrates von Argos, ein begnadeter und erfolgreicher Offizier, der 203 bis 197 Stratege von Zypern gewesen war, richtete die Anakleteria aus. Darunter verstand man religiös-offizielle Feierlichkeiten, mit denen Ptolemaios für mündig erklärt wurde. Schließlich krönte der Hohepriester des Ptah in Memphis ‚Ptolemaios V. Epiphanes’ am 26. März 196 zum Pharao Ägyptens. Polykrates, ein Sohn des populären Ringkämpfers Mnasiadas, machte in den Folgejahren eine glänzende Karriere am ägyptischen Hof in Alexandria durch.

197 endete auch der Fünfte Syrische Krieg durch einen Friedensschluss mit Antiochos III., dessen Tochter Kleopatra Ptolemaios V. daraufhin heiratete. 196 wurde das Dekret von Memphis verabschiedet, das den Text des Steins von Rosette bildet ([url= http://de.wikipedia.org/wiki/Stein_von_Rosetta#Inhalt]Auszüge in Wikipedia[/url]). Vorerst stand Ptolemaios V. noch im Einfluss des Aristomenes, der aber schnell in Ungnade fiel und 192 gezwungen wurde, Gift zu nehmen. An seine Stelle trat Polykrates, dem es gelang, Oberägypten dem Ptolemäerreich wieder einzuverleiben. Wirklich selbstständige Entscheidungen zu treffen, schaffte Ptolemaios V. jedoch bis zu seinem Tod im Jahre 180 nicht.

Der Beiname Epiphanes bedeutet (nach Wikipedia) „der Gott der aufgegangen/erschienen ist, dessen Güte schön ist“, während der Name „Eucharistos“ „der Dankbare“ bedeutet.


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Harald1 - 27.01.2013 15:31

(19.01.2013 19:51)Maxdorfer schrieb:  
(19.01.2013 13:48)Harald1 schrieb:  Vielleicht glaubten die damals auch schon an die Genetik zur Begründung der Erbfolge durch den Sohn des verstorbenen Herrschers.

Siehe "Königsheil" im Mittelalter.

Lies mal die Beiträge ab Beitrag 9 in diesem Thread Smile

Vielleicht verstehst du Spaß wenn du mal älter bist.


RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Teresa C. - 09.07.2016 10:13

(11.01.2013 03:30)Sansavoir schrieb:  ...

Ein sehr interessanter Punkt ist, dass um 1400 unbeliebte und unfähige Könige wie der englische König Richard II. (1367–1400) oder der deutsche König Wenzel (1361–1419) einfach abgesetzt wurden und durch einen fähigeren Kandidaten ersetzt wurden. In Frankreich stand dagegen die Absetzung des Königs nie auf der Tagesordnung. Dies lag einerseits daran, dass Karl während seiner vier tatsächlichen Herrschaftsjahre sehr beliebt war. Andererseits propagierten viele Gelehrte und Dichter die Unantastbarkeit des gesalbten Königs. Damit wurde die Institution des Königtums propagierend gefördert und gefestigt. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Person des Königs trotz seiner Regierungsunfähigkeit und trotz der bis dahin größten Staatskrise Frankreichs in der Bevölkerung akzeptiert war.
...

Nur eine kleine Überlegung dazu:
Ohne jetzt einmal darauf einzugehen, wie unbeliebt bzw. unfähig die beiden Könige Richard II. und Wenzel tatsächlich waren, finde ich aber in beiden Fällen sehr signifikante Unterschiede, wobei auch der Sonderfall des HRR als Wahlkönigtum zu berücksichtigen ist. (Anders als Richard II. war Wenzel nicht nur König des HRR, sondern auch als Wenzel IV. König von Böhmen und gehörte als solcher auch zu den Kurfürsten.) Sowohl Richard II., als auch Wenzel (IV.) gehören übrigens zu jenen Herrschern, die relativ jung an die Macht kamen.

Ob Henry IV. und sein Sohn Henry V. wirklich bessere oder fähigere Könige waren, sei dahin gestellt, Fakt ist, dass sich die beiden ersten "Lancaster"-Könige als "rechtmäßige" Nachfolger von Richard II. durchgesetzt haben. (Und der Umstand, dass ihnen später eine genealogisch freilich etwas fragwürdige "Ahnherrenfunktion" für die Tudor-Dynastie zugestanden wurde, dürfte auch für ihre letztlich positive Wahrnehmung bei späteren Generationen den Ausschlag gegeben haben.)

Im Unterschied zu Henry IV. konnte sich Ruprecht von der Pfalz (obwohl er vermutlich tatsächlich fähiger war) als Nachfolger von Wenzel nur in bestimmten Teilen des HRR durchsetzen. (Von späteren Generationen wurde er auch nur als Gegenkönig wahrgenommen.) Sein Versuch, mit einem Italienfeldzug zur Kaiserwürde zu gelangen, womit er wohl den Kampf gegen Wenzel eindeutig für sich hätte entscheiden können, scheiterte im Wesentlichen daran, dass der damalige Stadtherr von Mailand, den Wenzel (sehr zum Unwillen der Reichsfürsten) zum Herzog von Mailand erhoben hatte, sich diesem gegenüber loyal verhielt.

Wenzel hat seine Absetzung jedenfalls erst nach dem Tod Ruprechts selbst anerkannt, und seine Kurstimme (als König von Böhmen) sollte bei den beiden Wahlen, durch die zunächst sein Cousin Jobst von Mähren und nach dessen überraschenden Tod sein Halbbruder Sigmund (dem die neuere Forschung eine negative Rolle im Zusammenhang mit dem Sturz Wenzels als König des HRR unterstellt) König des HRR wurden, noch wichtig werden.

Als König von Böhmen konnte sich Wenzel IV. übrigens bis zu seinem Tod letztlich behaupten. Mag er tatsächlich gänzlich unfähig oder vielleicht doch nicht so unfähig gewesen sein, zeigt das zumindest, dass er in Böhmen eine relativ starke Position gehabt muss oder im Vergleich mit anderen Konkurrenten doch noch als die bessere Alternative gesehen wurde.